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Alle werden Opfer

In Sprem­berg soll »aller Opfer von Krieg und Gewalt im 20. Jahrhun­dert« gedacht wer­den. Ob auch NSDAP-Mit­glieder dazu zählen, ist noch nicht entschieden.

Es geht in Sprem­berg, Süd­bran­den­burg, um moralis­che Werte wie Gerechtigkeit, um his­torische Kor­rek­theit, um die Her­stel­lung eines über­fäl­li­gen Gleichgewichts. 

Auf ein­er Anhöhe im Stadt­ge­bi­et, dem Geor­gen­berg, befind­en sich ein sow­jetis­ch­er und ein deutsch­er Sol­daten­fried­hof, der im Jahr 1900 errichtete Bis­mar­ck­turm sowie das aus DDR-Zeit­en stam­mende Mah­n­mal für NS-Wider­stand­skämpfer, die von den Nazis ermordet wur­den. Nun hat die Stadt beschlossen, den als »zu ein­seit­ig« emp­fun­de­nen Gedenko­rt umzugestal­ten. An dem bish­er NS-Opfern vor­be­hal­te­nen Denkmal soll nun­mehr »aller Opfer von Krieg und Gewalt im 20. Jahrhun­dert« gedacht werden. 

Dazu gehören, wie auf jew­eils sep­a­rat­en Bronzetafeln an der Stütz­mauer zu lesen sein wird, deutsche Flüchtlinge und Ver­triebene nach 1945, Krieg­sopfer unter der Sprem­berg­er Zivil­bevölkerung aus dem Ersten und Zweit­en Weltkrieg, die in bei­den Weltkriegen gefal­l­enen deutschen Sol­dat­en und die Opfer des Stal­in­is­mus. So wurde es in der ver­gan­genen Woche auf der Stadtverord­neten­ver­samm­lung mit 19 zu zwölf Stim­men entsch­ieden. Nicht vorge­se­hen ist indes ein Gedenken an die jüdis­chen Ein­wohn­er Sprem­bergs, die unter der Naz­i­herrschaft zu lei­den hat­ten. Anson­sten sind die Kri­te­rien dafür, wer als Opfer gel­ten darf, nicht sehr streng. 

Vorgeschla­gen sind als Opfer des Stal­in­is­mus, der­er namentlich gedacht wer­den soll, auch lokale NSDAP-Mit­glieder. Zunächst waren vier Nazis im Gespräch, nach lan­gen Diskus­sio­nen sind noch zwei übrig geblieben. Allein die Zuge­hörigkeit zur NSDAP sei kein Auss­chlussgrund, befand Egon Wochatz (CDU), ehe­ma­liger Bürg­er­meis­ter Sprem­bergs und Vor­sitzen­der des 70 Mit­glieder zäh­len­den Geor­gen­bergvere­ins, der sich seit 1999 für die Umgestal­tung des Denkmals einge­set­zt hat. »Sehr jung« sei etwa ein­er der vorgeschla­ge­nen Nation­al­sozial­is­ten bei seinem Parteiein­tritt gewe­sen. »Die Leute sind von uns gewis­senhaft geprüft wor­den.« Biografis­che Details über die Genan­nten sind nicht bekan­nt beziehungsweise wer­den bis­lang »aus Rück­sicht auf die Verbliebe­nen« vom Geor­gen­bergvere­in der Öffentlichkeit vorenthalten. 

Für seine Argu­men­ta­tion ern­tete Wochatz kaum Kri­tik. Das war bei Ent­gleisun­gen in der Ver­gan­gen­heit anders, etwa als er im ver­gan­genen Jahr einem Tre­f­fen von ehe­ma­li­gen Ange­höri­gen der Divi­sion »Frunds­berg« der Waf­fen-SS bei­wohnte. Oder als er im Jahr 1999, damals noch Bürg­er­meis­ter, die tödliche Het­z­jagd von Neon­azis auf einen Algerier in Guben mit dem Satz kom­men­tierte: »Was hat­te der auch nachts auf der Straße zu suchen?« 

Wem auf dem Geor­gen­berg namentlich gedacht wer­den soll, wurde auf der Stadtverord­neten­ver­samm­lung noch nicht entsch­ieden. Die SPD äußert der­weil zaghaft Ein­wände: In einem Atemzug mit Mit­gliedern der NSDAP wolle man den Sozialdemokrat­en Ernst Tschick­ert nicht genan­nt wis­sen, der in einem Nazi-Zuchthaus ein­saß und nach 1945 in einem Lager des NKWD spur­los ver­schwand. Im Großen und Ganzen unter­stützt aber die SPD – zusam­men mit der FDP, der CDU und einem Zusam­men­schluss freier Wäh­lerge­mein­schaften – das neue Gedenkkonzept. Dass Opfer und Täter der NS-Zeit durch die Umfunk­tion­ierung des Mah­n­mals gle­ichgestellt wer­den kön­nten, befürchtet lediglich die PDS

Der CDU-Frak­tionsvor­sitzende in der Sprem­berg­er Stadtverord­neten­ver­samm­lung, Hart­mut Höh­na, hält dem ent­ge­gen, dass ger­ade durch ein umfassendes Gedenken »ein­er Polar­isierung vorge­beugt« werde. Alexan­der Adam, Sprech­er der Stadt Sprem­berg, wies die Jun­gle World darauf hin, dass die Umgestal­tung schließlich nicht die erste sei: »Das Denkmal war ja ursprünglich für die im ersten Weltkrieg gefal­l­enen deutschen Sol­dat­en da. Erst in den fün­fziger Jahren wurde es zu einem Mah­n­mal für Opfer des Faschis­mus gemacht.«

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