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Arbeit & Soziales

Lebensräume statt Preußenträume

Demon­stra­tion:

Datum: 06.06.2009

Zeit: 15.00 Uhr

Ort: Pots­dam Hauptbahnhof

 

His­torische Schlöss­er, barocke Kirchen mit mil­i­taris­tis­ch­er Ver­gan­gen­heit, Parks, in denen das Betreten von Wiesen ver­boten ist und angren­zende, durch hohe Zäune gesicherte Vil­len­vier­tel: Das ist Pots­dam. Geschichtsrevisionist_innen, Organ­i­sa­tio­nen ehe­ma­liger Fallschir­mjäger und Stiftun­gen zum Erhalt preußis­ch­er Tra­di­tio­nen reichen sich hier die Hand. Unre­flek­tiert und teil­weise fanatisch wird daran gear­beit­et, wieder das aus der bran­den­bur­gis­chen Lan­deshaupt­stadt zu machen, was sie ein­mal war: Eine Hochburg preußis­ch­er Kultur.

Beson­ders die Innen­stadt stellt dabei ein wichtiges Pres­ti­geob­jekt dar. Das Stadtschloss und die Gar­nisonkirche sollen hier wieder errichtet und der ehe­ma­lige Stadtkanal aus­ge­bud­delt wer­den. Ver­anstal­tung­sorte wie der Spar­ta­cus und nicht ins Bild passende Baut­en müssen weichen oder sich anpassen. Mit den Ein­rich­tun­gen ver­schwinden auch die Ini­tia­tiv­en und Pro­jek­te, die eine lebendi­ge und alter­na­tive Kul­tur symbolisieren.

Neben der Kul­tur ist die Wohn­si­t­u­a­tion ein weit­eres großes Prob­lem­feld. Bezahlbar­er Wohn­raum wird immer knap­per, sodass Men­schen mit wenig Geld zunehmend aus der Stadt gedrängt wer­den. Doch auch am Rand der Stadt sind die Mieten hochgeschnellt, sodass Pots­dam mit­tler­weile das „teuer­ste Wohnge­bi­et Ost­deutsch­lands“ ist. Vom Glanz der his­torischen Innen­stadt ist in den Plat­ten­bauge­bi­eten nicht viel zu spüren, obwohl dort knapp die Hälfte aller Potsdamer_innen wohnen.

Es gibt viel zu wenig Räume, in denen Men­schen sich ent­fal­ten und kreativ sein kön­nen, Mit­spracherecht haben und leben kön­nen, wie es ihnen passt. Von hochkul­turellen Ange­boten wird ein Großteil der Bevölkerung aus­geschlossen. Die Pots­damer Kul­tur ist zu teuer, zu schick und zu exk­lu­siv. Darüber hin­aus wird ein Kul­tur- und Förderzen­tral­is­mus betrieben, der dafür sorgt, dass wichtige Insti­tu­tio­nen wie der Offene Kun­stvere­in oder das Autonome Frauen­zen­trum in ihrem Beste­hen bedro­ht sind. Organ­i­sa­tio­nen und Pro­jek­te, die alter­na­tive Kul­tur, poli­tis­che Weit­er­bil­dung oder ein­fach Leben­sräume anbi­eten, haben mit zahlre­ichen Prob­le­men zu kämpfen.

Bere­its im Novem­ber 2008 tru­gen daher über 1500 Men­schen ihren Protest laut und deut­lich auf die Straße. Zuvor wurde mit der La Datscha (ehem. Vil­la Wild­wuchs) erst­mals seit Jahren wieder ein Haus in Pots­dam erfol­gre­ich öffentlich beset­zt. Nach­dem eine Par­ty in der Skater­halle durch eine Berlin­er Polizeiein­heit bru­tal geräumt wurde, protestierten über 40 Men­schen während ein­er Sitzung der Stadtverord­neten um die Aufk­lärung des Polizeiein­satzes und endlich Lösun­gen für die bedro­hte Kul­turszene einzu­fordern. Ober­bürg­er­meis­ter Jann Jakobs, der nach demokratis­ch­er Abstim­mung ob des Red­erecht­es den Saal ver­ließ, ver­glich die Protestieren­den mit Nazis und goss somit zusät­zlich Öl ins Feuer.

Doch was hat sich seit dem geän­dert und was nicht? Die Skater­halle wurde abgeris­sen, um Platz für den Pri­vat­park des mit­tler­weile zahlung­sun­fähi­gen Palais Licht­e­nau zu schaf­fen. Das Archiv hat immer noch keine langfristige Sicher­heit, lediglich einen erneuten Auf­schub bis Juni. Auch die Wagen­burg auf Her­mannswerder hat die Kündi­gung bekom­men. Die Char­lot­ten­straße 28 mit Sput­nik und Olga, die Uhland­straße 24 und die Dor­tus­traße 65 sind zumin­d­est erst­mal die mas­sivsten, exis­ten­ziellen Sor­gen los. Mit der Idee des Pro­jek­tes „Frei­land“ gibt es auch konkretere Vorschläge für das Spar­ta­cus, S13 und weit­eren jugend- und soziokul­turelle Angeboten.

Die Stadt hat bish­er die Lösung dieser Prob­leme ver­weigert oder ver­schleppt und ver­mit­telt so das Gefühl von Igno­ranz. Während städtis­che Jugend­clubs nur von 8% der Jugendlichen genutzt wer­den, müssen sich aus­gerech­net Pro­jek­te wie der Spar­ta­cus mit monate­langer Bedarf­s­analyse hin­hal­ten lassen. Kurioser­weise war eine Bedarf­s­analyse bei der dem Spar­ta­cus emp­fohle­nen, abris­s­reifen Johannsen­straße nicht erforder­lich und wird erst bei brauch­baren Ange­boten oblig­a­torisch. Schlussendlich unter­strichen über 1500 Demon­stri­erende einen mehr als deut­lichen Bedarf.

Offen­sichtlich soll die Jugend- und Soziokul­tur aus dem Pots­damer Stadtzen­trum, weit­er nach Außen gedrängt wer­den, außer Sicht- und Hör­weite, der­er, die einen sozialen Sta­tus besitzen um sich eine Stadt zu basteln, wie sie es gerne haben wollen.

 

Wir wollen nicht Teil eines Freilicht­mu­se­ums sein und erst recht nicht weichen, um Touris­ten­ströme quer durch die Stadt schleusen zu können!

Wir fordern bezahlbaren Woh­nungsraum statt Luxu­s­sanierung und Verdrängung!

Wir fordern eine endgültige und langfristige Lösung für alle bedro­ht­en Wohn- und Kulturprojekte!

Wir wer­den deut­lich machen, dass wir die beschriebe­nen Entwick­lun­gen in Pots­dam nicht ein­fach hinnehmen!

Demon­stri­eren wir für eine lebendi­ge und lebenswerte Stadt!

Greift auch zu anderen, kreativ­en Protestformen!

 

Kommt alle zur Demon­stra­tion am Sam­stag den 06.Juni um 15.00 Uhr zum Hauptbahnhof!

Wir bleiben alle!

 

 

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