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Am Fuße des Leuchtturmes ist es meist dunkel

(René Heilig) Keine Zeitung oder Nachricht­ensendung im Berlin-Bran­den­burg­er Raum kommt derzeit ohne Hin­weis auf den oster­son­ntäglichen Über­fall auf einen 37-jähri­gen Deutsch-Äthiopi­er und regionale Proteste aus. Über den alltäglichen Kampf gegen Recht­sex­trem­is­mus hört man wenig.
Der Über­fall hat viele erschrock­en gemacht. Auch Moni­ka Lazar. Ver­wun­dert ist sie nicht, wohl aber alarmiert genug, um zu fra­gen, was tut man gegen die Gewöh­nung an rechte Gewalt wider Kör­p­er und Geist, Moni­ka Lazar aus Leipzig ist seit ein paar Monat­en Abge­ord­nete im Bun­destag. Für Bünd­nis 90/Die Grünen.

Ende ver­gan­gener Woche fuhr sie nach Halbe. Zur Denkw­erk­statt. Der Ter­min war lange vere­in­bart, über­schnitt sich mit dem Erscheinen des Pots­damer SPD-Bil­dungsmin­is­ters: Zusam­men wollte man nicht gese­hen wer­den, damit da »kein Getratsche über ein rot-grünes Techtelmech­tel aufkommt«, lachte man sich eine Begrün­dung zurecht. Möglich, dass man sich so eine Chance zur Gemein­samkeit vergab.

Auf dem Wald­fried­hof in Halbe liegen – neben tausenden zivilen Opfern, Zwangsar­beit­ern, Deser­teuren und Opfern eines sow­jetis­chen Internierungslagers – zehn­tausende Wehrma­cht- und SS-Sol­dat­en. Sie wur­den in der let­zten Kesselschlacht des Zweit­en Weltkrieges ins Feuer getrieben. Seit Jahren bere­its wer­den sie als »Helden« miss­braucht. Entsprechen­den Nazi­aufmärschen stellen sich Antifaschis­ten ent­ge­gen. Bei­de Grup­pen kom­men zumeist angereist. Zwis­chen diesen Tre­f­fen erholte man sich in der Region von der als unan­genehm emp­fun­de­nen Sit­u­a­tion. Bis man merk­te: Recht­sex­trem­is­mus ist keine Sache tem­porär­er Aufmärsche.
Längst haben sich entsprechende Struk­turen gefes­tigt, Nazis treten nicht mehr als dumpfe, suff­begeis­terte »Glatzen« in Erschei­n­ung. Sie tra­gen Design­er-Klam­ot­ten, sind ide­ol­o­gisch geschult, sie organ­isieren – nicht nur in aber auch in Bran­den­burg – Jugendleben neu: an Schulen, im Dor­fk­lub wie auf Fußballfeldern … Müh­sam schmiedete man im Land­kreis Oder-Spree über Jahre hin­weg ein Aktions­bünd­nis gegen das »Helden«gedenken. Die demokratis­chen Parteien sind dabei, Organ­i­sa­tio­nen, Kirchen. Am schw­er­sten fiel es offen­bar der CDU, sich zur gemein­samen Aktion zu beken­nen. Schließlich geschah das weit­ge­hend wider die Erwartung des Bran­den­burg­er CDU-Chefs und Innen­min­is­ters Jörg Schön­bohm. Ein­er­lei, das Bünd­nis arbeit­et und unter­stützt nach Kräften besagte Denkw­erk­statt. Die hat – vor allem dank der Gemeinde – in der alten Schule Quarti­er genom­men. Das Berlin­er Architek­tur-Büro von Her­mann Thoma half bei der Gestal­tung, der Volks­bund Kriegs­gräber­für­sorge des Lan­des Bran­den­burg zahlte im ver­gan­genen Jahr die »halbe« Stelle des Leit­ers, verzichtete in diesem Jahr auf Ersatz für das klap­prige Volks­bund-Auto und machte eine ganze daraus.
Auch vom Innen­min­is­teri­um kam Geld. 25 000 Euro aus Lot­to-Ein­nah­men. Die freilich sind schnell aufge­bracht, hat man den Ergeiz, Besuch­ern nicht etwa eine fer­tige Ausstel­lung hinzustellen, die man nach ein­er Vier­tel­stunde wieder ver­lässt, um zu sagen: Ja ja, Krieg ist schrecklich…

Ende Mai, so hofft Theo Fontana, der die Denkw­erk­statt leit­et, »sollen wir möglicher­weise wieder 25 000 Euro abrufen dür­fen«. Sich­er ist das nicht. Es sei denn, Bil­dungsmin­is­ter Hol­ger Rup­precht, der nach seinem Besuch wohl recht ange­tan war von der Arbeit der Denkw­erk­statt, hat sich etwas ein­fall­en lassen, wie er seinem Kabi­nettskol­le­gen Schön­bohm klar macht, dass diese Ein­rich­tung plan­bare Zuschüsse verdient.

Aus dem Bun­de­shaushalt ist nichts zu erwarten. Natür­lich wird es neben Moni­ka Lazar auch andere Abge­ord­nete geben, die den Rosstäuscher­trick von Schwarz-Rot kri­tisieren. Bis­lang hielt man 19 Mil­lio­nen Euro für den Kampf gegen Recht­sex­trem­is­mus bere­it. Die Summe wird beibehal­ten, ver­sicherte die Bun­desregierung eilig. Nach­dem sich Empörung über den Pots­damer Über­fall zeigte. Doch »ver­gaß« man zu erwäh­nen, dass mit dieser Summe nun Aufk­lärung gegen alle extrem­istis­chen Spielarten betrieben wer­den muss. Doch da man in Bran­den­burg seit Jahrzehn­ten antifaschis­tis­che Pro­jek­te ohne Hoff­nung auf Bun­des- oder Lan­des­fördertöpfe betrieben hat, wird man auch kün­ftig Wege und Möglichkeit­en find­en, »das abso­lut Notwendi­ge zu tun«. Hofft Wol­fram Hülse­mann vom Bran­den­bur­gis­chen Insti­tut für Gemeinwesenberatung.

Entschei­dend ist, ob in der Hal­ber Denkw­erk­statt tat­säch­lich am Denken gefeilt wird, ob möglicher­weise sog­ar Nach­denken auf lange Sicht erzeugt wer­den kann. Werk­statt-Chef Fontana sagt vor­sichtig: »Ein Anfang ist gemacht.« Doch er wün­scht sich mehr Inter­esse vor allem bei der Lehrerschaft. Natür­lich weiß er um die Schwierigkeit­en, ganze Klassen zu Pro­jek­t­ta­gen nach Halbe zu schaf­fen. Allein die Fahrtkosten sind ein Prob­lem. Umso wichtiger erscheint es ihm, dass Päd­a­gogen wie Eltern für sich selb­st Lust am Denken entwick­eln, um alltäglichen Her­aus­forderun­gen gewach­sen zu sein. 

Und wie denkt man in der Region übers Nach­denken? Wol­fram Hülse­mann erzählt: Nur ein Dutzend Kilo­me­ter von Halbe ent­fer­nt, in Duben, hat man jüngst einen Gedenkstein restau­ri­ert und darauf in gold­e­nen Let­tern der zwis­chen 1939 und 1945 gefall­en »Helden« gedacht. Wider­stand gegen diese Pro­voka­tion regte sich kaum. Warum? Erd­munde Labes, seit 1982 Pfar­rerin in Halbe, nen­nt eine Erk­lärung, die eigentlich Her­aus­forderung ist: »Am Fuße des Leucht­turmes ist es meist dunkel.« 

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