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Alle sind verdächtig

Die Rote Hil­fe aus Frank­furt an der Oder erhebt schwere Vor­würfe gegen die Behör­den. »Hier geht es wohl darum, die Betrof­fe­nen einzuschüchtern und auf­grund der inzwis­chen ent­stande­nen Anwalt­skosten finanziell zu ruinieren.« Sie ver­mutet, dass die Antifas der Stadt mund­tot gemacht wer­den sollen.

In der vorigen Woche wurde bekan­nt, dass gegen Per­so­n­en aus dem linksalter­na­tiv­en Milieu in Frank­furt an der Oder ein Ver­fahren nach Para­graf 129 a des Strafge­set­zbuch­es ein­geleit­et wer­den kön­nte. Den Hin­ter­grund bilden mehrere Sachbeschädi­gun­gen, die von der Abteilung Staatss­chutz des Lan­deskrim­i­nalamts (LKA) Bran­den­burg unter­sucht wer­den. So wurde in der Nacht vom 5. auf den 6. Sep­tem­ber 2004 der Wahlkampf­bus des bran­den­bur­gis­chen Wirtschaftsmin­is­ters Ulrich Jung­hanns (CDU) angezün­det. Dabei han­dele es sich »um eine poli­tisch motivierte Straftat«, weswe­gen der Fall der Staat­san­waltschaft über­tra­gen wor­den sei, erläutert Toralf Rein­hard, der Sprech­er des LKA Brandenburg.

Die Strafver­fol­gungs­be­hörde sieht offen­bar einen Zusam­men­hang mit anderen Delik­ten. Im Jahr zuvor wur­den bei der örtlichen Aus­län­der­be­hörde die Scheiben eingeschla­gen und in ein­er Marineausstel­lung, die im Rathaus von Frank­furt an der Oder gezeigt wurde, Fäkalien aus­gekippt. Auch die Scheiben der Geschäftsstelle der CDU und eines Super­mark­ts wur­den eingeworfen.

Die jew­eili­gen Ermit­tlungsver­fahren wur­den mit­tler­weile zusam­menge­fasst. Die Strafver­fol­ger ver­muten offen­bar, dass die Täter ein­er Gruppe aus dem antifaschis­tis­chen Spek­trum von Frank­furt an der Oder ange­hören. Beweise für diese schw­er wiegen­den Anschuldigun­gen kön­nen sie jedoch nicht vor­weisen. Dabei habe das LKA Bran­den­burg keine Mühen und Kosten gescheut, willkür­lich und unter Rück­riff auf ver­schiedene Ermit­tlungsmeth­o­d­en gegen Per­so­n­en aus dem linken Spek­trum oder solche, die vom LKA dazugezählt wer­den, vorzuge­hen, moniert die Orts­gruppe der Rote Hil­fe. »Die Betrof­fe­nen sind immer die gle­ichen. Was diese Per­so­n­en verdächtig macht, bleibt bis heute ein Geheim­nis der Ermit­tlungs­be­hör­den«, kri­tisierte die linke Hil­f­sor­gan­i­sa­tion in ein­er Erk­lärung zu den seit einein­halb Jahren laufend­en Verfahren.

Zudem habe sich gezeigt, dass ein Großteil der Vor­würfe halt­los sei. Eine ganze Rei­he von Ver­fahren musste wegen der frag­würdi­gen Meth­o­d­en während des Som­mers eingestellt wer­den. Und zwar deshalb, weil die Ermit­tlungs­maß­nah­men selb­st von den zuständi­gen Lan­des- und Amts­gericht­en für rechtswidrig erk­lärt wur­den. Neben erken­nungs­di­en­stlichen Maß­nah­men und DNA-Ent­nah­men wur­den auch Haus­durch­suchun­gen vorgenom­men. Und dies, obwohl »Ver­gle­ichsspuren nicht vorhan­den waren«, betont die Rote Hil­fe. Man habe offen­bar gehofft, auf Zufalls­funde zu stoßen.

Zu den Ermit­tlungsmeth­o­d­en in Frank­furt an der Oder zählte auch, etliche Per­so­n­en zu Zeu­gen­vernehmungen vorzu­laden, ohne dass ersichtlich gewor­den wäre, was in den Gesprächen über­haupt bezeugt wer­den sollte. Die Behör­den seien offen­bar auf­grund von bloßen Speku­la­tio­nen und Verdäch­ti­gun­gen vorge­gan­gen, meint die Rote Hil­fe. Bis heute seien die betrof­fe­nen Per­so­n­en nicht offiziell über die gegen sie erhobe­nen Anschuldigun­gen informiert worden.

