Stadtverordneten demobilisierten zu direkten Gegenveranstaltungen. Bürgermeister Bretterbauer entsetzt über die vielen Nazis.“Lübbener Forum gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit” mobilisierte zu Mahnwachen, die Antifa Spreewald und die Autonome Antifa Lübben [aal] mobilisierten zur Antifa-Demo. Positive Resonanz über die Antifa-Demonstration in der Bevölkerung. Medienberichterstattung äußerst freundlich. Nazis machten sich lächerlich und wurden von den Bullen durch die Stadt gescheucht.
Einen Abend vor dem Naziaufmarsch im Spreewälder Touristen-Ort Lübben, in der Niederlausitz, stürmte die Polizei den Nazitreff Bunker 38 in Schwarze Pumpe. Schwarze Pumpe ist ein Ortsteil von Spremberg im benachbartem Spree-Neiße-Landkreis. Mit einem Polizeiaufgebot wurde dort ein Nazitreffen aufgelöst. Dabei seien 84 Teilnehmer einer “Geburtstagsfeier” festgestellt worden, die aus Spremberg und der näheren Umgebung der südbrandeburgischen Landkreise Cottbus, Oberspreewald-Lausitz (OSL), Elbe-Elster (EE) und Dahme-Spreewald (LDS) sowie aus dem benachbartem Bundesland Sachsen angereist waren. Außerdem stellten die Polizei-Beamten CDs mit indizierter Musik sicher. Spremberg ist nicht weit von Lübben entfernt. Es liegt an der Grenze zu Sachsen und gilt also als weiträumiger Anlaufpunkt der überregionalen Nazi-Szene.
Am Abend davor
Die Stadtverordneten hatten vorige Woche Donnerstag beschlossen, das Gelände der ehemaligen Brauerei, der nun der Bunker88 ist, zu kaufen. Nun fand Freitag abends, also einen Tag später, die vom Bürgermeister ins Leben gerufene Gründungsveranstaltung der Bürgerinitiative “Tolerantes Lübben” statt. Es trugen sich, so die “Lausitzer Rundschau” (LR) bis zum Freitagabend auf dem Marktplatz fast 100 Einwohner in die Listen dieser neuen Bürgerinitiative ein. An der Spitze dieser zivilen bürgerlichen Bewegung für ein “weltoffenes, einladendes Lübben stehen die Leiter der drei Lübbener Kliniken”. Darüber berichtete auch der “Rundfunk Berlin-Brandenburg” (rbb). Es wurde gesagt: “Seit Jahren hat die Stadt davor die Augen verschlossen doch nun wollen die Stadtverordneten durchgreifen”. Was ja von bürgerliche Seite aus ein hartes Eingeständnis ist. Aber na gut!
In Lübben waren die Nazis am Abend vorher aber auch nicht untätig, so fuhren bekannte Lübbener Neonazis im Auto umher, um angebliche Linke oder Antifaschist_Innen vom vorbeifahrenden Auto aus abzufilmen. Ausserdem tauchten nachts um Zwei ein halbes dutzend jugendliche Nazis im strömenden Regen vor einer Kneipe auf, wo sie Linke oder Antifaschist_Innen vermuteten. Alle diese Aktionen der Rechten wurden wohl benutzt, um “Andersartige” einzuschüchtern oder gar zu provozieren. Als sich ca 10 Jugendliche z.B. dem später parkendem Auto der filmenden Nazis näherten, verpissten diese sich schnell indem sie aufs Gaspedal traten und alarmierten die Polizei. Die dann auch gleich angefahren kamen.
