Flüchtlingsrat kritisiert Zustände im Abschiebeknast Eisenhüttenstadt. Medizinische Versorgung und seit Jahren angemahnte Rechtsberatung nicht gewährleistet. Innenministerium verweist auf Hilfe durch Jesuiten. Die wurde vor drei Jahren beendet
(TAZ, Heike Kleffner) Massive Kritik an den Zuständen im Abschiebegewahrsam Eisenhüttenstadt üben
der Flüchtlingsrat Brandenburg und Vertreter des Deutschen Anwaltsvereins.
Die Zustände seien “unmenschlich”. Im Zentrum der Proteste stehen die
medizinische Versorgung der Abschiebehäftlinge und deren mangelnder Zugang
zu einer unabhängigen Rechtsberatung.
Bereits im Jahr 2000 hatte das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter
(CPT) den Abschiebeknast besucht und anschließend gefordert, den Häftlingen
Zugang zu einer unabhängigen, regelmäßigen und kostenlosen Rechtsberatung zu
gewähren. Seine Kritik veröffentlichte das Komitee im März 2003 zusammen mit
einer Stellungnahme der Bundesregierung.
Darin hieß es, dass “in Ermangelung” anderer seriöser Angebote, z. B. durch
die Rechtsanwaltskammer, eine Rechtsberatung in Eisenhüttenstadt nur durch
die keineswegs unparteiischen in Eisenhüttenstadt tätigen Mitarbeiter der
Abschiebehaftanstalt, der Zentralen Ausländerbehörde und der Außenstelle des
Bundesamtes für Asyl erfolgen könne. Intensive Bemühungen, so die Beteuerung
der Bundesregierung, kompetente Institutionen für diese Aufgabe zu gewinnen,
seien bislang erfolglos geblieben.
Das brandenburgische Innenministerium verweist gerne darauf, dass seit dem
CTP-Besuch drei Jahre vergangen seien. Im Übrigen erhielten die inhaftierten
Flüchtlinge regelmäßig Besuche durch den Jesuitenflüchtlingsdienst, der auch
Beratungen durchführe. Doch auch das Ministerium ist nicht auf der Höhe der
Zeit. Der Jesuitenflüchtlingsdienst hat nach eigenen Angaben seine
Rechtsberatungen bereits im Frühjahr 2001 beendet. Seither rate man der
Leiterin des Abschiebegewahrsams dringend, eine kostenlose Beratung durch
Anwälte zu genehmigen. Alle Angebote der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und
Asylrecht im Deutschen Anwaltsverein wurden durch das Potsdamer
Innenministerium aber bislang abgelehnt.
Zudem, so der Flüchtlingsrat, “ist die medizinische Versorgung der
Inhaftierten nicht gewährleistet”. In Gedächtnisprotokollen, die der taz
vorliegen, beschreibt eine mittlerweile abgeschobene Vietnamesin, dass sie
im zweiten Monat schwanger war, als sie im Oktober 2003 in Eisenhüttenstadt
inhaftiert wurde. Kurze Zeit später litt die 37-Jährige über drei Wochen an
massiven Blutungen, die in der Haft nicht behandelt wurden. Am 1. Dezember
wurde ihr von einem Arzt, zu dem sie von den Sicherheitskräften der Anstalt
gebracht wurde, dann mitgeteilt, dass sie das Kind verloren habe.
“Erkrankte Häftlinge werden, falls überhaupt eine Versorgung stattfindet,
nicht darüber aufgeklärt, was mit ihnen geschieht”, so Vera Everhartz vom
Flüchtlingsrat Brandenburg. Psychisch kranke Häftlinge würden mit Gewalt
ruhig gestellt, anstatt sie medizinisch zu behanden. So wurde eine
Kenianerin im Oktober letzten Jahres nach eigenen Angaben mehrere Stunden
lang an ein Bettgestell gefesselt.