Verhöhnung der Opfer des Faschismus
Erstmals seit zwölf Jahren durften Neonazis auf dem Soldatenfriedhof in Halbe wieder ihre »Helden« ehren
(Junge Welt, Andreas Siegmund-Schultze) Bundesweit gedenken Neo- und Altnazis jedes Jahr zum »Volkstrauertag« der »gefallenen deutschen Soldaten beider Weltkriege«. Höhepunkt der braunen Zeremonien war am Samstag ein vom Hamburger Neonazikader Christian Worch angeführter Aufmarsch unter dem Motto »Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten« durch das südlich von Berlin gelegene Halbe. Rund 400 Rechtsextreme, vorwiegend Mitglieder der »Freien Kameradschaften«, waren mit Bussen, Pkw und Bahn nach Halbe gekommen. Der Neonaziaufmarsch war erstmals seit 1991 wieder genehmigt worden. Dem Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder reichte dafür offenbar der Umstand, daß die Demonstration nicht für den »Volkstrauertag« selbst, also für Sonntag angemeldet worden war. Zeitgleich nahmen rund 250 Menschen an einer von antifaschistischen Gruppen initiierten Gegenkundgebung teil.
Im April 1945 waren insgesamt 40 000 Soldaten von Roter Armee und Wehrmacht, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und Zivilisten bei der Kesselschlacht in den Wäldern um den brandenburgischen Ort umgekommen. Hitlers Generäle opferten Zehntausende, obwohl sie wußten, daß der Krieg längst verloren war. Soldaten, die wenige Tage vor Kriegsende bei Halbe im Verdacht standen, desertieren zu wollen, wurden hingerichtet. 57 von ihnen liegen auf dem Halber Friedhof begraben – wie auch Tausende Zwangsarbeiter.
Redner der antifaschistischen Kundgebung am Sonnabend kritisierten das Vorgehen der örtlichen Behörden. Eine antifaschistische Demonstration war ebenso wie eine Ehrung ukrainischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter von den Behörden verboten worden. Eine Mahnwache für die Wehrmachtsdeserteure auf dem Friedhof, die Ludwig Baumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, angemeldet hatte, wurde mit der Begründung nicht zugelassen, daß der Antrag dafür zu spät gestellt worden sei.
Die Neonazis zogen am Samstag nach einer rund zweistündigen Kundgebung auf dem Halber Bahnhofsvorplatz durch den Ort zum Soldatenfriedhof. Aus der gesamten Bundesrepublik waren sie angereist, viele wurden von den rund 1200 eingesetzten Polizisten wieder zurückgeschickt.
Eine Beschwerde des Polizeipräsidiums gegen die Genehmigung des Aufzuges durch das Frankfurter Verwaltungsgericht war am Freitag vom Oberverwaltungsgericht abgelehnt worden, der Aufmarsch wurde jedoch mit zahlreichen Auflagen belegt. So durften die Neonazis keine Fackeln mitführen und nicht im Gleichschritt marschieren. Ebenso war die Parole »Ruhm und Ehre der Waffen-SS« untersagt. Und auch die Rechten durften den Friedhof nicht betreten.
Rechter Aufmarsch
(TAZ) 700 Neonazis demonstrieren am Soldatenfriedhof in Halbe. Polizei hält 400
Gegendemonstranten auf Distanz
Beim ersten Neonazi-Aufmarsch am Waldfriedhof Halbe, südlich von Königs
Wusterhaussen, seit 1991 hat am Sonnabend ein starkes Polizeiaufgebot 700
Rechtsextremisten von rund 400 Gegendemonstranten getrennt. Im Umfeld des größten
deutschen Soldatenfriedhofs seien 38 Platzverweise ausgesprochen worden, davon
32 an linke Gegendemonstranten, sagte Polizeisprecher Peter Salender. Die
rechte Kundgebung wurde kurzfristig von dem 68-jährigen Theologen, ehemaligen
PDS-Bundestagsabgeordneten und früheren Rektor der Berliner
Humboldt-Universität, Heinrich Fink, und einigen Gleichgesinnten mit “Mörder”-Rufen
unterbrochen. Die Polizei wertete den massiven Einsatz mit rund 1.200 Beamten und ihre
Taktik, rechte und linke Demonstranten auseinander zu halten, als Erfolg.
Der Neonazi-Aufmarsch war am Vortag vom Oberverwaltungsgericht Frankfurt
(Oder) erlaubt worden. Die Richter hatten die Beschwerde des Polizeipräsidiums
Frankfurt gegen die Aufhebung des verhängten Versammlungsverbotes in der
Vorinstanz abgelehnt. Laut Gerichtsbeschluss war den Rechtsextremisten das
Betreten des Friedhofs nicht gestattet.
Schönbohm will braunem Spuk ein Ende bereiten
700 Neonazis zogen durch Halbe — jetzt will der Innenminister das
Versammlungsrecht ändern
(Berliner Zeitung, Katrin Bischoff) HALBE. “Es sind traurige, armselige Gestalten. Und es ist unerträglich, dass
diese Leute vielleicht das Bild Deutschlands im Ausland prägen.” Das sagte
Innenstaatssekretär Eike Lancelle angesichts der rund 700 Neonazis, die am
Sonnabend erstmals nach zwölf Jahren wieder durch die Gemeinde Halbe
(Dahme-Spreewald) ziehen durften. Lancelle war am Sonnabend zusammen mit Winfriede
Schreiber, der Präsidentin des Polizeispräsidiums Frankfurt (Oder), nach Halbe
geeilt, wohl auch um ein politisches Signal zu setzen.
