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Am Tag der Demonstrationen war Halbe geteilt

Im Nor­den marschierten 100 Neon­azis, im Süden 800 Gegen­demon­stran­ten. PDS und SPD hat­ten mit mehr Teil­nehmern aus den eige­nen Rei­hen gerechnet

(Marc Neller, Tagesspiegel) Halbe — Der blausil­berne Polizei­hub­schrauber kreiste schon am Mor­gen über Halbe. Aus der Luft sieht man sie beson­ders gut, die Tren­nungslin­ie, die an diesem Tag mit­ten durch den 1000-Ein­wohn­er-Ort ver­läuft: Das Bah­n­gleis spal­tet Halbe, gut eine Autostunde von Berli­nent­fer­nt, in Nord und Süd. Man kön­nte auch sagen: In Rechts und Rest. Denn im Nor­den demon­stri­eren die Neon­azis, südlich der Gleise die, die den Neon­azis zeigen wollen, dass sie uner­wün­scht sind. 

Es ist ein Tag, an dem sich entschei­den soll, wie ernst es die Bürg­er meinen mit dem Kampf gegen den Recht­sex­trem­ins­mus. Also sind die Teil­nehmerzahlen wichtig. Bei­de Seit­en brauchen sie für die Deu­tung­shoheit. Die Polizei hat exakt 105 Rechte gezählt, als sich die Ver­samm­lung auf dem Bahn­hofsvor­platz nach zwei Stun­den auflöst. Da ist es kurz vor zwei am Mit­tag. „Wie sind viele, das ist ein Erfolg“, ver­bre­it­et der Red­ner der Recht­en über die Laut­sprech­er noch. Rund 200 Teil­nehmer waren angekündigt. 

Südlich der Bahn­schienen, auf dem Goethe­p­latz, im Herzen Halbes sind es 800. Eine Bühne ist dort aufge­baut, man sieht viele Fah­nen ver­schieden­er Organ­i­sa­tio­nen: PDS, Jusos, SPD, Grüne, DKP, KPD, Attac. Ein­er hält eine FDJ-Flagge hoch. 

Es sind dort acht­mal mehr Men­schen als auf der Gegen­seite – 800. Aber 3000 Teil­nehmer hat­ten die Ver­anstal­ter, vor allem die PDS, in den ver­gan­genen Tagen angekündigt. „Ich bin zufrieden mit der Stim­mung, aber nicht mit der Teil­nehmerzahl“, sagt Arnd Reif, der Geschäfts­führer des PDS-Kreisver­bands Dahme-Spree. Alle hät­ten „ihre Spitzen geschickt, nicht aber ihre Mit­glieder“, klagt Greif. Da habe sich wohl der eine auf den jew­eils anderen ver­lassen, und das schöne Wet­ter habe wohl ein übriges getan. 

Auch Bun­destagspräsi­dent Wolf­gang Thierse (SPD) ist nach Halbe gekom­men. Nun ste­ht er neben dem Podi­um auf dem Goethe­p­latz und sagt: „Es ist sehr unvor­sichtig, im Vor­feld Teil­nehmerzahlen zu veröf­fentlichen.“ Thierse weiß um deren sym­bol­is­che Bedeu­tung. Er deutet sie so: „Wichtig ist nicht, wie viele wir sind. Wichtig ist, dass wir mehr sind.“ Dem­nach 800 zu 100, ein deut­lich­er Sieg für die wehrhafte Demokratie. Min­is­ter­präsi­dent Matthias Platzek sieht das ähnlich. 

Die zahlen­mäßig stärk­sten an diesem Tag sind Polizis­ten und Män­ner vom Bun­des­gren­zschutz: 1000 an der Zahl, davon 200 ange­fordert aus Nor­drhein-West­falen und aus Berlin. Sie haben nicht allzu viel zu tun. Es gibt eine Anzeige gegen einen Recht­en wegen des Ver­stoßes gegen das Ver­samm­lungsrecht. Doch jen­seits der Zahlen geht es noch um etwas ganz anderes. Die Neon­azis woll­ten ein Exem­pel sta­tu­ieren: Im Mai hat­te der Bran­den­burg­er Land­tag ein Gesetz beschlossen, das die Kriegs­gräber­stät­ten im Land schützen soll. Der einzige Zweck dieses Geset­zes: Braune Pro­voka­tio­nen auf Deutsch­lands größtem Sol­daten­fried­hof zu ver­hin­dern. Also woll­ten sich die Nazis nun in der Nähe des Fried­hofs, wo das Gesetz nicht greift, zum Heldenge­denken ver­sam­meln. Ein Pro­belauf für den kom­menden Volk­strauertag. Der Anmelder der recht­en Demon­stra­tion ver­ab­schiedet sich mit den Worten: „Deshalb war die Ver­anstal­tung heute so wichtig.“ 

Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm lässt sich wie angekündigt auch kurz sehen. Auch er weiß, dass dieser Tag eine Probe für den Volk­strauertag war. Ob er nicht auch glaube, dass das Gesetz nicht aus­re­iche, wird er gefragt. Er antwortet: „Wir wer­den das jet­zt in aller Ruhe juris­tisch auswerten.“ Es klingt, als komme es im Herb­st darauf an, dass mehr als 800 Gegen­demon­stran­ten kom­men – damit die Teil­nehmerzahl als Zeichen ver­standen wird. 

