Gessinger: Alte Heimat für neue Rechte?
Brandenburgs CDU hat im Kampf gegen den Rechtsextremismus auf der ganzen Linie versagt.
Zu den Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden der märkischen CDU, Thomas Lunacek, die
Bekämpfung des Rechtsextremismus in Brandenburg sei insgesamt gescheitert, erklärt
der Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, JOACHIM GESSINGER:
“Es stünde der CDU in Brandenburg gut an, bei der Suche nach den Gründen für das
Erstarken rechtsextremistischer und nationalistischer Gruppierungen sich erst einmal
mit der eigenen Politik der letzten Jahre zu befassen, bevor die Anstrengungen
anderer diskreditiert werden. Wer als Regierungspartei die Mittel für das Programm
Tolerantes Brandenburg kürzt, wer wie Schönbohm in einem Interview mit der
rechtsradikalen Jungen Freiheit (15.11.2002) zivilgesellschaftliches Engagement
gegen Rechts gar für das Ansteigen rechtsextremer Gewalt verantwortlich macht und
seinen Sprecher Homburg dem gleichen Blatt am 14. April 2000 zum neuen Design
gratulieren lässt — der sollte sich zuallererst fragen, ob sein bisheriger eigener
Umgang mit dem Rechtsextremismus nicht ein Versagen auf der ganzen Linie darstellt.
Und dass jüngst die Wahl der DVU-Politikerin Hesselbarth ausgerechnet in den
G10-Ausschuss, der den Verfassungsschutz kontrollieren soll, mit mehr Stimmen
erfolgte als die
DVU an Abgeordneten zählt, deutet auf mehr als nur Versagen hin — nicht nur bei der
CDU.
Lunaceks Vorschlag, Begriffe wie Heimat und Nation wieder stärker zu
thematisieren, folgt der seinerzeit von Biedenkopf formulierten Strategie, Begriffe
des politischen Gegners zu besetzen. Daran haben sich Merz, Koch und Schönbohm schon
bisher ausgiebig versucht und nur erreicht, dass schwarz und braun nicht mehr recht
unterscheidbar waren. Wer sich anschickt, mit Blick auf den Bundestagswahlkampf 2006
mangels eigener Sachthemen eine national gefärbte, christlich-konservativ
aufgeladene Debatte um Werte anzufachen, muss wissen, dass in seinem Windschatten
auch jenen rechtsextremen Ideologien den Weg bereitet wird, die man aus dem Feld
schlagen wollte. Wer der neuen Rechten die Deutungshoheit um die alte Heimat
strittig zu machen sucht, bereitet ihnen damit gleich eine neue.
In der Tat geht es im Kampf gegen den Rechtsextremismus auch um Werte — um
demokratische Grundwerte wie Toleranz, Gewaltfreiheit und Respekt vor ethnischen und
religiösen Minderheiten. In einer offenen und solidarischen Gesellschaft haben auch
Begriffe wie Heimat und Nation ihren Platz, nur sind sie anders gefüllt als es
sich die CDU vorstellen kann. Ich empfehle als Nachhilfe einen Blick in die
Brandenburger Verfassung.”