WITTSTOCK Wenn am 14.August rechte Demonstranten durch Wittstock maschieren, soll ihnen der Unmut möglichst vieler Dossestädter entgegenschlagen. Das Aktionsbündnis Couragiert gegen Rechts plant für diesen Tag Gegenaktionen.
Wittstocker Aktionsbündnis plant Kreatives für den 14. August / Plakate von Gewaltopfern an der Demostrecke
(Ruppiner Anzeiger) WITTSTOCK Mit kreativen Aktionen wollen Wittstocker am Sonnabend, 14.August, einer rechten Demonstration begegnen. An diesem Tag wollen Ex-NPD-Mann Mario Schulz und seine Anhänger durch die Stadt ziehen, um dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess zu gedenken. Dessen Todestag jährt sich am 17. August und ist deutschlandweit regelmäßig Anlass für rechtsextremistische Kundgebungen und Versammlungen.
In Wittstock traf sich am Dienstagabend das Aktionsbündnis Couragiert gegen Rechts. Die Teilnehmer, darunter Vertreter der Stadt, der Fraktionen, der Schulen, der Vereine, der Kirche und der Jugendclubs, wollten laut Einladung über eine Gegenaktion nachdenken, „die deutlich macht, dass Wittstock tolerant und weltoffen ist und mit der Verherrlichung rechtsextremistischer Ideologien nichts zu tun hat“.
Einige Ideen haben die Teilnehmer der Runde bereits entwickelt, sagte Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP) im Anschluss. So wollen die Wittstocker entland des mutmaßlichen Demonstrationsweges der Rechten Plakate aufhängen, die Opfer rechter Gewalt zeigen. „Wir wollen die Leute beschämen, die da mitlaufen“, sagte Scheidemann. Zudem will das Aktionsbündnis zu einer Kehraktion aufrufen. Nach der Demo sollen die Wittstocker symbolisch die Straße säubern, über die die rechten marschiert sind.
Zur Gegendemo wollen die Wittstocker nicht aufrufen, sagt Scheidemann. Die Polizei müsste die beiden Gruppen aus Sicherheitsgründen trennen. Denkbar sei aber, dass die Jugendclubs in der Nähe des Kundgebungsortes eine Veranstaltung abhalten. Lautbürgermeister geht es nun darum bis zum 14. August die Wittstocker zu mobilisieren. Das Aktionsbündnis Couragiert gegen Rechts plant für August zwei weitere Vorbereitungstreffen.
INFO: Stadtverwaltung Wittstock, Frau Jahn; Meyenburger Chaussee 6, Telefon: 03394/429445
Plakate, Tänze und Trommeln
Aktionsbündnis “Couragiert gegen Rechts” plant Gegenaktionen zur Rechten-Demo am 14. August in Wittstock
(MAZ, Björn Wagener) WITTSTOCK Den Anstoß gab ein Video, das im August 2003 entstand — eine
Fernseh-Reportage über Probleme mit rechtsgerichteten Aktivitäten in
Brandenburg. Neben Schwedt und Rathenow spielte darin auch Wittstock eine
Rolle. Im Zusammenhang mit einer Rechten-Demo wurden Passanten gefragt, was
sie davon halten. Die Antworten: “Ist doch ganz normal” oder “Das ist
richtig so”.
Das wirkte am Dienstagabend wie ein Signal: “Wir müssen mit einer
gesonderten Aktion vor allem jene Menschen erreichen, die der Nährboden für
die Ziele der rechten Aufmärsche sind. Es geht vor allem um die Leute, die
so etwas normal finden”, betonte Wolfgang Engel, Kommandant des
Truppenübungsplatzes, und gab damit dem jüngsten Treffen des
Aktionsbündnisses “Couragiert gegen Rechts” die Richtung.
Grundsätzlich ging es darum, festzulegen, wie auf den nächsten rechten
Aufmarsch in Wittstock am 14. August reagiert werden soll. Die Aktion müsse
auf jeden Fall erfolgreicher werden als die letzte. “Da standen wir mit drei
Leuten da und haben das Ganze dann lieber ausfallen lassen”, erinnert sich
Superintendent Heinz-Joachim Lohmann.
Diesmal soll es anders werden. Der Plan sieht so aus: Die gesamte
Marschstrecke soll mit Plakaten mit Motiven gegen Rechts versehen werden.
