Gegen den drohenden Irak-Krieg haben gestern in Cottbus nach Schätzungen der Polizei rund 500 Menschen demonstriert. Mit Kerzen marschierten sie am Abend durch die Innenstadt. Knapp 100 Menschen hatten zuvor bei einem Gottesdienst in der Oberkirche gemeinsam für Frieden im Irak gebetet.
Besonderes Augenmerk bei der Demonstration legte die Polizei gestern auf rund 30 Mitglieder der rechts gerichteten “Freien Kameradschaft”. Diese forderten gegenüber der RUNDSCHAU “Freiheit für alle Völker”.
Bei ähnlichen Kundgebungen gegen einen Krieg im Irak hatten
Rechtsextreme in anderen Lausitzer Städten bereits mehrfach die Gelegenheit genutzt, gegen die USA und Israel zu hetzen.
Lausitzer Wortgewalt gegen den Krieg
Die Männer und Frauen hinter der Friedensbewegung in der Region
Friedensgebete, Mahnwachen, Menschenketten. Seit Wochen gehen in vielen Orten der Region Menschen in Kirchen, auf die Straßen und Plätze, um gegen einen drohenden Krieg im Irak zu protestieren. Die Organisatoren
kommen oft aus Kirchenkreisen oder von der PDS. Es sind aber auch frühere Aktivisten des Herbstes 1989 darunter.
Es war Anfang Januar, da rief Marion Mende im Auswärtigen Amt an. Sie ist niedergelassene Ärztin in Lauchhammer und wollte von den Außenpolitikexperten der Bundesregierung wissen, wie groß denn genau die Bedrohung Deutschlands durch den internationalen Terrorismus sei. Dass
man ihr das nicht konkret benennen konnte, bestärkte sie nur in ihrem Entschluss, selbst etwas gegen einen drohenden Irak-Krieg zu unternehmen.
Die partei- und konfessionslose Medizinerin legte Unterschriftenlisten in ihrem Wartezimmer aus. Über 3000 Menschen aus Lauchhammer und Umgebung haben inzwischen darauf mit ihrer Unterschrift gegen den drohenden Waffeneinsatz am Golf protestiert. Die Listen schickt Marion
Mende an den Uno-Sicherheitsrat. Am 15. Februar organisierte sie mit Unterstützung der evangelischen Kirche und anderer eine Kundgebung in Lauchhammer.
“Humanitäre Gründe”, sagt Marion Mende, hätten sie, die völlig politikunerfahren ist, zu diesem Engagement gebracht. “Das ist einfach aus dem Bauch heraus passiert”, sagt sie. Der Gedanke, dass tausende Menschen als Kollateralschaden ihr Leben oder ihre Gesundheit verlieren
könnten, lässt sie nicht ruhig bleiben. Die Medizinerin, die Mitglied der Organisation Ärzte gegen den Atomkrieg ist, habe zwar keine Sympathie für Saddam Hussein, doch ein Krieg, wie ihn die USA vorbereitet, könnte eine Lawine ins Rollen bringen, so ihre Befürchtung. Krieg sei heute kein Mittel mehr zur Konfliktlösung, davon ist sie überzeugt: “Es gibt immer diplomatische Lösungsmöglichkeiten.”
Olaf Beier, seit knapp zwei Jahren Pfarrer in Lübben, organisiert in seiner Kirche seit einem Monat jeweils Freitagabend Friedensgebete. “Christen haben einen besonderen Auftrag, für den Frieden einzutreten”,
begründet er das. Außerdem habe die Kirche als Institution auch die notwendigen Räume, um schnell und unkompliziert einzuladen: “Unsere Türen sind ja sowieso offen, auch für Menschen, die nicht Gemeindemitglieder sind.” Dass neben der Kirche auch in Lübben die PDS besonders aktiv bei den Antikriegsaktionen auftritt, stört ihn nicht.
“Jede Kraft, die sich für den Frieden einsetzt, ist gut”, sagt der Pfarrer.
Mahnwache auf dem Markt
Karin Weber, PDS-Abgeordnete im Landkreis Dahme-Spreewald, organisiert seit Wochen eine montägliche Mahnwache auf dem Lübbener Marktplatz. “Die Anti-Kriegs-Bewegung geht quer durch die ganze Gesellschaft”, freut sie sich. In Lübben erfasste sie zeitweise auch den rechten Rand. Zur ersten
Mahnwache erschienen etwa 20 Jugendliche, die offenbar zur
rechtsradikalen Szene gehörten. Mit einem Plakat “Kein Blut für Öl” standen sie Seite an Seite mit PDS-Leuten und anderen friedensengagierten Lübbenern.
“Wenn ich öffentlich dazu aufrufe und die gegen den Krieg sind, kann ich die doch nicht einfach wieder wegschicken”, sagt PDS-Frau Karin Weber. Sie habe versucht, mit diesen Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, doch die waren daran nicht sehr interessiert. Inzwischen haben sie das
Interesse an den Mahnwachen wieder verloren.
