(Berliner Zeitung)POTSDAM. Unglaubliche Panne bei Brandenburgs Sicherheitsbehörden: Die
Festplatte eines Computers des Landeskriminalamtes (LKA) mit streng
vertraulichen Daten ist beim Internet-Auktionshaus ebay angeboten und von
einem Studenten aus Potsdam, der von dem brisanten Inhalt nichts wusste, für
rund 20 Euro ersteigert worden. Der Datenträger mit einem Speicher von
20-Gigabyte enthielt interne Alarmpläne für “besondere Lagen” wie
Geiselnahmen oder Entführungen. “Gespeichert war etwa die Zusammensetzung
von Krisenstäben, die Namen der Leute, die im Ernstfall benachrichtigt
werden müssen samt Telefonnummern”, sagte Andreas Schuster, Landeschef der
Gewerkschaft der Polizei (GdP), am Sonntag der Berliner Zeitung. Zudem
enthielt die Festplatte Auswertungen früherer Geiselnahmen, die als
“Verschlusssache — Nur für den Dienstgebrauch” deklariert waren und
normalerweise nur der LKA-Spitze, Brandenburgs Polizeiführung und dem Stab
um Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) zur Verfügung stehen sollten.
Krimineller Hintergrund?
Seit diesem Jahr werden die nicht mehr benötigten Festplatten aus Rechnern
der Landesbehörden nicht mehr vernichtet, sondern zum Verkauf zu Gunsten der
Landeskasse angeboten. Zuvor werden die Daten von einer Spezialfirma
gelöscht. “Wir können uns das derzeit auch nicht erklären, wie die
Festplatte zu ebay gelangen konnte”, sagte Dorothée Stacke, die Sprecherin
des Innenministeriums, am Sonntag. Das Innenministerium hat nun eilig eine
Arbeitsgruppe eingesetzt, die klären soll, wie es zu dieser Panne kommen
konnte. Man werde voraussichtlich am Montag Anzeige gegen Unbekannt
erstatten, so die Sprecherin.
Der CDU-Innenexperte Sven Petke vermutet “einen kriminellen Hintergrund”.
Womöglich habe jemand einen alten Computer entwendet und versucht, das Gerät
via ebay zu Geld zu machen. Zu klären sei, welche Verantwortung die Firma
trage, die mit der Unkenntlichmachung der Daten beauftragt worden sei. Nach
Angaben des LKA ist die Abteilung Zentrale Dienst der Polizei für die
Auftragsvergabe an Privatfirmen verantwortlich — dort ist aber keine
Festplatte als vermisst gemeldet worden.
Welche Firma mit dem Löschen der relevanten Daten beauftragt worden ist,
konnte das LKA am Sonntag nicht sagen. CDU-Innenpolitiker Petke betonte
aber, dass es sich bei dem Vermerk “Nur für den Dienstgebrauch” um die “mit
Abstand schwächste Geheimhaltungsstufe” im internen Dienst handele.
Wesentlich brisanter seien die Vermerke “Vertraulich” oder gar “Streng
geheim”.
Der SPD-Innenpolitiker Werner-Siegwart Schippel forderte Minister Schönbohm
auf, am Donnerstag im Innenausschuss des Landtages Rede und Antwort zum
Festplatten-Skandal zu stehen. “Dieser laxe Umgang mit sensiblen Daten ist
eine Riesenschweinerei”, sagte Schippel. Für ihn sei es unbegreiflich, dass
diese Festplatten überhaupt aus der Hand gegeben werden. “Diese Daten müssen
zerstört werden”, sagte Schippel. Auch Hans-Jürgen Scharfenberg (PDS),
Vorsitzender des Innenausschusses im Potsdamer Landtag, verlangt zügige
Auskunft von Schönbohm. “Der Datenschutz muss im Zweifelsfall über
Gesichtspunkte der Haushaltssanierung gestellt werden”, sagte Scharfenberg.
Bereits der Landesdatenschutzbeauftragte habe darauf hingewiesen, dass die
Techniken zur Löschung von Daten keine hundertprozentige Sicherheit böten.
Schönbohm selbst hielt sich am Sonntag mit Äußerungen zurück — offenbar
fehlt ihm derzeit noch der Durchblick.
GdP-Landeschef Schuster sagte, es sei der “größte Blödsinn” gewesen,
gebrauchte Festplatten mit polizeilichen Daten nicht mehr zu zerstören,
sondern nur zu löschen und sie zum Verkauf anzubieten. “Es ist unglaublich,
dass wir für 20 Euro eine Festplatte mit hochsensiblen Daten verkloppen.”