Der Demo-Samstag
Alle drei Veranstaltungen waren am Bahnhofsvorplatz geplant. Der Sammelplatz der Nazis war in Richtung ALDI (also Rechts), Der Sammelplatz der Antifas war in Richtung Bunker88 (Also Linke Seite). Auf der anderen Seite der Parkstraße, gegenüber der Nazis war das oben bereits erwähnte “Forum gegen Rechtsextremismus…”. Das Forum wollte es im Gegensatz zum Bürger-Bündnis “Tolerantes Lübben” nicht hinnehmen, das am Sonnabend von städtischer Seite keine Gegenveranstaltungen laufen und meldete eine Mahnwache gegen Nazis an. Sogar der Lübbener Bürgermeister Lothar Bretterbauer von der CDU ließ sich dort blicken und äußerte angeblich gegenüber der Presse und anwesenden Lübbener_Innen, das er wohl nicht gedacht hätte, daß es so viele Rechte werden würden. Am Tag vorher hatte er gesagt, daß der städtische Protest einen Tag vorher stattfinde, damit die Bürger nicht mit Linken oder Rechten konfrontiert werden, wie der rbb berichtete. Aber selbst in diesem rbb-Bericht wure eingeräumt, daß viele auch “aus Angst” zuhause bleiben könnten.
Die LR berichtete von einem alten Mann der sich am Rande der Mahnwache gegen die Nazis bewegte, er meinte gegenüber der LR: “Ich finde den Aufriss, der für beide Seiten gemacht wird, beschämend. Das Geld sollte lieber verwendet werden, um die vielen Schmierereien in der Stadt zu entfernen, oder für arme Kinder ausgegeben werden…” und weiter schreibt die LR “…Mit Aufriss ist der Polizeieinsatz gemeint, und der Mann, der seinen eigenen Worten zufolge Nazikrieg und Kommunismus überstanden hat..” sagte, daß er: “weder mit denen noch mit denen was zu tun haben will” ‚und die LR Schlussfolgert über seine Aussagen das der Mann nicht merke, “dass er einem der Neonazi-Sprüche auf den Leim geht.” Ein Beispiel für die relativ antifa-freundliche Berichterstattung.
Karin Weber, ihrerseits brandenburgische Landtagsabgeordnete aus der Gegend und Mitglied der Linkspartei, machte von Anfang bis Ende bei der Antifa-Demo mit und demonstrierte obwohl ihr die Füße wehtaten.
Anfänglich ging die Polizei repressiv gegen die Antifaschistische Demonstration vor, daß lag auch vor allem daran, daß sie aus Mecklenburg-Vorpommern kamen und sich mt der Situation vor Ort nicht auskannten. Sie erteilte anwesenden Antifa´s Platzverweise, einfach nur weil sie ein Tuch dabei hätten mit dem sie sich ja vermummen könnten. Platzverweise wurden gleich zu Anfang ausgesprochen. So unter anderem einem Antifaschisten der es bis an die Nazi-Kundgebung herangeschafft hatte. Obwohl eine Auflage der Versammlungsbehörde war, daß die Kundgebung 12 Uhr beginne, durfte laut der Einsatzkräfte der Polizei vor Ort erst 14 Uhr der Lauti angemacht werden. Es hätte auch fast keine Transpis gegeben, weil diese angeblich zu lang und zu hoch gewesen seien. Außerdem bewegte sich die Antifa-Demo fast die ganze Zeit über in einem sogenannten polizeilichen Wanderkessel und es durften z.B. bei der Zwischenkundgebung auf dem Marktplatz nur kleinere Gruppen “austreten”. Im Laufe der Antifaschistischen Demonstration ließ die Repression aber spürbar nach und auch die eingesetzte auswärtige Polizei war erschrocken, da sie Antifaschist_Innen wohl bisher nur als kriminelle oder zumindest gewalttätige Masse wahrgenommen hatten und waren darüber erstaunt, daß es nicht Antifas sind von denen die Gewalt ausgeht.