1 200 Polizisten im Einsatz
Verwaltungsrichter hatten die Demonstration der Rechtsextremisten zum dort
gelegenen größten deutschen Soldatenfriedhof genehmigt. “Ich respektiere zwar
die Entscheidung der Gerichte”, sagte Lancelle. Aber nun müsse sich die
Politik stark machen, um derartig unerträgliche Umzüge in Zukunft zu verhindern.
So wolle sich Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) in der kommenden Woche in der
Innenministerkonferenz mit seinen Kollegen verständigen. Ziel sei es, das
Versammlungsrecht so zu ändern, dass rechtsextremistische Aufmärsche an
markanten Orten wie etwa Halbe für immer unterbunden werden könnten.
Wenige Minuten, nachdem sich Lancelle so geäußert hatte, wurden dem
ehemaligen PDS-Bundestagsabgeordneten und früheren Rektor der Berliner
Humboldt-Universität, Professor Heinrich Fink, sowie einer Lehrerin und einem jungen
Mann
durch Polizisten Platzverbot ausgesprochen. Sie hatten bei der Kundgebung der
Rechten vor den Toren des Soldatenfriedhofs, bei der die Neonazis den Kampf
von Wehrmacht und Waffen-SS verherrlichten, lautstark mit “Mörder-Rufen” gegen
den braunen Aufmarsch protestiert. “Es ist ein Skandal, dass diese Leute
durch Halbe ziehen dürfen”, sagte der 68-jährige Fink. Zuvor hatten zahlreiche
Teilnehmer einer linken Gegendemonstration versucht, zum Soldatenfriedhof
vorzudringen, um das “Heldengedenken” und die gewaltverherrlichenden Ansprachen
alter und neuer Nazis zu stören. Sie wurden jedoch von der Polizei
aufgehalten.
Rund 1 200 Polizisten aus Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen und Thüringen waren im Einsatz, um eine Eskalation der Gewalt zwischen den
Neonazis und den etwa 350 Gegendemonstranten zu unterbinden. “Ich bin mit
der Arbeit der Beamten zufrieden”, sagte Polizeipräsidentin Schreiber später.
“Es war wichtig, sicherzustellen, dass die Rechten nicht auf den Friedhof
kamen.” Auch wurden die anderen Auflagen, unter denen das Gericht die
Neonazi-Demonstration genehmigt hatte, kontrolliert. So durften die teils kahl
geschorenen Teilnehmer keine Waffen, Fackeln und Trommeln mitführen. Gleichschritt
sowie das Tragen von Springerstiefeln waren untersagt. SS‑, SA- und andere
Nazi-Symbole mussten auf Kranzschleifen oder Tätowierungen überklebt werden.
Zwei Stunden lang konnten die Männer und Frauen mit der braunen Gesinnung
ungehindert durch Halbe ziehen — unter den Klängen von Wagner und Smetana. Am
Ende des Tages resümierte die Polizei, dass es lediglich kleinere
Zwischenfälle gegeben habe. “38 Mal erteilten wir Platzverweise”, sagte Polizeisprecher
Peter Salender.
Als völlig unakzeptabel bezeichnete Andreas Schuster, Landesvorsitzender der
Gewerkschaft der Polizei (GdP), den Aufmarsch der Neonazis und den daraus
resultierenden Polizeieinsatz. “Es ist schlimm, wie viele polizeiliche Kräfte
hier gebunden wurden, nur um diese Rech
tsextremen zu schützen”, sagte er.
Dabei hätte die Polizei genug andere Sachen in Brandenburg zu tun.
Auch nach Schusters Ansicht müsste das Versammlungsrecht schnellstens
geändert werden, damit der jährlich wieder in die Schlagzeilen kommende braune Spuk
in Halbe ein für allemal verhindert werden könne. “Wenn der Innenminister in
diese Richtung vorstoßen will, dann hat er unsere volle Unterstützung”,
sagte der GdP-Landeschef.
Halbe: Keine Zwischenfälle beim Neonazi-Aufmarsch
(MOZ) Halbe (dpa) Rund 400 Menschen haben am Sonnabend gegen einen Aufmarsch von
700 Neonazis am größten deutschen Soldatenfriedhof in Halbe demonstriert. Die
Polizei, die mit 1200 Beamten einen möglichen Zusammenstoß verhinderte,
sprach einige Platzverweise aus und stellte vereinzelte verfassungsfeindliche
Symbole sicher, wie ein Sprecher im Anschluss mitteilte. Der erste Aufmarsch seit
1990 und 1991 war nur unter Auflagen vom Oberverwaltungsgericht in Frankfurt
(Oder) genehmigt worden.
Es hatte am Vortag die Beschwerde des Polizeipräsidiums gegen die Aufhebung
des Versammlungsverbotes durch die Vorinstanz abgelehnt. Die
Rechtsextremisten durften den Friedhof selbst nicht betreten, nicht im Gleichschritt
marschieren und keine Trommeln, Fackeln, Musikinstrumente oder anderen
symbolträchtigen Gegenstände mitführen.
Auf dem Friedhof sind rund 22 000 Soldaten und Zivilisten bestattet, die
während einer der letzten großen Kesselschlachten des Zweiten Weltkrieges im
Frühjahr 1945 ums Leben kamen.