Die Erken­nt­nisse der Ermit­tler beruht­en vielmehr auf den Aus­sagen eines Infor­man­ten oder ein­er Infor­man­tin, die Zugang zur linken Szene habe, glaubt die Anwältin eines der beschuldigten Antifas. Dies habe sich aus der Aktenein­sicht ergeben. Eine Aus­sage des Spitzels habe für die strafrechtlichen Ver­fol­gun­gen gegen ihren Man­dan­ten aus­gere­icht und sei Grund für das Vorge­hen gegen drei weit­ere Beschuldigte gewe­sen, sagte die Anwältin der Jun­gle World. Der Spitzel habe über ihren Man­dan­ten gesagt: »Ich ver­mute, er kön­nte es gewe­sen sein.«

Die tat­säch­lichen Beweg­gründe für das Vorge­hen der Behör­den liegen nach Ansicht der Soli­gruppe Frank­furt, die sich als Reak­tion auf die laufend­en Ver­fahren gegrün­det hat, sowieso ganz woan­ders. »Offen­bar geht es den Behör­den um eine akribis­che Durch­leuch­tung und Dif­famierung der linken Szene Frank­furts«, meint Sebas­t­ian Fecht­ner, ein Sprech­er der Gruppe.

Die Bun­desstaat­san­waltschaft, die für ein Ver­fahren nach dem Para­grafen 129 a zuständig wäre, äußert sich indes sehr zurück­hal­tend über die Ermit­tlun­gen. »Es liegen keine Anhalt­spunk­te vor, die eine Über­nahme der Ermit­tlun­gen durch den Gen­er­al­bun­de­san­walt erforder­lich machen«, sagte die Ober­staat­san­wältin beim Bun­des­gericht­shof, Frauke-Katrin Scheuten, der Jun­gle World. Zudem sei zu keinem Zeit­punkt ein Ver­fahren ein­geleit­et worden.

Das sieht man beim Lan­deskrim­i­nalamt Bran­den­burg anders. Die Akten stün­den der Bun­de­san­waltschaft noch immer zur Ver­fü­gung, bestätigt der Sprech­er des LKA, Toralf Rein­hard. Es werde weit­er geprüft, ob ein »die Zuständigkeit des Gen­er­al­bun­de­san­walts tang­ieren­der Vor­fall« vorliege.

Ins­beson­dere im Osten der Bun­desre­pub­lik wird derzeit eifrig gegen Antifas und Linke ermit­telt. In Pots­dam sitzt zurzeit eine Antifa im Gefäng­nis, der vorge­wor­fen wird, Neon­azis ver­let­zt zu haben. Gegen andere Antifas aus der bran­den­bur­gis­chen Lan­deshaupt­stadt und aus Berlin laufen eben­falls strafrechtliche Unter­suchun­gen. In Sach­sen-Anhalt ermit­telte die Bun­de­san­waltschaft gegen drei Antifas eines ver­meintlichen »Autonomen Zusam­men­schlusses Magde­burg«, denen mehrere Brand­s­tiftun­gen ange­lastet wer­den. Zwis­chen­zeitlich wurde den drei Beschuldigten sog­ar vorge­wor­fen, eine Vere­ini­gung nach Para­graf 129 a des Strafge­set­zbuch­es gebildet zu haben.

Dieser Para­graf ermöglicht den Strafver­fol­gungs­be­hör­den, gegen Per­so­n­en zu ermit­teln, denen unter­stellt wird, eine ter­ror­is­tis­che Vere­ini­gung gegrün­det zu haben. Vor allem aber han­delt es sich dabei um einen »Ermit­tlungspara­grafen«, der den Ermit­tlern weitre­ichende Befug­nisse ein­räumt: von Tele­fonüberwachun­gen, Raster­fah­n­dung, Obser­va­tio­nen über Lauschangriffe und Durch­suchun­gen bis zum Ein­satz verdeck­ter Ermittler.

DNA-Unter­suchun­gen wer­den im übri­gen nicht nur von den Strafver­fol­gungs­be­hör­den in Frank­furt an der Oder in immer größerem Maße einge­set­zt. Kür­zlich wurde etwa bekan­nt, dass im nieder­säch­sis­chen Wend­land im Anschluss an eine Demon­stra­tion sämtliche von den Teil­nehmern ger­aucht­en Zigaret­ten von Polizis­ten einge­sam­melt wurden. 

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