Am Pfingstwochenende veranstalteten die Brandenburger und Berliner Falken, Solid Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und die Gewerkschaftsjugenden ein gemeinsames Camp am Störitzsee bei Erkner. Etwa 400 Kinder und Jugendliche nahmen an dem breiten politischen wie kulturellen Programm teil. Das Camp, das in dieser Form zum ersten Mal von den Verbänden gemeinsam organisiert wurde, sollte vor allem einen inhaltlichen Austausch und eine bessere Vernetzung unter ihnen zum Ziel haben. Und wie es häufig der Fall ist: aller Anfang ist schwer.
Das Programm: Vielseitig bis beliebig
Ein gemeinsames Motto und Schwerpunktthema gab es leider nicht. In den Workshops der Gewerkschaftsjugenden ging es eher um bodenständigere Fragen aus den Bereichen Berufs- und Arbeitsrecht, während sich die Falken und Solid mit dem ganzen *ismen-Potpourri an Themenfeldern der Linken – v.a. Kapitalismus, Rechtsextremismus, Sexismus — beschäftigten. So blieb man dann auch lieber unter sich: Es nahmen nur wenig Leute an jeweils organisationsfremden Workshops teil. War dies doch mal der Fall, wie zum Beispiel beim Workshop zu Schulkritik, kamen die so wichtigen Grundsatzdiskussionen auf den Tisch: Kapitalismus reformieren oder abschaffen? Gleiche Rechte für alle oder gar kein Staat? Dazu gab es dann sehr unterschiedliche Meinungen. Die einzige inhaltliche gemeinsame Veranstaltung fand dann auch erst am Sonntagabend statt: In kleinen gemischten Runden diskutierten Teilnehmer_innen aus den verschiedenen Organisationen ihre Beweggründe, Ziele und Perspektiven politischer Organisierung. Zum Teil kam es dabei zu durchaus fruchtbaren Diskussionen, die sich viele Diskussionteilnehmer_innen gern früher gewünscht hätten. Die Motivationen zur Selbstorganisierung reichten von der Verbesserung eigener Arbeitsbedingungen bis zur Überwindung von Kapital und Staat. Erstes Fazit: Die politische Auseinandersetzung zwischen den Verbänden war eher mau, die Differenzen (auch innerhalb der Verbände) groß.
Kulturelle Absurditäten
Eine ganz eigene Atmosphäre ergab sich durch die gleichzeitige Anwesenheit der Bildungsbürger-Alternativos und den GewerkschaftsproletInnen: Während die einen in Schlabberhosen, Ché-Shirt und Marx unterm Arm in Kreisrunde abends am Strand saßen, taten dies die anderen vornehmlich tagsüber bei Bier und lautem Gegröle in Hawaii-Hosen und – zumindest die Kerle unter ihnen — oberkörperfrei, die Tribal-Tattoos zur Schau stellend. Dazwischen sprangen dann die Kinder der Falken ins Wasser. Interkulturelle Versöhnung gab es dann in der Nacht zur „Querbeet“-Mischung des „DJ Duh“: Zu den Puhdys, Chicks on Speed und dem ein oder anderem alkoholischen Getränk fanden sich dann doch alle wieder auf ein und derselben Tanzfläche zusammen. Die Punkrockbands waren gewöhnungsbedürftig, nahmen aber auch die Leute quer durch alle Lager mit. Und über die Verpflegung konnten sich alle aufregen: Nicht nur die abgezählten 75 Tofu-Würste für die 75 angemeldeten Vegetarier_innen beim „All you can eat“-Grillen stießen auf Unbehagen, auch die klebrigen Nudeln mit Ketchupsoße und die saftigen Bierpreise der Workers Beer Company stärkten kräftig den Gemeinschaftssinn. Zweites Fazit: Mit gemeinsamen Feindbildern und Alkohol ließ es sich kulturell gut miteinander auskommen.
Szenetratsch at its best
Was wäre schon eine linke Großveranstaltung ohne einen Konflikt um die Israelfahne? Der Nahost-Konflikt sorgt mittlerweile auch in den zivilgesellschaftlichen Spektren immer mal wieder für kleinere Reibereien (siehe z.B.: Holger Burner auf Anti-G8-Camp der Falken 2007)
Als ein Campteilnehmer am Samstagabend mit eben solcher Fahne über das Gelände zog, wollten das Teile der ARAB (Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin) nicht so einfach hinnehmen. Einige von ihnen versuchten dem Träger die Fahne zu entreißen, schnell entwickelte sich ein Tumult und es ist dem Eingreifen einiger umstehender Leute zu verdanken, dass es zu keinen weiteren handgreiflichen Auseinandersetzungen kam. Konsequenz aus dem Ganzen: Das Orgateam beschloss am nächsten Tag den Platzverweis für alle anwesenden ARAB-Mitglieder, die sich auf dem Campgelände befanden. Sicher kann man diskutieren, ob ein Rauswurf der beteiligten ARAB-Leute nicht gereicht hätte. Vergessen sollte man dabei aber nicht, dass Teile der Gruppe innerlinke Auseinandersetzungen gerne auch mal mit Faust oder dem Einwerfen von Fensterscheiben austrägt: so zum Beispiel geschehen nach einer Party im Berliner „Subversiv“ im Herbst letzten Jahres.
Insgesamt ein kulturell sehr erlebnisreiches Camp, das ein Anfang für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den veranstaltenden Organisationen gewesen sein könnte. Vielleicht gibt’s im nächsten Jahr ja wieder ein solches Camp. Was aber klar sein dürfte: Wollen sie dem Ziel einer linken Jugendbewegung – so wie es die Falken formuliert haben — näher kommen, werden sie an grundsätzlichen inhaltlichen Auseinandersetzungen im politischen Alltag nicht vorbeikommen.