In Hoyerswerda stellt die PDS mit Horst-Dieter Brähmig den
Oberbürgermeister. Der sprach Ende Februar vor 2000
Friedensdemonstranten auf dem Lausitzer Platz in Hoyerswerda. Der Anstoß für die Aktion kam von Jugendsozialarbeitern der Stadt. Alle im Stadtrat
vertretenen Fraktionen, Gewerkschaften und die Kirche schlossen sich an. Anderen Ortes halten sich Parteien, vor allem die CDU, eher zurück. In der Cottbuser Oberkirche gibt es seit drei Jahren jeden Montag ein Friedensgebet. Wo sonst nur wenige Menschen beten, kommen jetzt angesichts des drohenden Irak-Krieges jede Woche 100 bis 150. Eine
Parallele zu den Montagsgebeten, die 1989 das Ende der DDR
herbeiführten, sieht Pastorin Dorothea Hallmann jedoch nicht. Das sei inhaltlich nicht zu vergleichen.
Auch sie lehnt einen Krieg am Golf ab, weil tausende unschuldige Menschen, eine ganze Region, damit in Gefahr gebracht würde. Sie bedauert jedoch auch, dass sich zu anderen gewalttätigen Konflikten wie beispielsweise in Tschetschenien kein öffentlicher Protest regt.
Mit angestoßen hat die Protestaktionen in Cottbus Ingrid Model, die auch im Herbst 1989 bei den Demonstrationen in der Stadt politisch aktiv war. Parallel hatten Mitglieder der jungen Gemeinde eine Demonstration organisiert, inzwischen gibt es ein breites Aktionsbündnis der
Kriegsgegner.
Ingrid Model will bewusst an die Montagsdemos der Wendezeit 1989 anknüpfen. “Beides sind für mich Befreiungsaktionen, jetzt befreien wir uns von einem drohenden Krieg.” Gewalt sei kein politische s Mittel, sagt sie, doch wie mit gewalttätigen Diktatoren umgegangen werden soll, dafür
hat sie auch kein Rezept. Die Uno und der Internationale Gerichtshof in Den Haag müssten gestärkt werden, so lautet ihre Forderung. Außerdem sollte mehr Geld in die Friedensforschung gesteckt werden. Die werden
dann schon Lösungen finden, da bin ich mir sicher.
Briefe an den Bundeskanzler
Wolfgang Seeliger und seine Frau Erika aus Lübbenau haben Briefe geschrieben an den Bundeskanzler, den Außenminister, den Bundespräsidenten und den Bundestagspräsidenten sowie an den amerikanischen Botschafter in Deutschland, um einen Irak-Krieg zu verhindern. Seeliger ist 67 und war bis vor zwei Jahren Bürgermeister der Spreewaldstadt. Er ist parteilos, steht den Grünen jedoch politisch nahe. Im Herbst 1989 hatte er die erste Demonstration in Lübbenau mit
organisiert. 1991 stand er mit einer Kerze in der Hand zusammen mit anderen Lübbenauern auf dem Marktplatz, um gegen den Golfkrieg zu protestieren.
“Natürlich wünschen wir uns im Irak andere innenpolitische Verhältnisse, aber das, was die USA jetzt vorhaben, ist völlig unangemessen”, sagt der frühere Bürgermeister. Die aufgebaute militärische Drohkulisse habe zwar schon eine Wirkung auf Sadam Hussein, sagt Seeliger. Ihn störe jedoch
vor allem die amerikanische Überheblichkeit. “Die haben sich schon oft in anderen Ländern die politischen Verhältnisse einfach so zusammengezimmert, wie sie es wollten”, beklagt er. Seeliger hofft, dass die Friedensbewegung in der Lausitz nicht wieder abreißt.
Günter Paulisch aus Senftenberg denkt ähnlich. Auch er gehörte 1989 zu den Organisatoren der Herbstdemonstrationen, protestierte 1991 gegen den
Golfkrieg, ist parteilos und fühlt sich den Grünen politisch verbunden. Paulisch war in der DDR ein Spatensoldat, weil er den Militärdienst an der Waffe abgelehnt hatte.
“Hier geht es doch da
rum, dass Amerika eine Vormachtstellung für sich in Anspruch nimmt, das halte ich für gefährlich”, begründet er sein Eintreten gegen einen drohenden Irak-Krieg. Auch wirtschaftliche Interessen spielten bei den Angriffsplänen der USA eine große Rolle. Im
Moment ginge vom Irak keine große Gefahr aus, das Land sei einfach zu sehr in der Zange der Waffenkontrolleure.
Paulisch hat deshalb zusammen mit anderen in Senftenberg eine Menschenkette organisiert, an der sich etwa 500 Menschen beteiligten. Auch CDU-Abgeordnete der Stadt seien dabei gewesen. Noch ist Paulisch optimistisch, dass ein Krieg im Irak verhindert werden kann. Wenn nicht, will der Senftenberger erst recht weitere Protestaktionen vorbereiten. Eine erste Idee: “Am Tag eines möglichen Kriegsausbruches sollten um 18 Uhr überall in der Region die Kirchenglocken läuten.”