POTSDAM WEST Frauen aus Brasilien, Geld aus Amerika, Wasser aus dem Mittelmeer, Essen aus Italien, Wein aus Spanien. Gefragt nach “Ländereigenschaften”, die Schüler am liebsten importieren würden, wollten sie — offenbar sehr in Wunschzettelstimmung — die genannten Dinge. Einwohner eines Phantasielandes, das sich andere Zehntklässler erträumen durften, leben in einer Demokratie, kommen ohne Drogen und Alkohol aus, haben einen 36-Stunden-Tag “für mehr Freizeit”, besitzen alle einen Job und lassen “nicht nur Geld die Welt regieren”.
Eine andere Schülergruppe der Käthe Kollwitz-Realschule sollte sich Gedanken machen, welche Unterschiede eine fiktive “Frau aus Ostafrika”, die erstmals Deutschland besucht, zu ihrer Heimat feststellt: Sie sähe, dass die Menschen hierzulande “verschlossen und hektisch” seien, andere Kleidung tragen, es “nicht so viel Armut”, weniger Kinder und mehr Ärzte gebe.
Die Aufgaben formulierte Karl Hildebrandt gestern innerhalb des Deutschunterrichts bei der Klasse 10b der Kollwitzschule, um über Bilder der eigenen Landsleute und Ausländer diskutieren zu können. Hildebrandt ist Referent des Bildungsprogramms “Aktion Eine Welt”, das mit verschiedenen, schülergerechten Angeboten “interkulturelles Verständnis” fördern will.
In diesem Zusammenhang präsentierte Hildebrandt ein Buch, in dem ein historischer, aber noch aktueller, kritisch-amüsanter Blick auf Deutschland geworfen wird. “Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland” heißt das bereits 1920 erschienene Buch. Darin sind neun Briefe Mukaras zusammengestellt, die dessen Freund Hans Paasche, ein Vorreiter der damaligen Bewegungen von Pazifisten und Vegetariern, veröffentlichte. Um glücklich zu sein, heißt es in einer Passage, müssten die ewig hektischen “Sungu” (Deutsche/Weiße) “viele Dinge kaufen”. Jemand, der nichts oder wenig kaufe, gelte entsprechend nichts. Und Frauen heirateten keinen ausgebildeten Körper, sondern “nur einen Anzug, der einen Schwachen wie einen Starken” gleich aussehen lässt. Ohnehin sei der “Mangel an Bewegung” schuld daran, dass sich Sungu-Körper derart veränderten, dass man “sie nicht mehr nackt zeigen könne”, so Mukara.