Derartige Festplatten enthielten auch immer persönliche Daten. “Und jeder
Computerfreak kann bestätigen, dass gelöschte Daten immer wieder reaktiviert
werden können”, sagte der GdP-Landeschef. Das Argument, es handele sich um
alte Pläne aus dem vorigen Jahr, ließ Schuster nicht gelten. “Die
Grundschemen sind immer gleich, und bei den zu benachrichtigenden Leuten hat
sich seit 2004 nicht viel geändert.”
Neuer Datenschutzbeauftragter
Laut Schuster könnte die Festplatte, gerate sie in falsche Hände, für
Kriminelle eine regelrechte Anleitung für Straftaten sein. “Geiselnehmer und
Entführer könnten sich damit perfekt vorbereiten, sie wissen, welche
Maßnahmen gegen sie ergriffen werden”, sagte Schuster. Er fordere, dass die
Datenträger wie bis Ende 2004 geschehen, weiterhin vernichtet würden. “Nur
das ist sicher”, so Schuster.
Brisant ist der Fall auch deshalb, weil Schönbohm in der Vergangenheit schon
häufiger mit Brandenburgs scheidendem Datenschützer Alexander Dix aneinander
geraten war. Dix hatte ihm zu laxen Umgang mit sensiblen Daten vorgeworfen.
Noch in diesem Monat soll die Nachfolge für Dix entschieden werden. Dabei
geht auch ein Kandidat Schönbohms ins Rennen.
Daten-Skandal im Innenministerium
Student ersteigert brisante Festplatte
(MAZ)POTSDAM Getreu dem Werbeslogan des Internet-Auktionshauses Ebay “Drei, zwei,
eins — meins” hat ein Potsdamer Student vor vier Wochen zum Schnäppchenpreis
durchaus brisantes Material in seinen Besitz bringen können. Nach einem
Bericht des “Spiegel” erwarb der Mann, ohne vom vertraulichen Inhalt zu
wissen, für knapp 20 Euro eine Computer-Festplatte mit geheimen Daten der
brandenburgischen Polizei. Der Pressebericht löste am vergangenen Wochenende
im Potsdamer Innenministerium hektische Betriebsamkeit aus.
Ministeriumssprecherin Dorothee Stacke wollte den Bericht zunächst nicht
bestätigen, kündigte aber eine Untersuchung an. Minister Jörg Schönbohm
(CDU) habe eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Kriminalpolizei ermittle, so
Stacke. Am heutigen Montag soll Anzeige gegen Unbekannt erstattet werden. Es
müsse geklärt werden, inwieweit möglicherweise ein Versagen von Fremdfirmen
vorliege oder kriminelle Energie im Spiel sei.
In jedem Fall hat das Innenministerium wohl ein Problem, denn jährlich
wandern 800 bis 1200 Festplatten des Hauses in den Schrott. Sollte das
Material durch die schlampige Arbeit einer Fremdfirma mit nicht gelöschten
Daten zur Versteigerung gelangt sein, dann stellt sich die Frage, ob die
Vernichtung der brisanten Platten überhaupt von Dienstleistern erledigt
werden kann.
Bis Ende 2004 wurden die Festplatten aus den Polizeicomputern
zerschreddert — auch durch speziell beauftragte Firmen. Seit Anfang dieses
Jahres werden die Datenträger nach einem vom Bundesamt für Sicherheit in der
Datenverarbeitung lizensierten Verfahren durch “mit Bedacht ausgewählte
Firmen irreparabel gelöscht”, wie Ministeriumssprecherin Stacke sagte.
Der gebrauchte Datenträger mit 20 Gigabyte Speicher enthält offenbar interne
Alarmpläne für “besondere Lagen” wie Geiselnahmen oder Entführungen,
Namenslisten für die Besetzung von Krisenstäben, Einsatzbefehle
und ‑analysen sowie so genannte Landeslagebilder, in denen die
sicherheitspolitische Situation dargestellt wird. Solche Lagebilder sind als
“Verschlusssache — Nur für den Dienstgebrauch” deklariert und stehen
normalerweise nur der Spitze des Landeskriminalamtes, der Polizeiführung und
dem Stab um Schönbohm zur Einsicht zur Verfügung.
Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Andreas Schuster, hält es für
“skandalös”, dass “Festplatten mit hochsensiblen Daten” nicht mehr
vollständig vernichtet werden. Nur um ein paar Euro zu verdienen, werde ein
unverantwortlich hohes Risiko eingegangen, so Schuster gestern gegenüber
MAZ. “Wi
r wissen doch gar nicht, wie zuverlässig diese Fremdfirmen
arbeiten.” Im Übrigen sei es technisch möglich, gelöschte Daten zu
rekonstruieren.
Die PDS-Landtagsfraktion sprach derweil von einem “sicherheitspolitischen
Skandal”. Ihr innenpolitischer Sprecher Hans-Jürgen Scharfenberg verlangte
vom Innenminister eine Stellungnahme im parlamentarischen Innenausschuss.
