(Axel Lier, Tagesspiegel) Frankfurt (O.) — Im Prozeß um brutale Folterungen eines jungen Mannes hat die 1. Große Strafkammer in Frankfurt (O.) gestern hohe Haftstrafen gegen drei der fünf Angeklagten verhängt. Der Hauptangeklagte Ronny B. (29) erhielt wegen gemeinschaftlich begangener Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren. David K. (21) muß zehn Jahre und Daniel K. (22) neun Jahre in Haft.
Die beiden Mittäterinnen Ramona P. (25) und Stephanie L. (20) wurden zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Die drei Hauptangeklagten zählen zur rechtsextremen Szene der Stadt und sind einschlägig vorbestraft.
Die jungen Männer und Frauen hatten ihr Opfer, den arbeitslosen Gunnar S. (23), am Morgen des 5. Juni 2004 nach einem Diskobesuch zufällig getroffen und ihn in eine Neubauwohnung in Frankfurt (O.) verschleppt. Sie wollten für eine angebliche Vergewaltigung einer 15jährigen Schülerin — die allerdings nie stattgefunden hat — Rache nehmen.
Im Wohnzimmer zwangen sie den ehemaligen Punk, sich komplett auszuziehen. Ronny B. begann sein Opfer mit mehreren Küchengeräten, unter anderem auch einem Messer, zu traktieren. Mit einem Bügeleisen wurden ihm außerdem zahlreiche Brandwunden am ganzen Körper zugefügt. Und er mußte Rasierschaum, Weichspüler, verdorbenen Saft sowie andere Dinge schlucken. Immer wieder hagelte es Tritte und Schläge von David K. und Daniel K. Die beiden Frauen feuerten die “ausgetickten Männer”, wie sie im Prozeß aussagten, dabei an. Das grausame Martyrium dauerte über zweieinhalb Stunden. Gunnar S. verlor mehrmals das Bewußtsein, doch die Angeklagten ließen nicht von ihm ab. David K. flüsterte ihm ins Ohr: “Du bist weniger arisch als mein Hund!” Erst als Ronny B. versuchte, gezielt mit einer Gabel und einem Messer Gunnar S. zu erstechen, haben ihn die anderen zurückgehalten. Er durfte gehen. Die Angreifer drohten ihm noch, bei einer Anzeige seinen dreijährigen Sohn zu töten. Der 23jährige schleppte sich auf die Straße, wurde anschließend mit Verbrennungen, Blutergüssen und einem Darmdurchbruch ins Krankenhaus eingeliefert. Eine Notoperation rettete sein Leben.
Doch die Qualen im Kopf bleiben: Gunnar S. unternahm nach der Tat einen Selbstmordversuch und bedarf bis heute psychologischer Betreuung. Er lebt jetzt außerhalb Frankfurts. Aus Angst vor der Drohung seiner fünf rechtsextremen Peiniger mied der Vater neun Monate lang jeglichen Kontakt zu seinem Kind.
“Weniger wert als ein Hund”
Frankfurt/Oder: Hohe Haftstrafen für Neonazis wegen Folterung
(AP/junge Welt) Wegen der stundenlangen Folterung und Vergewaltigung eines Mannes sind drei Brandenburger Neonazis zu Haftstrafen zwischen neuneinhalb Jahren und 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das Landgericht Frankfurt (Oder) sprach die Männer zwischen 20 und 29 Jahren wegen besonders schwerer Vergewaltigung, schwerer Körperverletzung, Hausfriedensbruchs und Beleidigung schuldig. Zwei 20 und 25 Jahre alte Frauen erhielten wegen Beihilfe Bewährungsstrafen von zwei Jahren.
Die Nazis hatten am frühen Morgen des 5. Juni 2004 einen 23jährigen in Frankfurt/Oder von der Straße entführt und während einer zweistündigen Gewaltorgie in einer Wohnung fast zu Tode gefoltert. Das Opfer überlebte durch eine Notoperation. Es wird sein Leben lang unter den Folgen zu leiden haben. Dem Mann mußte ein künstlicher Darmausgang gelegt werden, er leidet an einer halbseitigen Bauchlähmung und ist noch immer traumatisiert. Aus Angst lebt er von seinem dreijährigen Sohn getrennt. Die neofaschistischen Täter hatten gedroht, das Kind umzubringen, falls der Mann zur Polizei gehe.