Bei den Nazis lief das schon ein bisschen anders ab. Bei ihnen meldete sich ewig kein Versammlungsleiter, obwohl er ständig ausgerufen wurde. Dies zeigt schon das die Nazis kein interesse an Kooperation mit den eingesetzten Polizeikräften hatten. War die Antifa nur da, um den Nazis zu zeigen, daß sie nicht willkommen sind und der Stadt zu zeigen, daß ernst gemeinter Antifaschismus hinschauen heisst und nicht zuhause verstecken. So waren die Nazis da, um der lokalen Polizei mit ihrem Potenzial und offen verfassungsfeindlichen Parolen wie: “Nationaler Sozialismus, Jetzt!” zu drohen. Meiner Meinung nach traten die Nazis auch wesentlich aggressiver gegenüber der Polizei auf als die Antifa-Demo. Schließlich hatten sie ja damals bei der Bunker88-Räumung die lokalen Streifen-Polizisten angegriffen und mussten durch ein Potsdamer SEK geräumt werden. Aus Sicht des Staates muss es ja schon ziemlich frech sein, wenn das Gewaltmonopol von jugendlichen Nazis in Frage gestellt wird und ein eigener Machtbereich installiert, wird wo die Polizeikräfte bis dahin ungestraft rausgeprügelt werden können. Spätestens da musste selbst den letzten Wegkucker_Innen klar geworden sein, daß sich die faschistische Bewegung sich auch nicht von Polizisten aus dem Schutzbereich “im Zaum” halten lässt und
daß sie bisher in vielerlei Hinsicht Narrenfreiheit genossen.
Beide Aufzüge, der Nazi-Aufmarsch und die Antifa-Demo gingen zeitgleich etwas nach 14 Uhr los. Die Nazis in Richtung Schillerstraße, Klinikum Dahme-Spreewald und Neustadt, die Antifa in Richtung Bunker88 und Altstadt. Es kann gesagt werden, daß es diesselben “Strecken” wie eineinhalb Jahre zuvor waren — nur diesmal umgekehrt. Denn das die Nazis diesmal im Uhrzeigersinn und nicht durch die Altstadt gehen durften lag daran, daß die Antifa dort war und die Aufzüge aneinander vorbeigeführt werden mussten ohne daß sie sich begegnen. Es sollten ja die Konfrontationen beider “Gruppierungen” vermieden werden. Die Nazis hatten aber eineinhalb Jahre vorher eine städtische Kundgebung, wo sie auf dem Marktplatz ihrer National-Sozialistischen und Mennschenverachtenden Propaganda gegenüber den Lübbener Bürgern freien Lauf lassen konnten. Das wollte die lokale Politik dieses Mal wohl vermeiden. Nun war die Antifa dort und mehrere versprengte Häufchen lokal bekannter Nazis.
Transparente auf der Demo waren: “Bunte Häuser statt Braune Bunker — Kein Fußbreit den Faschisten NIRGENDS!” ein “Antifa Spreewald” Transpi mit Antifalogo schwarze Fahne vorne, Metaller trugen ein “Heidentum und Subkultur gegen den Nationalen Treueschwur” Transparent und eine Thors-Hammer-Fahne. Ausserdem waren Antifa-Aktions-Fahnen da.
Auf der Demo wurden Sprüche gerufen wie: “Heidentum und Subkultur gegen den Nationalen Treueschwur”, “Lübben Spreewald — WIR SIND DA — Autonome Antifa!”, “Nazis Raus!”, beim Biene Maja Song sang sogar die Polizei mit.
Die Nazis verzichteten in Ihrerm Demonstrationsverlauf auf ihre Zwischenkundgebung in der Lübbener Neustadt. Lokale Nazis schlossen sich teilweise in der Neustadt dem Aufmarsch an, bzw. beteiligten sich an der “Sichtung” oder Provokation gegenüber der Antifa-Demo. Daran beteilgte sich unter anderem David Schmidt, seinerseits Mieter des Bunker88 und ein lokal führender Nazikader. Aber auch der Antifa-Demo schlossen sich spontan Leute an. Stadtbekannte Lübbener Mitbürger beteiligten sich diesmal an der Antifa-Demo.
Auf dem Marktplatz gab es Reden: Autonome Antifa Lübben spielte eine Rede ab “Weshalb Nationalfahnen und Parteifahnen auf Autonomen Demonstrationen unerwünscht sind”, die Pagan-Metaller gegen Rechts hielten eine Rede in der sie unmissverständlich klar machten, daß ihre heidnisch-germanische Symboliken wie “Thors Hammer” oder “Triskele” nichts mit Nazi-Scheiße zu tun haben und die Nazis sich aus der Metall-Szene verpissen sollen. Sie sprachen sich damit auch gegenüber der sich in der Nähe befindenden Nazis aus. Es gab ausserdem noch eine Rede über den sogenannten “Zug der Erinnerung”.
