Eine Familie soll nach Kolumbien abgeschoben werden — nun hofft sie auf das neue Zuwanderungsgesetz
(Berliner Zeitung, Martin Klesmann) FÜRSTENWALDE. Acht Jahre lebt die kolumbianische Familie Bermúdez Ospina
jetzt schon in Deutschland, genauer gesagt in Fürstenwalde an der Spree. Doch nun sollen der 36-jährige Parmenio Bermúdez und seine Frau Sandra Ospina mit ihren drei Kindern abgeschoben werden. Der Petitionsausschuss des
Potsdamer Landtages hat diese Woche das Gesuch der Familie abgelehnt, in Deutschland bleiben zu dürfen: “Sie sind ausreisepflichtig”, teilte die christdemokratische Ausschussvorsitzende Marina Marquardt der Familie
schriftlich mit. Am Dienstag haben sie nun den entscheidenden Termin in der
Ausländerbehörde.
“Wir haben große Angst, nach Kolumbien zurückzumüssen”, sagt Sandra Ospina.
“Dort müssten wir um unser Leben fürchten”, sagte die 35-Jährige, die dort
als TV-Journalistin gearbeitet hat. Denn ihr Ehemann Parmenio war im
Bürgerkriegsland Kolumbien einst in der marxistischen Guerrillaorganisation
ELN aktiv, hat bewaffnete Vorstöße der Linksguerrilla nach Bogota logistisch
unterstützt. Später habe er sich von der Guerrilla los-gesagt. Daraufhin
habe man versucht, seinen Sohn zu entführen. Er befürchtet, dass er und
seine Familie bei einer Rückkehr nach Kolumbien Opfer eines Racheaktes
werden — rechte Paramilitärs, aber auch linke Guerrilleros gehen in
Kolumbien, das seit 40 Jahren von einem Bürgerkrieg erschüttert wird,
äußerst brutal sowohl gegen politische Gegner als auch gegen vermeintlich
Abtrünnige vor.
Ungewöhnlich an dem Fall: Allein in Fürstenwalde haben gut 800 Menschen eine
Petitionsliste unterschrieben, damit die fünf Kolumbianer in Deutschland
bleiben dürfen. Die Söhne Steven und Damian besuchen hier das katholische
Gymnasium “Bernhardinum”. “Ich habe gerade die Zulassung zur Abiturstufe
erhalten”, sagt der 17-jährige Steven, der sehr gut Deutsch spricht — mit
einem kleinen märkischen Einschlag. Später möchte er einmal Grafik-Designer
werden. Das jüngste Kind der Familie ist vor vier Jahren in Deutschland zur
Welt gekommen. Der Härtefallbeirat des Landes Brandenburg hat in einem
Gutachten für den Petitionsausschuss für ein Bleiberecht votiert. “Die
Familie ist überaus gut in die Gesellschaft integriert”, sagt die
brandenburgische Ausländerbeauftragte des Landes, Almuth Berger. Tatsächlich
unterrichtet Sandra Ospina seit zwei Jahren an der Volkshochschule Spanisch
und ist in katholischen Gemeindegruppen aktiv. Auch ihr Ehemann Parmenio
könnte sofort als Küchenhilfe in einer Pizzeria arbeiten. “Wenn ich nur eine
Arbeitsgenehmigung hätte”, sagt er. Die Ausländerbeauftragte Almuth Berger
hofft nun, dass die Familie Bermúdez Ospina nicht schon abgeschoben wird,
bevor das neue deutsche Zuwanderungsgesetz in Kraft tritt. Denn, so hofft
Almuth Berger, im neuen Zuwanderungsgesetz werde eine Härtefallklausel
enthalten sein, die der kolumbianischen Familie ein Bleiberecht einräumen
könnte. Auch der PDS-Rechtspolitiker Stefan Sarrach sagt: “Auf der Grundlage
des neuen Zuwanderungsgesetzes ist die gesellschaftlich sehr gut integrierte
Familie wohl ein Härtefall und dürfte in Deutschland bleiben.”
Das Verwaltungsgericht in Frankfurt (Oder) hat den Asylantrag der Familie
Bermúdez Ospina bereits vor einem Jahr als unbegründet abgelehnt. Kolumbien
sei ein relativ demokratisches Land und die Guerrilla-Verwicklung sei nun
schon so lange her, dass für Parmenio Bermúdez und seine Familie keine
Bedrohung mehr bestünde. “Die Richter haben von Kolumbien wohl nicht so viel
verstanden”, sagt Parmenio Bermúdez. Seine Frau verweist auf den Fall eines
Bekannten, des Asylbewerbers Diego Bolívar, der im März 2001 aus Bernau nach
Kolumbien abgeschoben worden ist. Seitdem sei er spurlos verschwunden, sagt
Sandra Ospina.
Mit der zuständigen Ausländerbehörde des Landkreises Oder-Spree ist
vereinbart, dass die Söhne das laufende Schuljahr beeenden dürfen. Das
Schuljahr aber endet am 24. Juni.