In 50 Städten in Europa wurde rund um den 2. April protestiert, für
Bewegungsfreiheit und Bleiberecht, gegen die Internierung von MigrantInnen
in verschiedenen Formen von Lagern und gegen Grenzen. In Brandenburg gab es
eine Demonstration direkt innerhalb eines Flüchtlingsheims in Bahnsdorf.
(Landkreis Oberspreewald-Lausitz). Ungefähr 200 Menschen, hauptsächlich
selbstorganisierte Flüchtlinge, nahmen an dem Protest in Brandenburg teil,
an der sich eine Demonstration in Senftenberg vor die Ausländerbehörde
anschloss. Das Asylbewerberheim in Bahnsdorf ist kein abgeschlossenes Lager,
sondern ein im Wald liegendes “Dschungel Camp”, in dem die Asylsuchenden
teilweise seit sechs Jahren und mehr isoliert leben müssen.
Die Gesellschaft, die das Lager betreut, “European homecare”, versuchte alle
Insassen vor der Demonstration einzuschüchtern, indem sie ihnen Lügen über
die “anti-lager-action-tour” erzählte. Sie wollte nicht mehr als 30 Personen
den Zugang zum Lager genehmigen. Aber eine gut organisierte Demonstration
konnte diese Hindernisse überwinden. Einige private Sicherheitskräfte, die
versuchten, die Tore des Lagers geschlossen zu halten, hatten nicht die
geringste Chance, als immer mehr Anti-Lager-AktivistInnen
vorwärtsstürmten.…und die ganze Demonstration einschliesslich des
Lautsprecherwagens konnte auf das Gelände.
Bilder gibt es
hier.
Friedlicher Rabatz in Senftenberg und Bahnsdorf
Antirassisten-Bündnis hält sich an Auflagen / Starke Polizei-Präsenz
(LR)Gegen «inhumane Bedingungen» im Bahns dorfer Asylbewerberheim demonstrierten
Samstag rund 200 Antirassisten friedlich. Demo-Schauplätze waren Bahnsdorf
und Senftenberg. Das Europäische Sozialforum hatte den 2. April bereits 2003
zum Aktionstag gegen Abschiebung auserkoren.
12.30 Uhr, mit einstündiger Verspätung nähern sich knapp 200 Demons tranten
dem Bahnsdorfer Asylbewerberheim — als bunt gemischte Gruppe mit
Transparenten und einem mit Lautsprechern bestückten Kleinwagen. Auf leeren
Kanistern schlagen sie den Takt zum Sprechgesang «Das Lager muss weg! Das
Lager muss weg!» Hinterm verschlossenen Tor stehen Sicherheitskräfte von
«€pean homecare» . Das Unternehmen betreibt bundesweit 16
Asylbewerberheime im Auftrag der zuständigen Landkreise. «Eigentlich» , sagt
«homecare» ‑Pressesprecherin Renate Walkenhof, «soll nur eine Delegation von
30 Demonstranten ins Heim.» 120 von 300 Heimbewohner haben eine Petition
aufgesetzt, in der sie das wünschen.
Doch wie sich zeigt, wünschen die Demonstranten etwas anderes: Sie rütteln
am Tor, stoßen es auf, als die Security-Männer nur zögerlich öffnen. Tanzend
und trommelnd bewegt sich die bunte Schar an den Flachbauten und Containern
vorbei zur Wiese vor einem viergeschossigen Plattenbau. An seiner Giebelwand
wird ein riesiges Plakat entrollt. Kein Lager. Für Bewegungsfreiheit steht
darauf auf englisch. Rund 50 Polizisten flankieren die Demonstranten. Vor
dem Kleinbus sammeln sich die Redner und sprechen ins Mikro: Die
Residenzpflicht für Asylbewerber muss weg, die Wertgutscheine müssen weg.
Abschiebung darf es nicht geben. Das Bahnsdorfer «Dschungel-Lager» mache aus
Menschen kranke Tiere. Im Juni vergangenen Jahres wurde in Bahnsdorf ein
Afghane erstochen. Das passiert, wenn Menschen verschiedenster Kulturen
zusammengepfercht werden, sagt ein Redner.
In Bahnsdorf leben Vietnamesen, Afrikaner, Afghanen, Jugoslawen, Pakistani,
Inder, so Heimleiterin Edeltraud Eiben. Renate Walkenhof versteht den
Protest. «Die Leute beschweren sich nur an falscher Stelle.» Zudem werde
verschwiegen, dass sich in Bahnsdorf drei Sozialarbeiter um die Bewohner
kümmern, dass Kinder in Neupetershain, Altdöbern und Senftenberg freie
Schulwahl haben, dass es Kontakte zu Vereinen in der Region gebe.
Zusammengepfercht, so Renate Walkenhof, werde keiner. Das Heim sei bei
schrumpfender Belegschaft längst viel zu groß.
Die Heimleitung lässt Demonstranten und Presse in Flachbauten und Container.
Im Männer-Container beklagen drei junge Bewohner die Situation. Sie kommen
aus Afghanistan, Jordanien, dem Irak. Deutsch hätten sie vor dem Fernseher
gelernt, mit dem Wörterbuch in der Hand. Im Sommer, erzählt der Iraner,
heizt sich der Container auf, im Winter sei es eiskalt. Jeder Schritt im
Flur hallt laut. Das Schlimmste aber sei, dass man am Leben nicht teilhaben
kann.
Als Demonstranten die Asylbewerber zur Demo in Senftenberg einladen, kommen
sie mit. In Bussen mit Berliner Kennzeichen geht es in die Kreisstadt. Vom
Bahnhof zieht der Tross zum Landratsamt. Senftenberger Punks schließen sich
an. Rund 220 Demonstranten sind es jetzt, die meisten Asylbewerber und
Sympathisanten antirassistischer Gruppen aus ganz Deutschland. Kundgebungen
unterbrechen den Protestzug. Aber nur wenige Senftenberger stehen am
Straßenrand. «Wer bezahlt denn das«!» , fragt ein Passant mit Blick auf die
massive Polizeipräsenz und den am Himmel kreisenden Hubschrauber. Was bringt
die Demo» Hyacienth Nguh aus Kamerun lebt seit 19 Monaten in Bahnsdorf und
hat die Demo angemeldet: «Wir wollen unsere Nöte öffentlich machen.»
Politiker sollen es mitbekommen und die Gesetze ändern.
Polizeisprecher Peter Boenki attestiert den Demonstranten ein friedfertiges
Auftreten. Es gab weder Sachbeschädigungen noch Verstöße gegen die Auflagen.
Nur die Szene am Tor — «das war eigentlich Hausfriedensbruch».