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Alptraum Abschiebeknast

<Trotz Inter­ven­tion des Antifolterkomi­tees: Weit­er skan­dalöse Zustände in Eisen­hüt­ten­städter Einrichtung

(Junge Welt, 22.1.) Ein­er Schwan­geren wird angemessene medi­zinis­che Betreu­ung ver­weigert. Sie ver­liert in der Folge ihr Baby. Eine offen­bar psy­chisch kranke Frau wird eben­falls nicht adäquat behan­delt. Statt dessen fes­selt man sie über Stun­den an ein Bett. Hinzu kom­men ständi­ge Schika­nen und Kon­trollen. Den Betrof­fe­nen fehlt die Möglichkeit, sich zur Wehr zu set­zen. Dieses drama­tis­che Bild zeich­nete der Bran­den­bur­gis­che Flüchtlingsrat am Mittwoch in Pots­dam von den Lebens­be­din­gun­gen der Flüchtlinge, die im Abschiebege­fäng­nis im bran­den­bur­gis­chen Eisen­hüt­ten­stadt interniert sind. Seit­dem im Jahr 2000 eine Del­e­ga­tion des Europäis­chen Komi­tees zur Ver­hü­tung von Folter (CPT) das Depor­ta­tion­slager besichtigte, habe sich im Grunde kaum etwas geän­dert, obwohl das CPT vieles kri­tisiert und konkrete Verbesserun­gen einge­fordert hatte. 

So wurde zwar eine bean­standete Fes­selung­sein­rich­tung aus Met­all­rin­gen ent­fer­nt. Doch auf­fäl­lige Internierte wer­den weit­er mit Gewalt ruhiggestellt. So sei die Keni­aner­in Alice Kamau im Herb­st 2003 sech­sein­halb Stun­den lang gefes­selt wor­den. Zuvor hat­te sie aus Verzwei­flung über ihre Sit­u­a­tion ver­sucht, sich umzubrin­gen, berichtete Olaf Löh­mer vom Flüchtlingsrat. Zum Fall der schwan­geren Viet­namesin, die ihr Kind ver­lor, nach­dem sie im Okto­ber 2003 festgenom­men und ins Eisen­hüt­ten­städter Abschiebege­fäng­nis ver­bracht wor­den war, erk­lärte Löh­mer: »Wir kön­nen zwar nicht mit let­zter Gewißheit fest­stellen, ob das Kind durch die Haft getötet wurde. Doch wir meinen, daß ein Abschiebege­fäng­nis kein geeigneter Ort für eine Schwan­gere ist«, so Löh­mer. Bei­de Frauen, die Viet­namesin und Alice Kamau, sind inzwis­chen deportiert worden. 

Rolf Stah­mann vom Deutschen Anwaltvere­in ver­wies am Mittwoch darauf, daß das CPT in seinem Bericht unter anderem kosten­lose Rechts­ber­atung für die Inhaftierten gefordert hat­te. Der Deutsche Anwaltvere­in habe danach im Jahr 2002 dem Pots­damer Innen­min­is­teri­um ange­boten, diese Beratung – teil­weise sog­ar ehre­namtlich – zu leis­ten und um eine entsprechende Genehmi­gung gebeten. »Das Innen­min­is­teri­um hat abgelehnt. Man meinte schlichtweg, es beste­he dafür kein Bedarf«, sagte Stah­mann. Das Min­is­teri­um habe zudem erk­lärt, die Häftlinge kön­nten sich bei rechtlichen Fra­gen an das Wach­schutzper­son­al vor Ort wenden. 

Abschiebe­haft in der Kritik

Flüchtlingsrat erhebt Vor­würfe wegen fehlen­der Rechtsberatung

(Tagesspiegel, 22.1.) Pots­dam. Schwere Vor­würfe gegen das Bran­den­burg­er Abschiebege­fäng­nis in Eisen­hüt­ten­stadt erhoben gestern der Flüchtlingsrat des Lan­des Bran­den­burg und der Deutsche Anwaltvere­in. Die medi­zinis­che Ver­sorgung der Insassen sei unzure­ichend und es fehle eine unab­hängige Rechtsberatung. 

Die Asylge­set­ze ver­langten, Abschiebe­häftlin­gen unab­hängi­gen rechtlichen Bei­s­tand in der Haf­tanstalt zu gewährleis­ten, sagte Rolf Stah­mann vom Anwaltvere­in. Denn viele Insassen kön­nten auf­grund von Sprach­prob­le­men nicht von sich aus Kon­takt zu Anwäl­ten aufnehmen. Der Vere­in habe daher im ver­gan­genen Jahr dem Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­um ange­boten, in Eisen­hüt­ten­stadt eine regelmäßige unent­geltliche Beratungsstunde zu organ­isiere. Dies habe das Min­is­teri­um mit dem Hin­weis abgelehnt, die Flüchtlinge hät­ten die Möglichkeit, sich von Anstaltsper­son­al und Mitar­beit­ern der Aus­län­der­be­hörde berat­en zu lassen. 

