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Am Bahnhof angegriffen

Nie wieder Frankfurt

Weil er Frank­furt am Main mit Frank­furt (Oder) ver­wech­selte, wurde ein Jor­danier Opfer eines frem­den­feindlichen Über­griffs. Fünf junge Leute jagten ihn übers Gleis, schlu­gen und trat­en ihn

(Plu­to­nia Plarre) Frank­furt am Main ist nicht Frank­furt an der Oder. Das hat Issan A. bit­ter gel­ernt. Der 26-jähri­gen Jor­danier hat es fast mit einem Schnei­dezahn bezahlt, dass er den Buch­staben in der Klam­mer hin­ter dem Ziel­bahn­hof auf der Anzeigetafel nicht zur Ken­nt­nis nahm. 

Der in Frankre­ich lebende Mann hat­te in Berlin den Jahreswech­sel gefeiert. Am ver­gan­genen Fre­itag wollte er wieder heim nach Lyon. Via Frank­furt am Main sollte die Reise gehen. Sollte. Denn Issan A. stieg am Bahn­hof Zoo in den falschen Zug. Er hat­te nur den Namen Frank­furt auf der Anzeigetafel gele­sen, das O in den Klam­mern statt des M war ihm ent­gan­gen. Eine knappe Stunde später — es war 6.30 Uhr in der Früh und draußen stock­dunkel — lief der Zug in den Ziel­bahn­hof ein. “Der Haupt­bahn­hof von Frank­furt ist aber klein”, dachte sich Issan A., als er aus dem Wag­gon klet­terte. Als er vor dem Bahn­hof­s­ge­bäude stand und kein einziges Hochhaus sah, däm­merte ihm, dass er sich geir­rt haben musste. Doch der näch­ste Zug nach Cot­tbus, mit dem er sich in Rich­tung Süden durch­schla­gen wollte, ging erst in Stun­den. Um die Wartezeit zu über­brück­en, nahm Issan A. auf ein­er Bankrei­he Platz. Rück­en an Rück­en mit ein­er Gruppe von acht jun­gen angetrunk­e­nen Leuten, die den auf­grund seines dun­klen Teints deut­lich als Aus­län­der zu erken­nen­den Jor­danier sogle­ich anzupö­beln began­nen. Issan A. ver­stand nur Bruch­stücke: “Frank­furt”, “Faschis­ten”.

Irgend­wann reichte es ihm. Er ging zu einem Kiosk in der Bahn­hof­shalle und bestellte sich einen Kaf­fee. Die jun­gen Leute, unter ihnen zwei Frauen, fol­gten ihm. Wieder fie­len Worte, die der Jor­danier nicht ver­stand. Dann holte ein­er der Män­ner aus und schlug Issan A. den Bech­er mit dem Kaf­fee aus der Hand. Nun trat der Jor­danier die Flucht an. Er ran­nte hoch auf den Bahn­steig. Die Gruppe set­zte ihm nach und jagte ihn über die Gleise, die von ein­er dün­nen Eiss­chicht über­zo­gen und spiegel­glatt waren. Im Nach­hinein mutet es wie ein Wun­der an, dass nichts noch Schlim­meres passiert ist. Aber das Ganze war für Issan A. schlimm genug. Er wurde von seinen Ver­fol­gern umringt, in Magen und Gesicht geschla­gen. Er erlitt Prel­lun­gen, ein Schnei­dezahn wurde gelockert. 

Ein Wach­mann set­zte dem Treiben ein Ende. Fünf Per­so­n­en wur­den festgenom­men, darunter die bei­den Frauen. “Sämtliche Beschuldigten bestre­it­en die Tat”, sagte der ermit­tel­nde Staat­san­walt, Ulrich Scherd­ing, der von einem frem­den­feindlichen Motiv aus­ge­ht, gestern zur taz. Gegen einen 19- und einen 22-Jähri­gen sei Haft­be­fehl erlassen wor­den. Der Jün­gere sei wegen Gewalt­de­lik­ten gerichts­bekan­nt. Die zwei Frauen, Mut­ter und Tochter, befän­den sich auf freiem Fuß, weil zu Hause noch kleinere Kinder zu ver­sor­gen seien. 

Der Jor­danier hat Frank­furt wenige Stun­den später ver­lassen. “Er hat­te kein Inter­esse an einem großen Ver­fahren. Er wollte nur weg”, sagte Scherd­ing. Issan A. habe aber eine sehr detail­lierte Aus­sage vor einem Richter gemacht, dass er zuver­sichtlich sei, was eine Verurteilung ange­he, sagte der Staat­san­walt. Das gelte auch für den Fall, dass Issan A. sich möglicher­weise weigere, nochmals nach Frank­furt (O) zu reisen. Schließlich, so Scherd­ing, gebe es als Zeu­gen ja noch den Wachmann.

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