Luckenwalde. Obwohl die brutalen Überfällen auf Italiener in Trebbin (Teltow-Fläming) sechs Jahr her sind, ist es der Justiz noch gelungen, fünf Täter zu verurteilen. Das Amtsgericht Luckenwalde verhängte am Mittwoch allerdings milde Strafen. Der Angeklagte André P. (28) erhielt acht Monate auf Bewährung, seine früheren Kumpane René E. ((27) und Dirk P. (29) kamen mit je vier Monaten davon, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Mittäter Steffen T. (23) und Silvio K. (24) wurden vom Gericht verwarnt. T. muss außerdem 400 Euro an Amnesty International zahlen, Silvio K. 600 Euro an einen Suchthilfeverein. Die Clique hatte am Abend des 30. September 1996 mit anderen rechten Schlägern italienische Bauarbeiter attackiert. Die Opfer erlitten schwere Verletzungen. Einer der Haupttäter, Jan W., schlug seine Baseballkeule dem Sizilianer Orazio Giamblanco an den Kopf. Giamblanco ist seitdem schwer behindert. Das Landgericht Potsdam verurteilte W. 1997 zu 15 Jahren Haft. Im Gefängnis löste sich W. von der Szene und belastete insgesamt sieben frühere Freunde. Gegen zwei steht der Prozess noch bevor.
MIT FREIHEITSSTRAFEN AUF BEWÄHRUNG UND ZWEI VERWARNUNGEN KAMEN DIE SCHLÄGER SECHS JAHRE NACH DER TAT GLIMPFLICH DAVON
Gewaltausbruch gegen Italiener in Trebbin geahndet
LUCKENWALDE “Ich habe eine Familie gegründet und möchte meine Ruhe haben.” Das waren die letzten Worte des Angeklagten Andre P. (28) in der gestrigen Verhandlung des Jugendschöffengerichtes Luckenwalde um ausländerfeindliche Gewalttaten in Trebbin 1996. Doch mit der Ruhe ist es so eine Sache, wenn man, wie der heute in Baden-Württemberg lebende Fleischermeister, in früheren Jahren nicht nur mit nazistischem Gedankengut geliebäugelt und rechte Parolen gebrüllt, sondern aus Fremdenhass auch geprügelt hat.
So glaubwürdig die Abkehr des angehenden Familienvaters von seinen früheren Kumpanen auch sein mag — gestern holte ihn die Vergangenheit ein. Das Gericht sah seine Mitwirkung an dem kollektiven Gewaltausbruch als erwiesen an, der sich am 30. September 1996 über italienische Bauarbeiter entlud.
Wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung, zum Teil unter Verwendung gefährlicher Gegenstände, wurde P. zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten bei einer Bewährungszeit von zwei Jahren verurteilt. Jeweils vier Monate Freiheitsentzug, ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt, lauteten die Urteile gegen Rene E. (27) und Dirk P. (29). Der 1996 noch Jugendliche Steffen T. (23) und der damals Heranwachsende Silvio K. (24) kamen mit Verwarnungen und Geldbußen davon.
Mehr als drei Stunden brauchte das Gericht nach den Plädoyers des Staatsanwaltes und der fünf Verteidiger, um zu diesem Urteil zu kommen. Das war zu erwarten, wurde doch die Beweislage von den Prozessparteien vollkommen gegensätzlich beurteilt.
Am zweiten der drei Verhandlungstage hatte keiner der vor Gericht gehörten Zeugen aus der Sicht der Verteidigung Beweise geliefert. Auch der Staatsanwalt räumte im Strafantrag ein, dass die Aussagen dieser Zeugen für ihn nahezu wertlos seien.
“Der hier offenbarte Gedächtnisverlust zeigt einen beschämenden Mangel an Zivilcourage”, bewertete der Ankläger die fast durchweg verlorenen oder verweigerten Erinnerungen an das üble Geschehen jenes Septemberabends. Der einzige, der den Tathergang aus eigener Anschauung schilderte, war der vor fünf Jahren zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilte Jan Weicht, ehemals gewaltbereiter Neonazi. Um seine Rolle als Belastungszeuge entspann sich in der gestrigen Verhandlung ein handfester Streit.
Der Strafantrag beruhe auf den weitgehend ungeprüften Aussagen eines verurteilten Schwerverbrechers. Die Untersuchungsbehörden seien den Ausführungen eines notorischen Lügners aufgesessen. Die Staatsanwaltschaft habe sich einen Zeugen geschaffen, der aus Rachemotiven eine lange Geschichte erlogen habe. So begründeten die Verteidiger ihre Zweifel an der Beweiskraft der für das Verfahren entscheidenden Aussagen.
Der Staatsanwalt hatte Jan Weichts Abkehr von der Neonazi-Szene und ihrem Gedankengut als glaubwürdig eingeschätzt. Zwar habe Weicht vor Gericht nicht in allen Punkten die Wahrheit gesagt, aber das betreffe vor allem den eigenen Schuldbeitrag.
Das Gericht folgte der Anklage in dieser Auffassung. “Es gibt keine Beweisregel, nach der ein Zeuge, der einmal lügt, überhaupt nicht mehr glaubwürdig ist”, stellte der Richter klar. Rache als Motiv für Falschaussagen sei für das Gericht nicht erkennbar gewesen. Und die zum Teil sehr detaillierten Erinnerungen ließen sich damit erklären, dass es sich ja nicht um Alltagserlebnisse, sondern um prägende Ereignisse gehandelt habe, die Jan Weicht schließlich für 15 Jahre hinter Gitter brachten.
Unzufrieden waren alle Verfahrensparteien mit der langen Verzögerung des Verfahrens. Einer der Verteidiger sagte süffisant, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätten an Arbeitsverweigerung gegrenzt. Der Richter hielt jedoch dagegen, dass die Ursachen für die Verschleppung in den teilweise abgesprochenen Falschaussagen einiger an den Taten Beteiligter gelegen hatten.
Nicht alle der Verurteilten machten am letzten Verhandlungstag deutlich, dass sie sich nach mehrjähriger Überlegungspause von dem blutigen Geschehen des 30. September 1996 distanzieren. Andre P., der einzige, der ein Teilgeständnis abgelegt hatte, möchte am liebsten die Zeit zurückdrehen. Und Dirk P. ließ über seinen Anwalt Bedauern und Erschütterung mitteilen. Die anderen schwiegen.
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Die Anwälte, die in vier Fällen auf Freispruch und für Andre P. auf eine Verwarnung plädiert hatten, behalten sich Rechtsmittel vor.