Hergestellt werden diese Plakate in den Jugendklubs. “Aber wir dürfen sie
erst am Morgen des Tages der Demo an den Laternen anbringen, sonst sind sie
verschwunden”, gab Engel zu Bedenken. Außerdem sollen — nach dem Vorbild
beim Karneval der Kulturen in Berlin — die Tanzgruppe “Russische Mädels” aus
dem Haus der Begegnung und Schüler aus der Dr.-Wilhelm-Polthier-Gesamtschule
mit Trommeln einen Gegenpol zur Demo bilden. Die Idee kam von Lehrerin
Barbara Kenzler. Darüber hinaus werden Menschen mit einer Kehrmaschine durch
die Straßen ziehen — eine Aktion mit Symbolkraft. Die Tänzerinnen und
Trommler sollen höchstwahrscheinlich auf dem Kirchplatz loslegen. Wie die
Sache ganz konkret ablaufen wird, konnte am Dienstag noch nicht abschließend
geklärt werden. Denn das Treffen war zunächst ein Ideenworkshop. Die
Feinabstimmung kommt noch. Bis Anfang August soll die Gegenaktion
detailliert geplant sein. Die Fäden laufen bei Kerstin Jahn im Kulturamt
zusammen. Dort sind auch weitere Ideen willkommen.
An Vorschlägen, was alles denkbar wäre, mangelte es am Dienstag nicht. Da
war auch davon die Rede, die Einwohner vor der Demo zu bitten, die Fenster
und Rolläden während des Marsches der Rechten zu schließen, denn wenn sich
in Wittstock wieder Fernsehkameras auf die Demonstranten richten, könne auf
diese Weise die Ablehnung der Einwohner gegenüber den Marschierern deutlich
gemacht werden. Allerdings kamen auch Bedenken: “Es ist doch auch sonst
ziemlich ruhig in der Stadt, da wird ein Unterschied kaum deutlich”, meinte
Gisela Guskowsy-Bork, Sprecherin des Aktionsbündnisses. Vorgeschlagen wurde
auch ein “Stadtfest gegen Rechts”, und vom Bundestagsabgeordneten Ernst Bahr
(SPD) kam die Idee, eine Motorradfahrt an diesem Tag zu organisieren. Der
Verein Opferperspektive schlug zudem vor, eine Ausstellung über “Opfer
rechter Gewalt” nach Wittstock zu holen — gedacht als langfristige Maßnahme.
Aber wie auch immer die Gegenaktionen im Einzelnen aussehen werden — dass
den rechten Umtrieben etwas entgegen gesetzt werden muss, darüber war man
sich in der Runde einig. Zwar seien die Aktivitäten der rechten Szene
derzeit zurück gegangen, jedoch bedeute das nicht, sich zurücklehnen zu
können. “Seit dem 1. April gab es in Brandenburg 30 Vorfälle mit rechtem
Hintergrund. Der Focus geht weg von organisierten Parteien und hin zu
marodierenden Banden, die sich an Tankstellen, Imbissbuden oder auf
Marktplätzen treffen “, berichtete Lohmann. Der Schwerpunkt werde offenbar
nach Belzig verlegt. Die relative Ruhe habe aber auch damit zu tun, dass
Spezialeinheiten der Polizei “den Daumen drauf” haben. Der amtierende
Wittstocker Wachenleiter Lothar Winter bestätigte, dass die Polizei dafür
sorge, es den Demonstranten “so ungemütlich wie möglich zu machen”.
“Die Gesellschaft muss zeigen, dass sie diese Aufmärsche nicht will. Und
jeder muss wissen, dass er mit Passivität nur die Gegenseite unterstützt”,
bekräftigte Ernst Bahr. Es werde Zeit, “Gesicht zu zeigen”, war man sich
einig.
Dass das Problem nicht nur fehlgeleitete Jugendliche betrifft, machte eine
Frau klar, die davon erzählte, dass das rechte Blatt “Der Lanzer” auch an
Wittstocker Kiosken verkauft wird. Und laut Aussage einer Verkäuferin seien
die Kunden vor allem “über 50-Jährige”, weniger Jugendliche. Die
Teilnehmerin am Treffen des Bündnisses forderte die Anwesenden auf, darauf
zu achten, wo überall Zeitungen mit rechten Gedankengut verkauft werden.
“Ich glaube, es sind eher die kleinen Kioske als die Supermärkte.” Offenbar
gibt es für das Aktionsbündnis noch viel zu tun.