Im Prozeß hatten die Neonazis eingeräumt, das Opfer geschlagen und getreten, mit Küchengeräten mehrfach vergewaltigt, mit einem heißen Bügeleisen und glühenden Zigaretten verbrannt sowie zum Schlucken von Erbrochenem, Spülmittel, Öl und Taubendreck gezwungen zu haben. Einer der Nazis soll den Mann als »nicht arisch« und »weniger wert als ein Hund« beschimpft haben. Die Frauen sahen den Folterungen zu und schritten nicht ein.
Die Staatsanwaltschaft hatte wegen gefährlicher Körperverletzung bis »in die Nähe des Todes«, Freiheitsberaubung und Hausfriedensbruch vierzehn Jahre und sechs Monate Haft für den Haupttäter sowie neuneinhalb und zehneinhalb Jahre Haft für die anderen beiden Männer beantragt. Für die Frauen hatte sie zwei Jahre auf Bewährung gefordert. Dagegen hatten die Verteidiger für Haftstrafen zwischen vier und sechs Jahren für die Männer und kurze Bewährungsstrafen für die Frauen plädiert.
Hohe Haftstrafen im Folter-Prozess
Dreizehneinhalb Jahre für Hauptschuldigen
(PNN) Frankfurt (Oder) — Im Prozess um die Folterung eines 23-Jährigen hat das Landgericht Frankfurt (Oder) am Freitag gegen drei Männer hohe Haftstrafen verhängt. Sie müssen für dreizehneinhalb, zehn und neuneinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Kammer sprach sie der gefährlichen Körperverletzung und besonders schweren Vergewaltigung für schuldig. Zwei mitangeklagte Frauen wurden wegen Beihilfe zu Bewährungsstrafen von jeweils zwei Jahren verurteilt. Für zwei der Männer ordnete das Gericht zugleich eine Alkohol- und Drogentherapie an.
„Bestialisch“ und „brutal“ sei die Tat gewesen, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Dielitz in der Urteilsbegründung. „Rohheit und Herzlosigkeit“ hätten die Täter geprägt. Ihr Opfer, das schwerste Verletzungen davon getragen habe, sei heute „ein Mann, der gebrochen ist“. Entsprechend blieb das Gericht kaum unter den Strafforderungen der Staatsanwaltschaft. „Man muss alle Wege gehen, um jungen Menschen zu zeigen, dass man eine so massive Gewalt nicht pflegen darf“, unterstrich Dielitz. Äußerlich meist regungslos nahmen die Angeklagten den Schuldspruch und die Schilderung dessen auf, was sie dem 23-Jährigen nach Überzeugung des Gerichts am Vormittag des 5. Juni 2004 angetan hatten. Der Mann erlitt einen lebensgefährlichen Darmdurchbruch, schwere Verbrennungen und bedarf bis heute psychologischer Hilfe. Bei der Urteilsverkündung war er nicht anwesend. Schon die gerichtliche Vernehmung des Mannes Anfang März war unter Ausschluss der Öffentlichkeit per Video in den Saal übertragen worden. An seinen Aussagen orientierte sich die Kammer weitgehend bei der Urteilsfindung. Die Tat sei Folge der Verabredung gewesen, das Opfer wegen der angeblichen Vergewaltigung einer 15-Jährigen zur Rede zu stellen, erläuterte der Vorsitzende Richter. Nach dem Besuch einer Discothek hätten die heute 21, 24 und 29 Jahre alten Männer ihr Opfer gequält und gedemütigt. Die 20 und 25 Jahre alten Frauen feuerten sie nach Überzeugung des Gerichts dabei an. Die Verteidiger kündigten gegen das Urteil Revision an. dpa,
Wenn dem Gericht die Worte fehlen
Im Prozess um eine beispiellose Gewaltorgie in Frankfurt (Oder) ersparen sich die Richter bei der Urteilsverkündung die Schilderung der grauenhaften Details — und verurteilen die Täter zu Haftstrafen von neuneinhalb bis dreizehneinhalb Jahren
(Astrid Geisler, taz) FRANKFURT (ODER) Der Vorsitzende Richter Andreas Dielitz bemühte sich zum Abschluss des Prozesses um einen sachlichen Ton. “Was Sie hier geboten haben”, sagte er und blickte zu den fünf jungen Angeklagten, “das sprengt alles, was wir in vielen Berufsjahren erlebt haben.” Die Details des “grauenhaften Ver
brechens” wolle er lieber gar nicht mehr schildern. “Das erspare ich mir.” Die bulligen, zum Teil kahl geschorenen Männer nahmen es mit gelangweilten Blicken hin.
