Vom 03. September bis zum 04. Oktober wird ein Zusammenschluss von Jugendlichen in Eisenhüttenstadt diverse Aktionen gegen Rassismus durchführen. Dazu zählen unter anderem Info- und Filmabende, Diskussionen und auch eine Demonstration gegen den Abschiebeknast, sowie ein Sportfest und ein Konzert. Gründe dafür sind die tägliche Ausgrenzung und Diskriminierung von nicht-weißen Deutschen, als auch die Vorfälle im Abschiebeknast in Eisenhüttenstadt, in dem immer noch willkürlich gefoltert und abgeschoben wird. Wir wollen auf eine Gesellschaft aufmerksam machen, in der weiße Deutsche in allen Bereichen Privilegien genießen. Außerdem soll darüber informiert werden, wie sich Rassismus im Alltag kennzeichnet, wie der Staat systematisch “nicht Deutsche” ausgrenzt und brandmarkt und wie wir gemeinsam etwas dagegen tun können.
Antirassistisches Aktionsbündnis Eisenhüttenstadt, und wer steckt dahinter?
Wir sind ein Zusammenschluss von Jugendlichen aus Eisenhüttenstadt und Umgebung. Wir wollen der täglichen Ausgrenzung und Diskriminierung von nicht-weißen Deutschen etwas entgegensetzen und auf eine Gesellschaft aufmerksam machen, in der weiße Deutsche in allen Bereichen Privilegien genießen. Unterstützt werden wir von vielen verschiedenen Gruppen und Initiativen: der Antirassistischen Initiative, der Flüchtlingsinitiative Brandenburg, der linksjugend[´solid], den Jungdemokrat_innen/Junge Linke Brandenburg und der Gruppe Progress aus Frankfurt/Oder.
Rassismus im Alltag
Tagtäglich werden Menschen in Deutschland aufgrund ihrer (vermeintlich) nicht-deutschen Herkunft benachteiligt, diskriminiert, beleidigt, verfolgt, bedroht und immer wieder sogar ermordet. Rassismus steht in Deutschland immer noch an der Tagesordnung. Das sind die komischen Blicke auf der Straße, willkürliche Personalienkontrollen durch die Polizei, die unfreundliche Behandlung an der Kasse oder sogar das groß gestikulierte „Nichts anfassen!“ im Supermarkt, das Menschen mit einem (unterstellten) nicht-deutschen Hintergrund oft erleben müssen – auch in Eisenhüttenstadt!
Außerdem sorgt der strukturelle Rassismus in Deutschland dafür, dass nicht weiße Deutsche in einer benachteiligten Position sind. Besonders Flüchtlinge sind von der rassistischen Ausgrenzung durch die staatlichen Strukturen der deutschen Gesellschaft betroffen.
Rassistische Diskriminierung von Asylbewerber_innen — hier in Eisenhüttenstatt und überall in Deutschland
Prägend für Deutschlands Asylpolitik sind die Abschiebehaft, strenge Lagersysteme, Kontrolle, systematische Diskriminierung von Flüchtlingen und die Ausbeutung von Migrant_innen auf dem Arbeitsmarkt. Menschen, die nach Deutschland kommen, weil sie auf Schutz vor Verfolgung, oder einfach nur auf ein besseres Leben hoffen, sind unerwünscht.
Der ausgrenzende und diskriminierende Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland wird an vielen Punkten deutlich. Es beginnt beim Chipkartensystem, welches es in Berlin und Brandenburg immer noch in den meisten Orten gibt: Hilfeleistungen werden nicht in Bargeld ausgezahlt, sondern in Chipkarten oder Gutscheinen, mit denen man nur in wenigen, oft sogar teuren Läden bezahlen kann. Asylbewerber_innen wird vorgeschrieben, in welchen Geschäften sie Dinge zu welchem Preis kaufen müssen. Da auch kein Rückgeld erstattet wird, gibt es für Flüchtlinge absolut keine Möglichkeit auf legalem Weg Geld zu sparen, zum Beispiel für Anwaltskosten oder ähnliches. In Eisenhüttenstadt bekommen die Migrant_innen ihr Geld bar ausgezahlt. 10,81 ? pro Woche müssen als „Taschengeld“ reichen. Davon müssen Anwaltskosten, Arztkosten, Hygieneartikel, Kleidung oder mal was anderes zu essen, außer dem was sie im Heim bekommen, bezahlt werden.