Rund 800 Men­schen demon­stri­eren gegen Neon­azi-Auf­marsch in Halbe

Halbe (dpa, MOZ) Rund 800 Men­schen haben am Sam­stag in Halbe (Dahme-Spree­wald) gegen einen Auf­marsch von Neon­azis demon­stri­ert. Bun­destagspräsi­dent Wolf­gang Thierse und Bran­den­burgs Min­is­ter­präsi­dent Matthias Platzeck (SPD) riefen zur Vertei­di­gung der Demokratie gegen den Recht­sex­trem­is­mus auf. Es gehe darum, Intol­er­anz, Ras­sis­mus und Anti­semitismus abzuwehren. Zu der recht­sex­tremen Kundge­bung kamen laut Polizei 100 Teil­nehmer. Bei­de Ver­samm­lun­gen ver­liefen friedlich und ohne Zwischenfälle.
In Halbe liegt der bun­desweit größte deutsche Sol­daten­fried­hof, auf dem rund 23 000 Kriegstote begraben sind. In der Region tobte kurz vor Ende des Zweit­en Weltkriegs Ende April 1945 die let­zte große Kesselschlacht, in der schätzungsweise 60 000 Men­schen ums Leben kamen. In den ver­gan­genen Jahren ver­sam­melten sich regelmäßig zum Volk­strauertag Recht­sex­trem­is­ten zu einem so genan­nten Heldenge­denken vor dem Waldfriedhof. 

Auch jet­zt hat­ten die Anmelder um den Ham­burg­er Neon­azi Chris­t­ian Worch die Kundge­bung unter das Mot­to “Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsol­dat­en und den Opfern der kom­mu­nis­tis­chen Gewaltherrschaft” gestellt. Dage­gen formierte sich ein Aktions­bünd­nis, dem unter anderem SPD und PDS, die Evan­ge­lis­che Kirche sowie Gew­erkschaften ange­hörten. Die Lan­des-CDU lehnte eine Beteili­gung mit der Begrün­dung ab, in dem Bünd­nis seien auch ver­fas­sungs­feindliche Organ­i­sa­tio­nen wie die DKP engagiert.
Die rund 1300 Ein­wohn­er zäh­lende Gemeinde im wal­dre­ichen Amt Schenken­länd­chen glich am Sam­stag ein­er Fes­tung. Wohin das Auge blick­te, waren Polizei­wa­gen mit Beamten in Kampf­mon­tur postiert. Hoch darüber kreiste unabläs­sig ein Hub­schrauber. Rund 1000 Ein­satzkräfte sorgten für Ruhe und Ord­nung — mehr als Neon­azis und Gegen­demon­stran­ten zusam­mengenom­men. Dabei kamen drei Vier­tel der Polizis­ten aus Berlin und Nor­drhein-West­falen. Sie hat­ten am Ende eben­so wenig zu tun wie die auf und ab patrouil­lieren­den “Anti-Kon­flikt-Teams” in ihren leuch­t­end gel­ben Westen. 

Schon nach knapp zwei Stun­den zog das Häu­flein Rechter wieder vom Bahn­hofsvor­platz ab, auf den die Polizei die Ver­samm­lung beschränkt hat­te. Der­weil war der Wald­fried­hof, zu dem es die Neon­azis eigentlich zog, von grün-weißen Mannschaftswa­gen abgeriegelt. 

So vehe­ment CDU-Lan­deschef Jörg Schön­bohm ein­er Teil­nahme sein­er Partei an der Gegen­demon­stra­tion ver­weigert hat­te, so lock­er mis­chte er sich dann kurz unter deren Teil­nehmer. Während rund­herum die Fah­nen von Jusos, PDS, FDJ und Attac im Wind knat­terten, drück­te Schön­bohm sog­ar ein­er Vertreterin des Aktions­bünd­niss­es zwei Euro in die Hand — für zwei ange­botene Plaket­ten, die sie allerd­ings behal­ten durfte. 

Auch wenn noch in den let­zten Tagen Anglerver­band, Senioren­rat und andere zur Teil­nahme an der Ver­anstal­tung im Gemein­dezen­trum aufgerufen hat­ten, blieb die Teil­nahme weit unter dem selb­st geset­zten Ziel von 3000 Demon­stran­ten. Immer­hin ließen sich eine Rei­he Kabi­nettsmit­glieder blick­en wie Sozialmin­is­terin Dag­mar Ziegler, Bil­dungsmin­is­ter Hol­ger Rup­precht, Agrarmin­is­ter Diet­mar Woid­ke und Infra­struk­tur­min­is­ter Diet­mar Woid­ke (alle SPD).
Auch ihre CDU-Kol­le­gin, Kul­tur­min­is­terin Johan­na Wan­ka, machte ihre Ankündi­gung wahr und kam, wofür sie Bun­destagspräsi­dent Thierse aus­drück­lich lobte. Es müsse eine gemein­same Auf­gabe aller Demokrat­en sein, die öffentlichen Straßen und Plätze gegen Neon­azis zu vertei­di­gen, meinte Thierse. Die näch­ste Bewährung­sprobe ste­ht schon fest: Für den 12. Novem­ber haben die Recht­sex­trem­is­ten eine weit­ere Kundge­bung in Halbe angekündigt. Dann will sich auch CDU-Chef Schön­bohm an ein­er großen Gegen­demon­stra­tion beteili­gen — selb­st unter Ein­schluss der PDS.

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