WITTSTOCK Mit einem Schweigemarsch soll am Freitag, 7.Juni, in Wittstock des getöteten Russlanddeutschen Kajrat B. gedacht werden. Dazu will der Verein “Tolerantes Wittstock — couragiert gegen Rechts” aufrufen.
Gestern trafen sich im Gemeindehaus der evangelischen Kirche in der Wittstocker St. Marienstraße Vertreter des Vereins mit Aussiedlern. Zu Beginn der Beratung erhoben sich die Teilnehmer während einer Gedenkminute für Kajrat von ihren Plätzen. Unter den Anwesenden war auch Manuela Friksche, die Aussiedlern Deutschunterricht erteilt. Zu ihrer Klasse gehörte auch der 24jährige Kajrat. Sie schilderte das Mordopfer gegenüber dem RA als stillen, freundlichen Menschen. Die Familie des Opfers wollte von Freyenstein nach Wittstock umziehen. “Kajrat hatte gerade die Wohnung renoviert, in die er mit seiner Mutter und der Schwester einziehen wollte. Ich weiß noch, wie er sich gefreut hat. Drei Tage nach der Schlüsselübergabe wurde er dann so brutal zusammengeschlagen. Es ist furchtbar”, sagte Manuela Friksche.
In der Beratung forderte die Lehrerin dazu auf, deutlich zu zeigen, dass die Tat nicht von den Bürgern hingenommen wird. Sie habe das Gefühl, dass die Wittstocker gegen rechte Gewalt zu tolerant seien. Der Superintendent des Kirchenkreises Ostprignitz-Ruppin, Heinz-Joachim Lohmann, verwies darauf, dass es am 8.Dezember vorigen Jahres einen Schweigemarsch und am 20.April diesen Jahres ein Rockkonzert gegen Rechts in der Dossestadt gab.
Eckhard Raatz vom weißen Ring, einer Hilfsorganisation für Opfer von Straftaten, berichtete von der Betreuung der Angehörigen Kajrats durch den Weißen Ring. Zugleich kritisierte er, dass der Kontakt zwischen den Aussiedlern und der Polizei gestört ist. Die Aussiedler fühlten sich mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen. Dem widersprach der Leiter der Wittstocker Polizeiwache, Peter Benedikt. “Wir gehen jedem Hinweis nach. Sollten sprachliche Probleme auftauchen, wird ein Dolmetcher besorgt”, sagte Benedikt. Im Fall der ermordeten Kajrat B. ermittle eine 25-köpfige Sonderkommission mit Hochdruck. Benedikt sagte, die Polizei habe derzeit keine Beweise dafür, dass das Tötungsverbrechen in Alt Daber auf das Konto von Rechtsextremisten geht. In einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft hatte es geheißen, dass es für die Tat ein fremdenfeindliches Motiv gibt.
In der Beratung kam zur Sprache, dass die Beisetzung Kajrats in Krautheim in Baden-Württemberg sein wird, wo die Familie nach ihrer Aussiedlung aus Kasachstan zunächst lebte. Der Verein Opferperspektive will auch den Angehörigen seiner Deutschklasse die Teilnahme an der Beerdigung ermöglichen und sammelt dafür Geld. Heinz-Joachim Lohmann schlug vor, mit Oberstleutnant Wolfgang Engel, Kommandant des Truppenübungsplatzes Kyritz-Ruppiner Heide, Verbindung aufzunehmen. Vielleicht könne die Bundeswehr einen Bus bereit stellen. Auf der Beratung wurde beschlossen, am Tag der Beisetzung von Kajrat in Alt Daber am Ort des Verbrechens eine geistliche Besinnung abzuhalten.
Auf dem Treffen wurde auch über das Verhältnis der Aussiedlerfamilien zur alteingesessenen Bevölkerung gesprochen. Die Aussiedlerin Larissa Lezin beklagte, dass es besonders in der Schule Probleme gebe. “Die Kinder sind nicht freundlich zueinander. Meine Tochter und mein Sohn weinen oft, wenn sie aus der Schule nach Hause kommen”, sagte sie. Ihr sechsjähriger Sohn Sergej habe wiederhlot in die Hose nässen müssen, weil ihn Klassenkameraden nicht auf die Toilette ließen.
Heinz-Joachim Lohmann regte an, zu einem Gespräch einzuladen, dass sich dem Zusammenleben von Alt- und Neu-Wittstockern widmen solle. Zustimmung fand der Vorschlag, dazu auch die Leiter und Lehrer der Wittstocker Schulen einzuladen.
Der Schweigemarsch für Kajrat am 7.Juni in Wittstock beginnt um 17 Uhr an der St- Marienkirche. Er führt zum Markt. Dort ist eine Kundgebung geplant.