INFORIOT Am Sonnabend, dem 1. September haben in Neuruppin rund 60 Neonazis demonstriert. Der neonazistische “Kampfbund Deutscher Sozialisten” (KDS) hatte den Aufmarsch kurzfristig organisiert. Als Anlass diente der Jahrestag des Naziangriffs auf Polen, dem Beginn des zweiten Weltkrieges. An Gegenaktionen beteiligten sich rund 800 BürgerInnen und Antifas. Eine Sitzblockade wurde von der Polizei aufgelöst. Mehrere Menschen wurden verletzt. 200 PolizistInnen waren im Einsatz, es gab mindestens zwei Ingewahrsamnahmen von GegendemonstrantInnen.
Schon morgens um 9.30 Uhr demonstrierte ein städtisches Bündnis gegen die Nazidemo. Daran beteiligt waren unter anderem Parteien, Initiativen wie das “MBT” und der alternative Jugendklub “Mittendrin”. Auf einer Kundgebung in der Innenstadt erklärten RednerInnen, dass “Neuruppin bunt und nicht braun” sei. Der Neuruppiner Bundestagsabgeordnete Ernst Bahr (SPD) betonte, dass die historischen Nazis auch “am Leid der Vertriebenen Schuld” hätten. Im Stadtgebiet waren zudem Plakate und Transparente aufgehängt — unter anderem: “In Neuruppin ist nur die Wurst von Fleischer Dülfer braun”.
Gegen Mittag wurden die eintreffenden Neonazis am Bahnhof Rheinsberger Tor mit “Nazis raus”-Rufen in Empfang genommen. Eigentlich hatte am Sammlungsort der Nazis von NazigegnerInnen per Traktor eine Ladung Gülle ausgekippt werden sollen — die Polizei verhinderte dies jedoch.
Die Nazis hatten 200 Personen für ihre Veranstaltung angekündigt. Es waren tatsächlich jedoch nur rund 60. Nicht einmal der Anmelder, der Berliner Kameradschaftsaktivist Sebastian Schmidtke war zu seiner eigenen Demo gekommen. Zahlreiche Neonazis trafen darüber hinaus verspätet ein. Gerüchteweise wurde über eine Notbremsung in der Regionalbahn die Anreise verzögert. Wenn die Neonazis über ihren Lautsprecherwagen Durchsagen machten, wurde dies von der Anlage eines gegenüberliegenden Kulturzentrums mit Musik und Antinazi-Parolen übertönt.
Aktionsbündnis-Chef gegen Sitzblockade
Als die Nazis loslaufen wollten, gab es gleich am Anfang in der Karl-Marx-Straße eine Sitzblockade. Von Seiten des landesweiten “Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit” war diese Zivilcourage offenbar nicht erwünscht. Der Bündnis-Vorsitzende Heinz-Joachim Lohmann, Kirchenfunktionär aus Wittstock, rief per Polizeimegafon die NazigegnerInnen auf, ihre Blockade abzubrechen. Es sei bereits genügend Protest gezeigt worden, so Lohmann. Der Aufforderung kamen jedoch nur sehr wenige Menschen nach.
Polizeigewalt: Linkspartei-Politikerin verletzt
Die Blockade wurde von der Polizei mit recht harschem Einsatz aufgelöst. Ohne die Räumung hätten die Nazis nicht marschieren können. An der Kreuzung Marx-Präsidentenstraße ging die Polizei dann aus nicht erkennbarem Grund besonders brutal vor. Beispielsweise wurde einem etwa 15-jährigen Mädchen Tränengas ins Gesicht gesprüht. Auch Kirsten Tackmann, Kyritzer Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, sowie der Kreischef der Jusos wurden durch das Tränengas verletzt. Tackmann kündigte an, deshalb Anzeige zu stellen. Ein weiterer Mann musste ins Krankenhaus gebracht werden. Es gelang trotzdem vielen NazigegnerInnen, über die gesamte Demostrecke neben den Neonazis her zu laufen und ihren Protest direkt zu äußern — die rechten Parolen wurden niedergerufen. Zeitweise hatte der Aufzug die Qualität von einem Spießrutenlauf für die Neonazis.
Ein Neuruppiner Grünenpolitiker riss indes einem Naziredner das Mikrofon aus der Hand. Die Polizei gab ihm daraufhin einen Platzverweis. Das Mikrofon war jedoch zu Bruch gegangen: Hinterher gab es keine Redebeiträge mehr sondern nur noch Musik von den Nazis zu hören.
Die Nazidemo führte vom Bahnhof durch die Innenstadt bis zum Neubaugebiet und dann wieder zurück. Es wurden Parolen wie “Nie wieder Krieg — nach unserem Sieg” und “Israel — internationale Völkermordzentrale” gerufen. Auf Transparenten und Plakaten wurde das “unbesiegbare Nordkorea” gefeiert und “Gegen Krieg und Kapital — unser Kampf ist national” proklamiert. Hauptredner war der Berliner KDS-Aktivist Michael Koth. Der KDS ist eine Splittergruppe im neonazistischen Spektrum, die eine obskure “Querfront”-Zusammenarbeit mit orthodoxen marxistischen Gruppen anstrebt. Auf der Abschlusskundgebung solidarisierte sich Koth mit dem “Kampf der Völker in Iran und Nordkorea”.