Ein anderes Beispiel für die bewusste Ausgrenzung von Asylbewerber_innen aus der Gesellschaft ist, dass Flüchtlinge in Sammelunterkünften untergebracht werden. Diese Heime liegen fast in allen Gegenden Deutschlands am Stadtrand, in Industrieparks oder tief versteckt im Wald. Auch in Eisenhüttenstadt befindet sich die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber_innen (ZAST) weit entfernt vom Zentrum. Das erschwert einen einfachen Zugang zu Einkaufsläden, Behörden, Kinos, Kulturzentren, Eisdielen und was auch immer wichtig ist, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Die Unterbringung in abgelegenen Heimen hat zur Folge, dass sich die Migrant_innen und die Stadtbevölkerung nur selten kennen lernen. Mal abgesehen davon, dass die meisten weißen Deutschen auch gar kein Interesse daran haben…
Außerdem können sich Flüchtlingen nicht frei bewegen. Die „Residenzpflicht“, welcher sie sich fügen sollen, besagt, dass sich Asylbewerber_innen den ihnen zugewiesenen Landkreis nicht verlassen dürfen. Halten sich Migrant_innen nicht an diese Regelung, hat das juristische Konsequenzen.
Jeden Tag werden Menschen in Deutschland abgeschoben
Die Abschiebehaft wird von vielen Menschen als die unmenschlichste Maßnahme in der deutschen Asylpolitik wahrgenommen. Menschen, die in Deutschland Zuflucht und Schutz gesucht haben oder in der Hoffnung auf ein besseres Leben hierher kamen, können bis zu 18 Monaten eingesperrt werden – und das, ohne dass sie ein Verbrechen begangen haben! Die Abschiebehaft ist einzig und allein ein Mittel dazu, Migrant_innen zu zermürben, zu demütigen und entmündigen.
Die meisten Menschen in der Abschiebehaft stehen zu Beginn unter Schock, denn kaum jemand der Inhaftierten war zuvor schon einmal im Gefängnis. Die Mischung aus Angst vor der Abschiebung in die Herkunftsländer und das hilflose Warten ohne zu wissen, was kommt, hat fast immer schwerwiegende Folgen: Kopfschmerzen, Alpträume, Schlaflosigkeit, Angstzustände und Verzweiflung. Suizidgedanken, Selbstmordversuche, Selbstverletzungen und Hungerstreiks sind keine Seltenheit in den Abschiebehaftanstalten. Auch im Abschiebegefängnis in Eisenhüttenstadt gibt es solche Zustände.
Bei einem Alltag aus Angst, Ungewissheit, Unverständnis, Bewegungsmangel, Langeweile und Trübsal, fordert es eine Menge Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen, nicht auszurasten oder zusammenzubrechen. Gelingt es einer inhaftierten Person einmal nicht, ruhig und fügsam zu sein, oder entscheidet sie sich auch bewusst dagegen, wird sie im eisenhüttenstädter Abschiebegefängnis in einer „Beruhigungszelle“ auf einer Liege gefesselt. Eine gesetzliche Vorgabe wie lange dies geschehen darf, gibt es nicht. Bei der „Fünf-Punkt-Fixierung“ wird mit einem Bauchgurt und Fesseln an Armen und Beinen „fixiert“. Die bisher längste bekannte „Fixierung“ im eisenhüttenstädter Gefängnis dauerte 29 Stunden an.
In einer Welt in der Menschen aufgrund ihrer (vermeintlich) nicht-deutschen Herkunft benachteiligt, ausgegrenzt und verfolgt werden, wollen wir nicht leben. Missstände müssen nicht nur benannt, sondern auch mit allen Mitteln bekämpft werden. Um unseren Teil dazu beizutragen, planen wir Info- und Filmabende, sowie eine Demo, ein Sportfest, und ein Hoffest mit anschließender Party.
Wir fordern die Abschaffung von allen rassistischen Sondergesetzen!
Gegen Grenzabschottung, Abschiebungen und Internierung von Flüchtlingen!
Unbegrenzte Bewegungsfreiheit und gleiche Entfaltungsmöglichkeiten für alle!
Mehr Infos die Termine aller Veranstaltungen der Aktionswochen gibt es
hier.