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Ärzte lehnen Brechmittel ab

(04.04.05) POTSDAM Ende 2001 starb in Ham­burg ein 19-Jähriger nach dem
Ein­satz von Brech­mit­teln durch die Polizei. In Bre­men hielt man an der
Meth­ode den­noch daran fest. Mut­maßliche Dro­gen­deal­er soll­ten möglicherweise
ver­schluck­te Beweis­mit­tel erbrechen. Mehr als 1000 Men­schen wurde seit 1992
in Bre­men Brech­sirup verabre­icht — bis im Jan­u­ar ein 35-jähriger Afrikaner
danach ins Koma fiel und zwei Wochen später starb. Er war an seinem eigenen
Erbroch­enen erstickt. 

Während der Fall noch unter­sucht wird, erwägt nun auch Bran­den­burg den
Ein­satz dieser umstrit­te­nen Beweis­mit­tel­sicherung. In Bre­men führte der Tod
des mut­maßlichen Dro­gen­deal­ers zu ein­er Koali­tion­skrise und einem
Mis­strauen­santrag gegen Innense­n­a­tor Thomas Röwekamp (CDU). Der Ein­satz von
Brech­mit­teln ist aus­ge­set­zt. In Bran­den­burg drängt Innen­min­is­ter Jörg
Schön­bohm (CDU) den­noch auf eine rasche Eini­gung. Das Gesundheitsministerium
ging jedoch Ende ver­gan­gener Woche auf Dis­tanz. “Es gibt andere
Möglichkeit­en der Beweis­mit­tel­sicherung, die gerin­gere Gesundheitsrisiken
ausweisen, als den gewalt­samen Brech­mit­telein­satz”, so Gesundheitsministerin
Dag­mar Ziegler (SPD).

Weil die Verabre­ichung von Brech- und Abführmit­teln sowie die Anwen­dung von
Magen­son­den “ure­igen­stes ärztlich­es Han­deln” darstell­ten, beruft sich das
Min­is­teri­um auf die ablehnende Hal­tung der Lan­desärztekam­mer. Die Gefahr
durch den Ein­satz der Brech­mit­tel ist unver­hält­nis­mäßig groß, sagt Reinhard
Heiber, Haupt­geschäfts­führer der Lan­desärztekam­mer. Den Ärzten werde deshalb
emp­fohlen, Brech­mit­tel nicht zwangsweise zu verabre­ichen. Der Einsatz
wider­spreche der Beruf­sor­d­nung und dem ärztlichen Ethos. Wür­den sich
Medi­zin­er auf diese Weise in den Dienst der Ver­fol­gungs­be­hör­den stellen,
beste­he für sie kein Schutz durch die Kam­mer, so Heiber. Die Ärzteschaft
teile damit die Posi­tion der Bundesärztekammer. 

Laut Heiber beste­he die Gefahr von Ris­sen im Magen und in der Speiseröhre
sowie von Leitungs- und Herz­funk­tion­sstörun­gen bis hin zum Herz­in­farkt. Die
durch ein unstill­bares Erbrechen aus­gelöste Entwässerung könne zum Kollaps
und nach­fol­gend zum Tod führen. Auch andere Ärztekam­mern lehnen das
Zwangsver­fahren ab. Nach dem Todes­fall von Bre­men protestierten
Strafvertei­di­ger, Juris­ten und Men­schen­recht­sor­gan­i­sa­tio­nen gegen diese Art
der Beweissicherung. 

“Der Ein­satz von Brech­mit­teln ist medi­zinisch umstrit­ten”, räumt auch der
Sprech­er der Gen­er­al­staat­san­waltschaft, Rolf Grünebaum, ein. Wegen
Unver­hält­nis­mäßigkeit wen­det sich auch die Gew­erkschaft der Polizei (GdP)
gegen das umstrit­tene Ver­fahren. Es beste­he auch kein Hand­lungs­be­darf, sagt
GdP-Lan­deschef Andreas Schus­ter. “In Bran­den­burg gibt es keine offene
Dro­gen­szene.” In Berlin wur­den seit März 2004 in 41 Fällen Brechmittel
verabre­icht. 17 Mal fan­den die Beamten Drogenkügelchen. 

Tat­säch­lich bestand nach Angaben des Innen­min­is­teri­ums in Brandenburg
bis­lang “keine polizeiliche Notwendigkeit, mut­maßlich verschluckte
Beweis­mit­tel zu sich­ern”. Man wolle sich aber im Sinne der Beamten
Rechtssicher­heit ver­schaf­fen, sagt Wolf­gang Brandt, Vize­sprech­er des
Min­is­teri­ums. Ein “drän­gen­des Prob­lem” sei der Ein­satz von Brech­mit­teln aber
derzeit nicht. Ähn­lich sieht man das Prob­lem im Jus­tizmin­is­teri­um. Sprecher
Thomas Melz­er ver­weist allerd­ings darauf, dass die Dro­gen­szene in Bewegung
sei. Deshalb müsse Klarheit über die rechtlichen Möglichkeit­en bestehen.

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