Kategorien
Uncategorized

Antifa lässt sich von Nazis nicht einschüchtern

(ND)COTTBUS 35 Grad zeigte das Ther­mome­ter und Schat­ten gab es nir­gends. Trotz­dem kamen
über 300 Men­schen am Sam­sta­gnach­mit­tag in
der Cot­tbuser Innen­stadt zusam­men, um unter der Losung ” Für ein schönres
Leben — Neon­azistruk­turen aushe­beln” in den
Stadt­teil Neuschmell­witz zu ziehen.
Er zählt seit Jahren zu den Bren­npunk­ten rechter Gewalt in Cot­tbus. Doch in
den let­zten Wochen haben sich die Übergriffe
gehäuft. Das war auch der Grund für das “Antifaschis­tis­che Aktionsbündnis
Süd­bran­den­burg” rel­a­tiv kurzfristig zu der
Demon­stra­tion aufzu­rufen. Die Organ­isatoren waren mit der Resonanz
zufrieden. Schließlich hat­ten sich neben vie­len jungen
Antifaschis­ten auch zahlre­iche ältere Bewohn­er der Demonstration
angeschlossen. Zeichen der Unter­stützung des antifaschistischen
Anliegens der Demon­stra­tion gab es auch auf andere Weise. So zeigten
Bewohn­er auf der Demor­oute duruch ein Trans­par­ent mit
antifaschis­tis­chen Parolen ihre Unter­stützung, andere Anwohn­er verteilten
spon­tan Wasser­flaschen an die von der Hitze
erschöpften Demon­stran­ten. Die Polizei hielt sich sehr zurück, obwohl es
strenge Aufla­gen gab. So war das Rufen agrressiver
Parolen untersagt.
Auf der Demor­oute wur­den Anwohn­er und Pas­san­ten immer wieder aufgefordert,
nicht weg zuse­hen, wenn Flüchtinge und alternative
Jugendliche von den Recht­en bedro­ht werden.
Die Serie rechter Über­fälle der let­zten Zeit ist lang. So wurde in der Nacht
zum 8.Mai ein 57jähriger Mann indis­ch­er Herkun­ft in einem Bus von zwei
Recht­en mit ras­sis­tis­chen Parolen angepö­belt. Nach­dem er in Neuschmellwitz
aus­gestiegen war, wurde er von den Recht­en ver­fol­gt und zusam­men geschlagen. 

Nur wenige Tage zuvor wur­den zwei Stu­den­ten aus Kamerum in ein­er Cottbuser
Dis­co von Recht­en bedro­ht und durch Schläge
ver­let­zt. Ein weit­er­er spek­takulär­er Naz­iüber­fall ereignte sich am 14.Mai
2005 im Cot­tbuser Stadt­teil Sach­sendorf, der eben­falls zu
den recht­en Bren­npunk­ten der Stadt zählt. Dort wehren sich die ehrenamtlich
arbei­t­en­den Mitar­beit­er des Jugend­clubs Frageze­ichen schon lange
gegen die rechte Dom­i­nanz in der Jugend­kul­tur. Sie ver­suchen sog­ar bewußt
andere Akzente zu set­zen. So hat­ten sie am
14.Mai eine Ver­anstal­tung mit dem Antifaschis­tis­chen Pressearchiv aus Berlin
organisiert.
Schon bei Beginn der Ver­anstal­tung wur­den zwei bekan­nte Neon­azis unter den
Besuch­ern ent­tarnt und des Haus­es verwiesen.
Kurze Zeit später über­fiel eine Gruppe von mehr als 20 ver­mummte Nenazis den
Jugend­club, zer­störten Teile der Einrichtung
und ver­let­zten mehrere Besucher.
Der Über­fall war ein­er der Höhep­unk­te rechter Gewalt in Cot­tbus und hat die
antifaschis­tis­che Szene auch aus der Umgebung
mobil­isiert. So nah­men an der Demon­stra­tion auch Antifaschis­ten aus Guben,
Forst und Berlin teil. “Naz­izen­tren zu Dönerbuden”
hieß eine der Parolen auf den Trans­par­enten. Damit sol­i­darisierte man sich
mit den häu­fig von Nichtdeutschen
betriebe­nen Imbis­sen in Bran­den­burg, die in den let­zten Monat­en verstärkt
Ziel von recht­en Attack­en wur­den. Das begin­nt bei
Beschimp­fun­gen des Per­son­als und der Gäste und reicht über tätliche Angriffe
bis zu Bran­dan­schläge auf Döner­bu­den in mehreren
Städten in Brandenburg. 