Das Landgericht Frankfurt (Oder) verkündete gestern das Urteil über drei Männer im Alter von 21 bis 29 Jahren aus der örtlichen Neonazi-Szene. Sie hatten vor einem Jahr nach einer Partynacht einen 23-Jährigen mehr als zwei Stunden lang in einer Wohnung fast zu Tode vergewaltigt und gefoltert. Die zwei mitangeklagten 20- und 25-jährigen Freundinnen der Täter hatten den Gewalttaten vom Sofa aus zugeschaut. Sie waren nicht eingeschritten, sondern hatten gelacht und ihre Kumpels nach Überzeugung der Richter sogar angefeuert.
Das Gericht verurteilte gestern die zum Teil einschlägig vorbestraften Männer zu Strafen von neuneinhalb bis dreizehneinhalb Jahren Haft wegen besonders schwerer Vergewaltigung, schwerer Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Nötigung. Die Freundinnen der Täter wurden wegen Beihilfe zu jeweils zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Damit blieben die Strafen geringfügig unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft.
Warum aber wurde Gunnar S. zum Opfer dieses — wie das Gericht es formulierte — “bestialischen” Verbrechens? Fest steht: Die Täter kannten den jungen Deutschen nur flüchtig, trafen ihn zufällig auf der Straße. Während der Torturen musste das Opfer nackt vor den Peinigern herumkriechen. Dabei brüllte der 21-jährige Daniel K.: “Du bist nicht arisch! Du bist weniger wert als ein Hund!” War das Verbrechen deshalb eine rechtsextreme Tat? Die Staatsanwaltschaft hatte in der Anklage die “auf tiefster Stufe stehende dumpfe rechtsextremistische Einstellung” der Männer als Motiv gewertet. Davon war das Gericht jedoch am Ende des Verfahrens nicht überzeugt.
Zweifellos seien die Angeklagten allesamt zeitweise in der Neonazi-Szene aktiv gewesen, sagte der Richter. “Wir wissen aber nicht, ob Sie heute noch eine rechtsextreme Gesinnung haben.” Kennzeichnend für das Verhalten der Clique sei eher ihre generell gewaltorientierte Haltung. Das, so Dielitz, sei in Frankfurt offenbar keine Besonderheit mehr. Die Strafkammer habe in der jüngsten Zeit gehäuft über “massive Gewaltverbrechen” urteilen müssen.
Das Opfer zu quälen sei für die Täter “letztlich ein Spaß gewesen”. Warum die Freundinnen freiwillig zusahen, wie dem Opfer “das halbe Kücheninventar in den After eingeführt” wurde, warum sie ihn dabei noch als “Kinderficker” beschimpften — eine Erklärung dafür fand das Gericht nicht. “Ich weiß nicht, wie man in Ihrem Alter so eine Herzlosigkeit haben kann”, sagte Dielitz.
Nach dem Verbrechen schickten die Täter den Schwerverletzten nach Hause. Ein Freund fand ihn zufällig, er wurde durch eine Notoperation gerettet. Ärzte diagnostizierten einen Darmriss, Rippenbrüche und schwere Verbrennungen. Der 23-Jährige nahm nicht an der Urteilsverkündung teil, weil er den Tätern nicht noch einmal begegnen wollte. Er leidet bis heute an den Folgen der Tat, kämpft mit Albträumen, Angstzuständen und Depressionen. Sein Anwalt lobte nach der Urteilsverkündung, dass das Gericht immerhin “ein deutliches Signal gegen diese Art von Straftaten gesetzt” habe.