Scharfenberg erinnerte daran, dass der Datenschutzbeauftragte des Landes in
seinem letzten Tätigkeitsbericht darauf hingewiesen habe, dass die Techniken
zur Datenlöschung keine 100prozentige Sicherheit böten.
Dagegen rief der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Sven Petke, dazu
auf, zunächst die Untersuchung abzuwarten. “Natürlich hätte das nicht
passieren dürfen”, so Petke. Aber es sei bislang auch kein tatsächlicher
Schaden eingetreten. Sollte es Versäumnisse oder Schlamperei geben, müssten
die nötigen Konsequenzen gezogen werden.
Polizeidaten bei ebay
Geheimes Schnäppchen
(Spiegel Online)Ein Potsdamer Student hat für 20 Euro eine Festplatte der Polizei ersteigert. Sein Überraschungsfund: brisante Informationen wie interne Alarmpläne und Namenlisten von Krisenstäben. Das Brandenburger Innenministerium rätselt noch, warum die Daten nicht gelöscht wurden.
Festplatten-Schrott: Schreddern ist sicherer
Potsdam — Das Internet-Auktionshaus Ebay ist stets für besondere Schnäppchen gut. Nach Informationen des SPIEGEL hat ein Potsdamer Student dort kürzlich für 20 Euro die ausrangierte Festplatte eines Polizeicomputers ersteigert — dass er dabei an geheime Daten kam, ist ganz sicher nicht im Sinne der Brandenburger Polizei als bisheriger Besitzer.
Völlig überrascht reagierte deshalb das Potsdamer Innenministerium auf die Meldung auf SPIEGEL ONLINE, wonach der Datenträger mit 20 Gigabyte Speicher zum Beispiel interne Alarmpläne für “besondere Lagen” wie Geiselnahmen oder Entführungen sowie Namenslisten für die Besetzung von Krisenstäben enthält. “Wir können uns das zurzeit nicht erklären”, sagte Ministeriumssprecherin Dorothee Stacke. Eine eilig eingesetzte Arbeitsgruppe soll nun klären, wie die Festplatte zu Ebay kam. Stacke: “Die arbeiten mit Hochdruck.”
Der Weiterverkauf sensibler Datenträger allerdings ist in Brandenburg mittlerweile Alltag. Bis Ende 2004 noch wurden die Festplatten der Ermittler geschreddert, wenn sie nicht mehr gebraucht wurden. Die darauf enthaltenen Daten konnten so — anders als bei konventionell gelöschten Laufwerken — auch von findigen Computerspezialisten nicht rekonstruiert werden. Seit Beginn dieses Jahres nun werden die Platten zunächst per Spezialverfahren gelöscht und anschließend zum Verkauf angeboten. Der Erlös kommt der Landeskasse zugute.
Technisches Versagen oder kriminelle Energie?
Das dabei angewandte Löschverfahren sei zuverlässig und vom Bundesamt für Sicherheit in der Datenverarbeitung anerkannt, erklärte Stacke. Die Firma habe Erfahrung auf dem Gebiet und vernichte “viel sensiblere Daten” als die aus dem Potsdamer Innenministerium. “Wir entsorgen pro Jahr 800 bis 1200 Festplatten”, erläuterte Stacke.
Mit dem Verkauf der bereinigten Datenträger hatte Innenminister Jörg Schönbohm eine neue Einnahmequelle entdeckt. Denn der CDU-Politiker will nur ungern bei seinen Polizisten kürzen, obwohl Ministerpräsident Matthias Platzeck dem gesamten Kabinett wegen der leeren Landeskassen einen strengen Sparkus verordnet hat. Auch ein geplanter Umtausch der grünen in blaue Uniformen kostet Geld.
Den Weg der offenbar nicht gelöschten Festplatte zur Internetauktion will das Innenministerium nun schnell aufklären. Ein Diebstahl ist Stacke zufolge zumindest bislang nicht registriert worden. Der Fehler scheint also bei der beauftragten Löschfirma zu liegen. “Wir werden nachprüfen, ob dort technisches Versagen vorlag oder kriminelle Energie dahinter steckte”, kündigte Stacke an. Zumindest der Verkäufer wird sich schnell ermitteln lassen. “Ebay ist in solchen Fällen sehr kooperationsbereit”, sagte die Ministeriumssprecherin.
Eine noch größere Panne hatte sich vor einigen Jahren das Thüringer Innenministerium geleistet. Dort waren Computer des Verfassungsschutzes gestohlen worden, die während des Ministeriumsumzuges in einer Garage lagerten. Darauf befanden sich unter anderem Namen von V‑Männern der Geheimdienstler in der Neonazis-Szene. Dass sich auch solche brisanten Informationen auf der Brandenburger Polizei-Festplatte befinden, schloss das Potsdamer Innenministerium aber aus.