Die Organ­isatoren der Antifade­mo beton­ten gegenüber ND, dass es ihnen auch
darum gegan­gen ist, die Opfer rechter Gewalt
nicht allein zu lassen. “Wir lassen uns von dem Ter­ror der Neon­azis nicht
ein­schüchtern”, war eine der Botschaften.
Das zeigte sich beson­ders deut­lich, als mehrere Neon­azis aus ein­er Wohnung
in
Neuschmell­witz Demon­stran­ten fotografierte.
Statt weg zu laufen, wur­den die Recht­en mit Parolen eingedeckt, so dass sie
bald das Fotografieren
einstellten. 

400 junge Leute protestieren gegen neue Nazis

Friedliche Demon­stra­tion zwis­chen Stadthalle und Schmellwitz

(LR)(30.05.05) COTTBUS
Etwa 400 Demon­stran­ten protestierten am Sonnabend gegen das Erstarken von
Neon­azis in Cot­tbus und forderten eine Sol­i­darisierung mit den Opfern
rechter Über­griffe. Der friedliche Zug von der Stadthalle nach Schmellwitz
und zurück wurde von einem Großaufge­bot der Polizei begleitet. 

Zunächst demon­stri­ert die Polizei Stärke: Eine Hun­dertschaft ist schon in
der Mit­tagsstunde zur Stadthalle angerückt und bezieht Posten. Nach und nach
find­en sich die ersten Demo-Teil­nehmer ein. Musik dröh­nt aus einem
Laut­sprecher­wa­gen. «Bleibt friedlich, lasst euch von der Polizei nicht
provozieren» , ruft ein Sprech­er. Ver­hal­tensregeln sind aus­ge­han­delt: kein
Alko­hol, keine Flaschen, keine Gewalt, und, so sagt der Sprech­er, «Dro­gen
soll ja ohne­hin jed­er zu Hause lassen» . 

«Für ein schöneres Leben — Nazi-Struk­turen aushe­beln» ist das Mot­to des
Nach­mit­tags. Der geplante Beginn um 14 Uhr ist bere­its über­zo­gen. «Wir
warten noch auf einen Zug aus Berlin, der komis­cher­weise 45 Minuten
Ver­spä­tung hat.» Unter den Teil­nehmern als einziger Stadtverord­neter Ralf
Fis­ch­er von den Grü­nen, dazu der Cot­tbuser PDS-Geschäfts­führer Matthias
Loer. Allerd­ings hat­te sich die Antifa dage­gen aus­ge­sprochen, dass Parteien
mit Plakat­en auf den Zug auf­sprin­gen. «Das ist unsere Demo, wir wollen
keinen Wahlkampf» , so ein Sprech­er der Veranstalter. 

Kurz vor drei geht es dann los, zunächst ohne die Berlin­er. «Wir wollen ein
Zeichen set­zen und darauf aufmerk­sam machen, das Nazis immer stärk­er werden
in Cot­tbus» , sagt ein Sprech­er der Antifa, der seinen Namen nicht in der
Zeitung lesen will. Vor­sicht sei geboten: «Wir haben ein paar Nazis gesehen,
die fotografieren.» Im Inter­net kur­sieren Lis­ten mit Namen, Adressen und
Fotos — aus der linken wie der recht­en Szene. Jour­nal­is­ten erhal­ten deshalb
ein gelbes Band. 

In der Karl­straße ste­ht ein Aus­län­der und sieht dem Zug zu: «Wir haben alle
schon mal Pöbeleien, Dro­hun­gen oder noch Schlim­meres erlebt. Es ist gut,
dass die jun­gen Leute zeigen, dass es auch andere gibt» , sagt er. 

Schmell­witz sei bewusst als Ziel der Demo gewählt, so der Antifa-Sprecher.
Der Stadt­teil gilt als Hochburg der Neon­azi-Szene. In der Neuen Straße war
ein Inder im Nacht­bus von Nazis zunächst belei­digt, später auf der Straße
ver­fol­gt und zusam­mengeschla­gen wor­den. Als sich der Demo-Zug durch die Neue
Straße und den Hopfen­garten bewegt, wird von Balkons und aus Fenstern
fleißig gefilmt und fotografiert — wohl nicht fürs Familienalbum. 

Auf ein­er kurzen Kundge­bung erin­nert ein Sprech­er an die Vielzahl rechter
Über­griffe in der Stadt, die allein in diesem Jahr die Öffentlichkeit
aufgeschreckt haben (siehe Hin­ter­grund). Sprüche fol­gen wie «Gebt den Nazis
die Straße zurück — Stein für Stein» oder «Gegen Hartz und Mindestlohn,
Nazis in die Produktion» . 

