(MAZ)POTSDAM Nach dem Eklat im Landtag um zwei Fremdstimmen für die rechtsextreme
DVU wächst die Sorge vor einem Imageschaden für Brandenburg. Die Leiterin
der Landeszentrale für politische Bildung, Martina Weihrauch, nannte den
Vorfall gestern “hochproblematisch”. Sie kritisierte, dass Abgeordnete ihrer
Verantwortung und Vorbildwirkung nicht gerecht würden. Die Bevölkerung nehme
solche Abstimmungen mit großer Sensibilität wahr.
Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) verurteilte erneut scharf, dass
Vertreter demokratischer Parteien für DVU-Vertreter gestimmt haben. “Das ist
eine Schande für unser Parlament”, sagte er.
Im Landtag wird derweil nach den Abweichlern gesucht. Sowohl SPD, CDU als
auch PDS schlossen wiederholt aus, dass die Fremdstimmen für die DVU aus
ihren Fraktionen kamen. Überraschend hatte der DVU-Abgeordnete Michael Claus
am Donnerstag bei der Wahl zur Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK)
für den Verfassungsschutz acht Stimmen erhalten. Sechs Abgeordnete hat seine
Fraktion nur. Er fiel allerdings trotzdem durch.
SPD-Fraktionschef Günter Baaske forderte gestern die beiden Abgeordneten
auf, sich zu erklären. “Wer für die DVU ist, soll das öffentlich sagen und
sein Mütchen nicht bei einer geheimen Wahl kühlen”, sagte er. Allerdings
dürfte die Chance eher gering sein, dass die Betroffenen sich offenbaren.
“Die Namen der beiden Verräter wird man nie herausbekommen, da die Wahl
geheim war”, ist sich ein Abgeordneter sicher.
Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen hielten sich die Abgeordneten gestern
zurück. Es herrscht allerdings Einigkeit darüber, dass es sich nicht um ein
Versehen beim Ankreuzen handeln konnte. Denn bei zwei weiteren Abstimmungen
an diesem Tag über die Vertreter in den Beiräten für die Liegenschaften der
Westgruppe der russischen Truppen (WGT) und der Landesinvestitionsbank Land
Brandenburg (ILB) bekamen die DVU-Vertreter ebenfalls acht beziehungsweise
sieben Stimmen.
Bereits in der vorigen Wahlperiode hatten DVU-Kandidaten bei Gremienwahlen
mehr Stimmen erhalten als sie Abgeordnete haben. Die PKK-Wahl war allerdings
besonders brisant. Am Vortag hatte der Landtag nach den Wahlerfolgen von DVU
und NPD einen gemeinsamen Beschluss gegen Rechtsextremismus gefasst. Im
Vorfeld hatte es Streit gegeben, weil die CDU eine Initiative mit der PDS
abgelehnt hatte.
Der PKK gehören wie bisher vier Abgeordnete an. Das sind für die SPD Britta
Stark und Klaus Bochow, für die PDS Kerstin Kaiser-Nicht und für die CDU
Frank Werner. Die DVU war zuvor mit ihrem Antrag gescheitert, das Gremium um
einen Sitz zu erweitern. In einem solchen Fall hätte die DVU Anspruch darauf
anmelden können.
“DVU-Skandal darf sich nicht wiederholen”
Appell des Landtagspräsidenten an Demokraten
(LR)Nach dem jüngsten DVU-Abstimmungsskandal im Landtag fordert CDU-Landeschef
und Innenminister Jörg Schönbohm “tiefer gehende Konsequenzen”. Gegenüber
der RUNDSCHAU sagte er gestern: “Man kann nicht einfach zur Tagesordnung
übergehen.” Wie berichtet, hatte die rechtsextreme Partei am Donnerstag im
Landtag bei geheimen Abstimmungen erneut zwei Stimmen aus dem Lager der
demokratischen Parteien bekommen. Schönbohm zeigt sich besorgt, dass dies
nach dem Wiedereinzug der DVU in den Landtag im letzten Herbst nun bereits
zum wiederholten Male geschah.
Der Innenminister betonte, “alle Fraktionen seien in der Pflicht, mit ihren
Mitgliedern zu sprechen, Verdachtsmomente auszuräumen, damit sich so etwas
nicht wiederholt”. Auch Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) verlangte,
dass die Fraktionsvorsitzenden von SPD, CDU und PDS jetzt die Initiative
ergreifen müssten: “Es muss eine Debatte in den eigenen Reihen geführt
werden.” Solche Skandale dürften sich nicht wiederholen.
Sowohl Fritsch wie Schönbohm erklärten, es bringe nichts, öffentlich zu
spekulieren, wer die DVU-Sympathisanten seien. Der Minister meinte jedoch,
dass “weder SPD noch CDU ein Interesse daran haben, Zwietracht in die
Koalition zu tragen”. Damit spielte er auf die PDS an. Fritsch betonte, er
könne sich nicht vorstellen, “dass hinter den Fremdstimmen für die DVU ein
taktisches Spiel einer Fraktion steckt”. Er sagte weiter, es falle auf, dass
die DVU im Landtag versuche, sich als sozial und liberal, auf keinen Fall
als rechtsradikal darzustellen. Man müsse aufpassen, dass es im Landtag im
Zuge des parlamentarischen Alltags — die DVU arbeitet in den meisten
Ausschüssen mit — keine “schleichenden Gewöhnungsprozesse” gebe. Wer wissen
wolle, wie die DVU wirklich denke, müsse nur ihre Internet-Seiten ansehen.
Durch ihr Wahlbündnis mit der NPD sei die DVU noch gefährlicher geworden.
Schönbohm verteidigte den Kurs der CDU-Fraktion im Landtag, selbst im Kampf
gegen den Rechtsextremismus keine gemeinsamen Anträge mit der PDS
einzubringen. Wie berichtet, hatte die CDU einen Vorstoß der SPD abgeblockt,
in einem gemeinsamen Antrag mit der PDS nicht nur den Rechtsextremismus,
sondern auch konkret die DVU zu entlarven. Hier gehe es um eine prinzipielle
Frage: “Wir werden mit der PDS keine gemeinsamen Anträge unterschreiben.”
Zwar habe sich die PDS durchaus ideologisch weiterentwickelt. Sie sei mehr
oder weniger im Rechtsstaat angekommen. Aber sie habe ihre Vergangenheit
bisher nicht wirklich aufgearbeitet.
“Stimmen für die DVU höchst problematisch”
(BM)Potsdam — Die Leiterin der Zentrale für Politische Bildung, Martina
Weyrauch, hat die Abstimmungsergebnisse im Landtag zu Gunsten der
rechtsextremen DVU als “höchst problematisch für den
Vertrauensbildungsprozeß” eingestuft. Am Donnerstag hatte die DVU bei
geheimen Wahlen drei Stimmen aus den demokratischen Reihen erhalten. Einige
Parlamentarier müßten ihre Vorbildfunktion dringend überdenken, sagte
Weyrauch. Alle Fraktionschefs haben mittlerweile erklärt, daß die Stimmen
garantiert nicht aus den Reihen ihrer Fraktionen kamen. Verglichen mit 1992
hat die Landeszentrale etwa drei Viertel der Zuschüsse für Sachmittel wie
Bücher eingebüßt. Die freien Träger politischer Bildungsmaßnahmen hätten im
selben Zeitraum rund zwei Drittel ihrer Zuwendungen verloren.