Es war eindeutig nicht der Tag der NPD, jener heutige Samstagnachmittag im mittelmärkischen Treuenbrietzen. Mit soviel Protest in einer brandenburgischen Kleinstadt, mitten im Fläming und weitab von Berlin, hatte offenbar nicht einmal die regionale Polizeiführung gerechnet, so dass den wenigen Beamten die Anspannung zwischen den Fronten deutlich anzumerken war.
Immer wieder mussten sie den verlorenen, offenbar aus ganz Westbrandenburg zusammengetrommelten, Nazihaufen vor den wütenden und lautstarken Gegendemonstranten schützen. Nein, die NPD und vor allem ihre (neo)nazistischen Phrasen wollte hier keiner hören.
In einem Aufruf hatte der Bürgermeister und alle Stadtverordneten zum Bürgerprotest aufgerufen und den (Neo)nazis auch durch zahlreiche symbolische Aktionen bereits im Vorfeld signalisiert, dass sie hier nicht willkommen sind. “NPD bei uns: unerwünscht” oder “Hier ist kein Platz für Nazis: Treuenbrietzen zeigt Nazis die kalte Schulter” war so auf Bannern an Gebäuden zu lesen. Ein offenbar zuerst angedachter Aufmarschpunkt der Nazis wurde kurzer Hand in eine Baustelle verwandelt und der Veranstaltungsort der NPD neben einen großen Müllcontainer verlegt.
Eine halbe Stunde später als angemeldet und bereits von 80 Gegendemonstranten erwartet, traf dann gegen 12.30 Uhr die Fahrzeugkolonne der NPD am Kundgebungsort ein. Sichtbar orientierungslos und erst nach dem verstreichen von weiteren 15 Minuten gelang es den (Neo)nazis schließlich ihre Reihen zu ordnen, die Wehrmachtssymbole auf ihrem Lautsprecherwagen zu verdecken und unter den Klängen von Wagner mit ihrer “Mahnwache” zu beginnen.
Nach dem entrollen des Frontbanners, mit dem Motto: “Zerschlagt die Lüge, die auf dem Rücken unserer Toten lastet!”, und der Verlesung der polizeilichen Auflagen durch den Vorsitzenden des NPD Kreisverband Havel — Nuthe, Michel Müller, hielt der Vorsitzende der “Jungen Nationaldemokraten” (JN) in Sachsen Anhalt, Andy Knape, einen ersten Redebeitrag. Hierin stellte er die Erschießung von Zivilisten durch Soldaten der Roten Armee im April und Mai 1945 in Treuenbrietzen — der Anlass der NPD Veranstaltung am heutige Tage — als exemplarisch für “die vielen toten Deutschen”, die dem “Bolschewismus” zum Opfer fielen, dar .
Über die Erschießung von italienischen Militärinternierten am 23. April 1945 in einer Kiesgrube in der Nähe der Stadt durch ein Wehrmachtskommando oder die Deportation und Vernichtung der Juden verlor Knape hingegen kein Wort. Im Gegenteil, in dem der Sachsen-Anhaltiner JN Vorsitzende den sowjetischen Schriftsteller Ilja Ehrenburg, der wegen seiner Kampfaufrufe während des Krieges bei den Nazis gefürchtet war, zitierte und ihn postum als “jüdischen Propagandisten” beschimpfte, versuchte er mit Hilfe dieses Beispiels aus Opfern Täter zu machen und somit letztendlich die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren.
Ein weiterer Redner aus Potsdam — Mittelmark, der nach wiederholter Beschallung des Platzes mit der Musik des Antisemiten Wagner das Wort ergriff, hetzte ebenfalls gegen den “jüdischen Ilja Ehrenburg”, konnte sich jedoch gegen die Gegendemonstranten am Rande der Veranstaltung nicht durchsetzen. Lautstark störten sie seine beiden Redebeiträge, so dass der hetzende (Neo)nazi kaum noch verständlich war. Unbekannte warfen zudem mehrere Rauchbomben in den Nazipulk und sprengten damit beinahe die Kundgebung.
Letztendlich löste sich die Veranstaltung aber dann doch von selber auf und die ungefähr 50 aus den brandenburgischen Landkreisen Havelland, Oberhavel, Ostprignitz Ruppin, Potsdam, Potsdam — Mittelmark und Teltow — Fläming angereisten (Neo)nazis verschwanden wieder in ihre Heimatorte.
Zurück blieben die Treuenbrietzener, die, laut Aussagen ihres Aufrufs, schon seit Jahren bemüht sind, sowohl mit Abgesandten aus Italien als auch mit Rußland eine “Versöhnung über den Gräbern” zu praktizieren und in ihnen “echte Partner in der Geschichtsaufarbeitung” gefunden haben.