Neben der Polizei, die einen Ring um den Zug bildet und Straßen sperrt,
begleit­en auch Mitar­beit­er vom Cot­tbuser Jugend­hil­fe-Vere­in die
Demon­stra­tion. Spon­tan schafft ein Sozialar­beit­er Wass­er für die Teilnehmer
her­an, die unter der glühen­den Sonne marschieren. Kurz vor dem Ende schwitzt
sich ein Teil­nehmer noch die Bemerkung ab: «Eigentlich schade, dass die
Bullen keine Wasser­w­er­fer dabei haben.» Zur Abküh­lung sprin­gen dann einige
Demon­stran­ten in die Brun­nen vor der Stadthalle. 

Allerd­ings reicht das Wass­er offen­bar nicht für alle: Ein Berlin­er Demo-Gast
möchte in die Spree Galerie, doch der Ein­tritt wird ihm vom Wachschutz
ver­wehrt: «Haus­recht» . Eine kurze Rangelei, die Polizei greift ein — und
muss sich dafür belei­di­gen lassen mit Sprüchen wie «Kleine Dienstgrade» ,
gefol­gt von ein­er Schimpfkanon­ade auf «Ost­deutsch­land» . Dann ent­deck­en die
Autonomen zwei ver­meintliche Nazis und rüsten schon zum Sturm. Andr
eas Rothe
vom «Cot­tbuser Auf­bruch» ver­sucht zu brem­sen: «Das ist unfair den
Ver­anstal­tern gegenüber, die sich hier um eine friedliche Demo bemüht
haben.» Die Hitzköpfe beruhi­gen sich. 

Doch noch bis in die Abend­stun­den fahren auf­fäl­lig viele Polizeiautos
regelmäßig an der Stadthalle vorbei. 

Hin­ter­grund Nazi-Übergriffe 

Im Feb­ru­ar wur­den zwei Stu­den­ten aus Kamerun in der Innen­stadt angegriffen
und geschla­gen. Im April wurde ein 16-jähriger Afghane durch rechte Schläger
schw­er ver­let­zt. Im Mai ver­prügel­ten Neon­azis einen Inder in Schmellwitz,
der sich aus Angst vor weit­eren Über­grif­f­en zunächst wed­er behan­deln ließ
noch zur Polizei ging. Höhep­unkt der Gewaltwelle: der organ­isierte Überfall
auf den Jugend­club «Frageze­ichen» in Sachsendorf. 

Zwei Gesichter

(LR)(30.05.05) COTTBUS
Gesicht zu zeigen gegen Neon­azis, das fiel den Demons tran­ten am Sonnabend
nicht leicht. Es gehört eine große Por­tion Mut dazu, sich Neonazis
öffentlich ent­ge­gen­zustellen — viele Cot­tbuser haben diesen Mut nicht. 

Dass die Demo-Ver­anstal­ter im gle­ichen Atemzug am lieb­sten Fotos verbieten
woll­ten, auf denen Gesichter zu erken­nen sind, hat wohl etwas mit ihrer
ver­ständlichen Angst vor Ver­fol­gung zu tun. Allerd­ings bezieht das die
linksau­tonome Szene nicht nur auf Nazis, son­dern auch auf die Polizei. 

Zwei Gesichter zeigten einige Teil­nehmer, die aus Berlin angereist waren.
Wozu nach friedlichem Ver­lauf der Demo noch Wach­schutz, Polizei und
Pas­san­ten — selb­st wenn Let­ztere zur recht­en Szene gehören — provozieren? 

Aus dem Marsch vom Sonnabend müsste eigentlich ein Demo-Marathon werden.
Denn ein­er­seits sind weit­ere Über­griffe rechter Schläger zu befürchten.
Ander­er­seits weiß man nicht, wohin die schweigende Mehrheit auf Balkonen
oder hin­ter den Gar­di­nen in Cot­tbuser Woh­nun­gen gedanklich tatsächlich
neigt. Rechte Ide­olo­gie und Gewalt sind ein gesellschaftlich­es Prob­lem, das
sich mit Demon­stra­tio­nen zwar nicht aus Cot­tbus her­auss­chaf­fen lässt. Was
solche Demos jedoch leis­ten kön­nen, ist die Ermu­ti­gung der­er, die etwas
machen wollen, bis­lang aber nicht wussten, wer mitzieht. Die Kräfte müssen
gebün­delt wer­den, da das jüng­ste Vorge­hen der Nazis in Sach­sendorf eine
straffe Organ­i­sa­tion erken­nen lässt. 

Um so wichtiger bleibt es, in der Stadt im All­t­ag Gesicht zu zeigen — gegen
rechte Gewalt, gegen Nazi-Struk­turen und Intoleranz.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Inforiot