Flüchtlinge ohne Anwalt kön­nten jedoch auf Grund des Anwalt­szwangs vor dem Ober­lan­des­gericht in Haft­fra­gen keine Entschei­dun­gen durch­set­zen, sagte Stah­mann. In Berlin sei bere­its seit zehn Jahren ehre­namtliche unent­geltliche Rechts­ber­atung für Abschiebe­häftlinge möglich. 

Flüchtlingsrat fordert bessere Abschiebehaft

Vor­wurf: Rechts­ber­atung wird erschwert

(Berlin­er Zeitung, 23.1., Jens Blanken­nagel) POTSDAM. Nach Ansicht des Bran­den­burg­er Flüchtlingsrates herrschen im
zen­tralen Abschiebege­fäng­nis des Lan­des in Eisen­hüt­ten­stadt noch immer
unhalt­bare Zustände. Beson­ders bemän­gelt wer­den die teils mangelnde
medi­zinis­che Ver­sorgung der Inhaftierten und die Nichtzulassung
ehre­namtlich­er und unab­hängiger Rechts­ber­atung. Der Deutsche Anwaltsverein
(DAV) und die evan­ge­lis­che Lan­deskirche unter­stützen die Kri­tik. Das
Europäis­che Komi­tee zur Ver­hü­tung von Folter (CPT) habe die Zustände bereits
im Jahr 2000 kri­tisiert, sagte Simone Tet­zlaff vom Flüchtlingsrat. “Doch es
hat sich nicht sehr viel geändert.” 

So soll eine schwan­gere viet­name­sis­che Inhaftierte ihr Kind ver­loren haben,
weil sie nicht aus­re­ichend medi­zinisch ver­sorgt wor­den sein soll. Auch werde
die vom DAV ange­botene kosten­lose Rechts­ber­atung mit der Begründung
abgelehnt, die Inhaftierten kön­nten sich an das Wach­per­son­al oder die
Mitar­beit­er der Aus­län­der­be­hörde in der Haf­tanstalt wen­den. “Das ist absurd:
Es sind die Leute, gegen die sie meist kla­gen wollen”, sagte Anwalt Rolf
Stah­mann vom DAV. Außer­dem sei das Per­son­al nicht aus­re­ichend geschult und
vor allem nicht neu­tral. In Berlin ist eine solche Beratung seit zehn Jahren
möglich. 

Den Inhaftierten in Bran­den­burg werde nur eine Liste mit Tele­fon­num­mern von
Anwäl­ten gegeben, sagte Stah­mann. Aber nur die wenig­sten Anwälte seien auf
Aus­län­der­recht spezial­isiert. “Und wir dür­fen nicht helfen. Es herrscht die
Angst, dass wir zu viele aus der Haft holen, die dann nicht abgeschoben
wer­den können.” 

Zwei Anzeigen gegen Personal

Die pri­vat betriebene Abschiebeanstalt Eisen­hüt­ten­stadt mit 108 Haftplätzen
gibt es seit 1997. Dort wer­den Aus­län­der inhaftiert, die bei der illegalen
Ein­reise aufge­grif­f­en wur­den und abgeschoben wer­den sollen. Bei anderen
wurde der Asy­lantrag abgelehnt oder die Aufen­thaltspa­piere sind abgelaufen. 

Anwälte haben vor weni­gen Wochen zwei Strafanzeigen gegen das Personal
gestellt: Wegen des Ver­dachts der gefährlichen Kör­per­ver­let­zung bei der
Viet­namesin und weil eine Frau aus Kenia acht­mal teil­weise bis zu zehn
Stun­den in ein­er “Beruhi­gungszelle” ans Bett gefes­selt wurde. 

Der Sprech­er des Innen­min­is­teri­ums Heiko Hom­burg wies die Vor­würfe als
“sub­stan­z­los” zurück. In der Haft gebe es eine juristische
“Ver­fahrens­ber­atung” durch geschultes Per­son­al und Lis­ten von Fachanwälten.
“Es ist tragisch, dass die Viet­namesin ihr Kind ver­loren hat”, sagte er. Das
habe aber nicht an man­gel­nder ärztlich­er Ver­sorgung gele­gen. Der Fall der
Keni­aner­in sei ein Einzelfall gewe­sen, sie sei aggres­siv gewe­sen und damit
eine Gefahr für sich und andere. 

Siehe auch den TAZ-Artikel vom 21.1.: Abschiebe­häftlinge ohne Beratung.

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