In der Nacht vom 14. zum 15. April 1945 wurden Teile der Potsdamer Innenstadt durch
alliierte Bomberverbände zerstört. Hauptziel der 4000 innerhalb von 20 Minuten
abgeworfenen Bomben war der Potsdamer Hauptbahnhof als Nachschubknotenpunkt für die
Kriegsmaschinerie für Berlin. Dadurch wurde es den sowjetischen Bodentruppen
ermöglicht, Berlin mit geringeren Verlusten und unnötigen Opfern zu befreien.
Darüber hinaus gab es zum Zeitpunkt der Bombardierung in Potsdam keinen einzigen
Betrieb, der nicht zur Rüstungsindustrie gehörte. Produziert wurden Waffen und
Waffenzubehör, Munition und Fallschirmseide, Feldlazarette, Flugzeuge,
Messinstrumente und vieles mehr. Zur Aufrechterhaltung der Produktion und des
öffentlichen Lebens sind Zwangsarbeiter/innen eingesetzt worden, die in über 50
kleineren Lagern in der Stadt untergebracht waren. Ob nun das schlechte Wetter, die
Zielgenauigkeit der Piloten oder auch einfach nur das ästhetische Empfinden dieser
schuld war; es wurden Teile der historischen Innenstadt Potsdams zerstört, u.a. das
Potsdamer Stadtschloss sowie Teile die Garnisonkirche.
Der Versuch der britischen Luftwaffe, durch die Bombardierung deutscher Städte die
Bevölkerung durch das Chaos zum Aufbegehren gegen das NS-Regime zu animieren — ganz
nach den positiven Erfahrungen des vorangegangenen „moral bombing“ in Italien -
scheiterte kläglich. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen leistete Hitler
Gefolgschaft bis zum Untergang, obwohl seit Stalingrad klar war, dass Deutschland
den Krieg verlieren würde. Frei nach dem Motto „nach uns die Sinnflut“ konnten bis
zuletzt Soldaten für die „Heimatfront“ rekrutiert werden.
Der britische Bombenangriff war wie alle anderen Schläge gegen die deutsche
Wehrmacht ein Glücksmoment für all diejenigen, die nicht in das Weltbild der
Deutschen Barbarei passten.
Der geplante Wiederaufbau der Garnisonkirche und die aktuelle Diskussion um das
Stadtschloss stellen hier nur die Spitze des Eisberges dar. So verbirgt sich hinter
den Spendern für den Wiederaufbau der Garnisonkirche Menschen wie Jörg Schönbohm und
Hohe Militärs, die das alte Preußen und dessen hoch gepriesene Tugenden wieder
aufleben lassen wollen. Nicht zu vergessen ist die “neueste” Errungenschaft: das
Potsdamer Toleranzedikt, erstmalig erschienen 1847, nun in der Neuauflagen von 2008.
Ein Hoch auf die preußischen Tugenden?! Mitnichten. Denn es war auch der
Militarismus Preußens, der den Nationalsozialismus an die Macht brachte.
Was bis 1990 als Tabu halluziniert wurde — nämlich dass man selber das eigentliche
Opfer des Krieges sei — ist seit der Wiedervereinigung enorm erstarkt. Die Opfer des
deutschen Wahns werden zwar zur Kenntnis genommen und die Rede von der Singularität
des Holocaust ist permanentes Lippenbekenntnis geworden. Doch die Frage, wer die
Mörder waren, ist verpönt. Den Deutschen wird die meisterhafte Aufarbeitung der
Vergangenheit bescheinigt und mittlerweile die Shoah als Teil deutscher Identität
verkauft und damit Deutschland als geläuterte Nation dargestellt. Nach diesem
formalen und folgenlosen Lippenbekenntnis fällt es Deutschen umso leichter, sich
selbst in die Reihe der Opfer einzugliedern. Denn wo nur noch Opfer sind,
verschwinden die Täter. Der Krieg wird zur Naturkatastrophe, das Leiden ist ein
gemeinsames an dem keiner Schuld hat.
Scheint die Potsdamer Trauergemeinschaft nun endlich eingesehen haben, wie falsch
ihre Ansichten sind? Nachdem in den letzten Jahren noch Gedenkkundgebungen und große
Trauerreden veranstaltet wurden, gibt es dieses Jahr “nur” ein klassisches Konzert
in der Nikolaikirche. Doch die Freude war verfrüht: Eintritt nur mit
Eintrittskarten, die KonzertbesucherInnen könnten ja sonst in ihrer unermesslichen
Trauer gestört werden.
Die Pressesprecherin Alissa vom Arbeitskreis Antifaschismus Potsdam sagt dazu: „Die
Bombardierung Potsdams war ein notwendiger Schritt in Richtung Befreiung der Welt
vom Nationalsozialismus. Den militärischen Sieg werden wir heute und in Zukunft
feiern und gegen eine Verdrehung von Geschichte in der Opfer-Täter-Relation
kämpfen!“