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Abschiebung vor Aussage gegen rassistischen Schläger

Ein Afrikan­er wurde Opfer eines Über­falls. Jet­zt soll er das Land verlassen
– bevor er in seinem Prozess als Zeuge auftreten kann

Rathenow. Erst­ma­lig soll in Bran­den­burg ein Asyl­be­wer­ber abgeschoben werden,
der Opfer ein­er offen­bar ras­sis­tisch motivierten Straftat wurde und im
Prozess als Zeuge gegen den Täter aus­sagen müsste. 

Der Vor­fall ereignete sich am Tag vor Heili­ga­bend 2002: Der 40-jährige Orabi
Mamawi aus Togo schippte mit einem Lands­mann Schnee in Rathenow. Seit drei
Jahren half Mamawi den Haus­meis­tern der Kreisver­wal­tung bei ihrer Arbeit –
ein, zwei Stun­den am Tag für ein paar Euro. Ein junger Deutsch­er fühlte sich
offen­bar durch die bei­den Afrikan­er gestört. Mamawi sagte später aus, dass Worte
gefall­en seien wie: “Was arbeit­et Ihr Scheiß­neger in unserem Land? Wir
Deutschen haben keine Arbeit.” Dem Tagesspiegel erzählte der Togolese: “Der suchte
Stre­it, das wusste ich gle­ich. Wir sind wegge­gan­gen, sagten, er soll uns in
Ruhe lassen. Er kam hin­ter­her, beschimpfte uns weit­er und schlug dann auf uns
ein.” Ora­bi Mamawi wurde von dem Angreifer zu Boden gewor­fen. Als sein
Lands­mann helfen wollte, rief er: “Hol’ die Polizei.” Wenig später kon­nte der
Schläger gestellt wer­den. Mamawi erstat­tete Anzeige und ließ seine Verletzungen
an Auge und Hals behandeln. 

Doch dass der Täter mit Kon­se­quen­zen rech­nen muss, ist sehr zweifelhaft.
Ungeachtet des Über­falls und des Ermit­tlungsver­fahrens soll Ora­bi Mamawi am 24.
Juli dieses Jahres nach Togo abgeschoben wer­den. Für Kay Wendel,
Pro­jek­tleit­er des bran­den­bur­gis­chen Vere­ins “Opfer­per­spek­tive”, ist das ein
unglaublicher
Vor­gang. “Mamawi ist 1997 schon ein­mal bru­tal von Neonazis
zusam­mengeschla­gen wor­den”, sagt er. “Zwar waren seine Ver­let­zun­gen nach dem
Über­griff im
Dezem­ber nicht lebens­ge­fährlich, aber es kann doch nicht sein, dass der
wichtig­ste Zeuge in einem Prozess gegen einen recht­en Schläger nicht mehr aussagen
kann, weil er zuvor abgeschoben wurde!” Wen­del befürchtet, dass der Täter nun
straf­frei aus­ge­ht. Schließlich ist Mamawi nicht nur Opfer, son­dern auch
Hauptzeuge des Überfalls. 

Das sieht auch der Anwalt von Mamawi so und hat deshalb die Ausländerbehörde
in Rathenow gebeten, die Abschiebung bis zum Abschluss des Verfahrens
auszuset­zen. Eine Antwort ste­ht noch aus. Ein Sprech­er der Behörde kon­nte auf
Anfrage des Tagesspiegels keine Auskun­ft zu dem Fall geben, weil “man erst die
Unter­la­gen prüfen” müsse. 

Im Jus­tizmin­is­teri­um reagierte man gestern mit Bestürzung auf den Fall. Zwar
seien Asyl- und Strafver­fahren getren­nte Vorgänge, es gebe allerd­ings eine
Vere­in­barung mit dem Innen­min­is­teri­um, dass in solchen Fällen mit der
Abschiebung gewartet werde. “Anson­sten muss man den Zeu­gen wieder zurück­holen”, sagte
ein Sprech­er. Dass dies bei Mamawi möglich sein wird, bezweifelt nicht nur
sein Anwalt. Simone Tet­zlaff vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg meint: “In Togo
herrscht seit 30 Jahren eine Mil­itärdik­tatur, gegen die sich Mamawi auch in
Deutsch­land engagiert hat. Wenn er dort lan­det, ver­schwindet er wie andere vor
ihm.” 

Bei der zuständi­gen Staat­san­waltschaft in Pots­dam war der Fall gestern
“nicht aufzufind­en”. Das ist min­destens merk­würdig – denn nur ein Staatsanwalt
kann entsch­ieden haben, zunächst einen so genan­nten Täter-Opfer-Aus­gle­ich zu
ver­suchen. Ora­bi Mamawi erhielt im April eine entsprechende Ein­ladung. Er
erschien auch zum Ter­min. Der Täter nicht.

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