Gericht zu Potsdamer Grundstücksstreit mit Jewish Claims Conference
(MAZ, Volkmar Krause) HERMANNSWERDER / LEIPZIG Streitobjekt sind die Wassergrundstücke
Tornowstraße 18 bis 20 in Hermannswerder. Doch die Auswirkungen eines
gestern hierzu ergangenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig
reichen weit über Potsdam hinaus. Das Gericht verschärfte damit die
Mindestanforderungen an einen berechtigten Rückübertragungsanspruch der
Conference on Jewish Material Claims against Germany (JCC).
Nach dem Vermögensgesetz ist die JCC bei Vermögensverlusten, die infolge der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eintraten, anspruchsberechtigt,
soweit jüdische Berechtigte oder deren Erben keine Ansprüche geltend machen.
Diese Ansprüche waren bis zum 31. Dezember 1992 anzumelden. Kurz vor Ablauf
der Frist hatte die JCC so genannte Globalanmeldungen eingereicht, in denen
sie, statt die verlorenen Vermögen konkret zu bezeichnen, nur auf Behörden,
Akten- und Archivbestände Bezug nahm. Die Leipziger Richter präzisierten
nun: Ein JCC-Anspruch ist nur dann berechtigt, wenn er bereits Ende 1992 auf
Akten verwiesen hat, aus denen exakt hervorgeht, um welchen individuellen
Vermögenswert und welchen jüdischen Eigentümer es sich handelt. Außerdem
muss darin nachvollziehbar sein, dass der Verlust eine Folge der
Nazi-Herrschaft ist. Das Urteil schließt Präzisierungen der Ansprüche nach
dem Stichtag aus.
Bei den Grundstücken in der Tornowstraße hatte das Verwaltungsgericht
Potsdam die Globalanmeldungen als wirksam angesehen und die Ansprüche der
JCC bejaht. Dagegen klagte nun Gisela Krause aus Wiesbaden vor dem
Bundesverwaltungsgericht. Sie ist die Tochter des Fabrikanten Heinrich
Meyer-Lomax, der die Grundstücke 1935 von dem jüdischen Kaufmann Ludwig
Silberberg erwarb. Silberberg floh ein Jahr später aus Deutschland, seine
Erben stellten keinen Restitutionsantrag.
Dass es sich 1935 um einen Zwangsverkauf handelte, hatte das Vermögensamt
anerkannt. Doch Gisela Krause machte mit der Revision geltend, dass die JCC
ihre Ansprüche nicht fristgemäß angemeldet habe. Die geforderten Grundstücke
seien erst Mitte der 90er Jahre konkret bezeichnet worden. Laut Krauses
Anwältin Sigrid Biniok-Pfeifer stehen sie auf der Heiratsurkunde der
Silberbergs.
Wer das Grundstück bekommt, hat das Bundesverwaltungsgericht nicht
entschieden. Es überwies die Sache zurück an das Potsdamer
Verwaltungsgericht, das nun prüfen muss, ob der JCC-Antrag die neuen
Anforderungen erfüllt.
Für das Verfahren nicht von Belang ist laut Gerichtssprecher Wolfgang
Seidel, dass auch Meyer-Lomax Nazi-Opfer war. 1936 verhaftete ihn die
Gestapo. Nach Angaben Biniok-Pfeifers ist der Vater sowohl von DDR-Behörden
als auch vom Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen als Verfolgter
des Naziregimes anerkannt worden. Er wurde 1945 nach achteinhalb Jahren Haft
aus dem KZ Sachsenhausen befreit.
Ansprüche früherer jüdischer Besitzer eingeschränkt
Bundesverwaltungsgericht urteilt über Rückübertragungen in Potsdam /
Sommerfeld-Siedlung offen
(Berliner Zeitung) POTSDAM/KLEINMACHNOW. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die
Anforderungen für die Rückübertragung ehemals jüdischen Besitzes in
Ostdeutschland verschärft. Das Gericht entschied am Mittwoch, dass pauschale
Ansprüche der Jewish Claims Conference (JCC) nur unter bestimmten
Voraussetzungen gültig sind: Demnach muss bei diesen so genannten
Globalansprüchen klar sein, wer genau während der NS-Zeit geschädigt worden
ist und welche Behörde für die Bearbeitung eines Rückübertragungsanspruchs
zuständig ist. “Das betrifft mindestens ein paar tausend Fälle in
Ostdeutschland”, sagte die Sprecherin des Bundesamtes zur Regelung offener
Vermögensfragen, Ellen Händler, am Mittwoch der Berliner Zeitung. Eine
Sprecherin des Bundesverwaltungsgerichtes sprach von “einer wegweisenden
Entscheidung mit Präzedenzcharakter”.
Im konkreten Fall (Az: BverG 8 C 15.03) ging es um mehrere Immobilien in
Potsdam, die bis 1935 einem jüdischen Kaufmann gehört hatten. Nach dem
Verkauf der Immobilien war der Mann aus Deutschland geflohen. Neuer Besitzer
der Immobilien wurde ein Mann, der später ebenfalls Opfer der Nazis wurde
und mehrere Jahre im KZ Sachsenhausen verbrachte. Das Verwaltungsgericht
Potsdam hatte die Grundstücke der JCC zugesprochen. Die Organisation setzt
sich seit 1951 für die Entschädigung der Holocaust-Überlebenden ein. Dagegen
hatte die Erbin jenes Eigentümers geklagt, der selbst zum Nazi-Opfer
geworden war. Das Potsdamer Verwaltungsgericht muss nun erneut verhandeln,
weil einer der drei gestellten Anträge möglicherweise doch detaillierter war
als die üblichen Pauschalansprüche der Jewish Claims Conference.
Entschädigungsansprüche verhandelte das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch
auch in einer weiteren Sitzung. Dabei geht es um mögliche Rückübertragungen
im Bereich der Sommerfeld-Siedlung in Kleinmachnow. Die insgesamt mehr als 1
000 Grundstücke gehörten dem jüdischen Bauunternehmer Adolf Sommerfeld, der
1933 aus Deutschland fliehen musste. Auch hier hatte die JCC einen
Pauschalanspruch geltend gemacht. Strittig ist aber, ob zum gesetzlichen
Frist-Ende Ende 1992 alle nötigen Unterlagen beigebracht wurden. Das
Potsdamer Verwaltungsgericht hatte einer Rückübertragung zugestimmt, dagegen
legten die heutigen Besitzer Revision ein. Pikant: Die JCC und die
Sommerfeld-Erben in den USA traten Mitte der 90er-Jahre ihren
Entschädigungsanspruch an den Berliner Bauunternehmer Christian Meyer ab.
Meyer, der selbst gar kein NS-Opfer war, kann rechtlich trotzdem
Entschädigungsforderungen geltend machen. Peter T., Sohn der heutigen
Eigentümerin der Immobilie am Brodberg in Kleinmachnow, rechnete bereits
damit, dass Meyer die Grundstücke zugesprochen bekommt. Deshalb hat seine
Familie für die Immobilie schon eine erhebliche Summe Geld überwiesen. Das
Bundesverwaltungsgericht kam am Mittwoch hier noch zu keinem Urteil, das
soll zwei Tage vor Weihnachten verkündet werden. Gewinnt Meyer, hat er
Anspruch auf mindestens 100 bebaute und unbebaute Grundstücke in der
Sommerfeld-Siedlung. Anwohner sind verunsichert.
Die Leipziger Richter prüfen noch, ob Pauschalansprüche, die Meyer
übernommen hat, korrekt gestellt worden sind. Die Richter deuteten auch an,
dass möglicherweise kein Entschädigungsganspruch bestehen könnte, weil die
Grundstücke seinerseits von einer Siedlungsgesellschaft an die
Eigenheimbauer verkauft worden sind.
Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Rückgabe
(Berliner Zeitung, 24.11.) KLEINMACHNOW. Das Bundesverwaltungsericht in Leipzig entscheidet am Mittwoch
anhand eines Präzedenzfalles über mögliche Rückübertragungen im Bereich
Sommerfeld-Siedlung in Kleinmachnow. Die etwa 1 000 Grundstücke gehörten zum
Konzern des jüdischen Unternehmers Adolf Sommerfeld,der 1933 aus Deutschland
fliehen musste.Im konkreten Fall geht es um die Grundstück mit
Einfamilienhausbebauung am Brodberg. Hier hatte das Verwaltunsgericht
Potsdam einer Rückübertragung zugestimmt. Dagegen gingen die heutigen
Besitzer in Revision. Ihr Argument: Die Jewish Claims Conference habe
seinerzeit nicht alle benötigten Unterlagen fristgerecht zum Jahresende 1992
beigebracht. Von einer Entscheidung des Bundesverwaltunsgerichtes
unmittelbar betroffen wären etwa 100 Grundstücke in Kleinmach- now. Doch
auch andere Siedlungsgesellschaften könnten dann Ansprüche geltend machen.