Der Nazi-Aufmarsch wurde währenddessen an der Altstadt (auf der anderen Seite der Spreebrücke) am Spreeufer vorbeigeführt!
Lokale Antifaschist_Innen entrollten vor dem Nazi-Aufmarsch auf der Logenstraße vom Dach aus ein Transparent mit der Aufschrift: “Keine Toleranz für Nazis — Good Night White Pride”. Diese Aufschrift spielt auf Bürgermeister Lothar Bretterbauers Bürgerinitiative “Tolerantes Lübben” an, diese hatte nämlich dazu aufgerufen zuhause zu bleiben und den Nazis nicht noch “Gaffer oder Publikum zu verschaffen”, was logischerweise bei Antifaschist_Innen auf Empörung stieß. Die Transpi-Aktion kam bei den Nazis gut an, die waren nämlich stinke-sauer und die Polizei sah auch keinen Grund gegen das Transparent einzuschreiten. Die Nazis waren auch bisher die Einzigen die diese Aktion in ihrem Propaganda-Video verarbeitet haben und dadurch auch nur irgendwie erwähnten.
Am Abend danach
Da am Abend vorher von Nazi-Seite direkt in Lübben nichts weiter gelaufen ist, was zum Großteil wohl auch mit der Bunker38-Räumung in “Spremberg — Schwarze Pumpe” zu tun hat, wäre eigentlich zu vermuten gewesen, daß die Nazis am Abend danach noch etwas versuchen würden. Die einzige als Links angesehene Kneipe hatte geschlossen und die Nazis fuhren in einem Kommando-Einsatz-Fahrzeug umher, auch die Polizei-Präsenz ließ spürbar nach. Ein Gerücht, welches im Kleinstadt-Klatsch die Runde machte es sei jemandes erschlagen worden, bestätigte sich nicht. Alles in allem blieb es ziemlich ruhig.
BUNKER88 Infos
Rechte Gewalttaten gibt es schon sehr lange auch in Lübben, so berichtete die Opferperspektive 2006 daß: “am 4. April: Gleich an 26 Häusern Hakenkreuze, Naziparolen und die Ziffer 88 – ein international verwendeter Code für ‘Heil Hitler´ prangten” In dem selben Bericht wird auch ein Stink-Säure-Anschlag gegen ein Gymnasium anlässlich des Theater-Stücks “Hallo Nazi!” in der Nacht zum 17. Februar 2006 geschildert.
Nach einem Überfall Anfang 2006 auf einen Jugendclub, bei der gezielt einzelne Jugendliche von Nazis misshandelt wurden und die Musikanlage entwendet wurde, stellte man genau diese Musikanlage vor dem Bunker 88 sicher. Auch bei mehreren Gerichtsverhandlungen gegen faschistische Schläger gaben diese an, sich öfters im Bunker88 zu treffen.
Es war also klar das der Bunker88 die Nazistruktur in Lübben ist von der diverse Angriffe ausgingen.
Schon damals sei laut Polizei in diesem “inoffiziellen Jugendclub” ein harter Kern von etwa “40 LübbenerInnen, die zum harten Kern der rechten Szene gehören” ein- und ausgegangen. In kürzlich erschienenen Interviews, die im Vorfeld des Nazi-Aufmarsches und anhand des Bunker88-Kaufs mit dem Bürgermeister gemacht wurden, äusserte dieser gegenüber der Lausitzer Rundschau (bzw der Pressagentur ddp), die ihm bekannten Zahlen, die dabei nach unten korrigiert wurden. So schrieb am 16.04.2008 die Junge Welt in offensichtlich direkter Bezugnahme auf die LR-Artikel in “Aus für Bunker88”: “Lübbens Bürgermeister, Lothar Bretterbauer (CDU), beziffert den harten Kern der Lübbener Nazi-Szene auf etwa 20 bis 30 Personen. Es gebe zudem ein sympathisierendes Umfeld von bis zu 80 Personen. Diese träfen sich regelmäßig im Bunker.”
Letzten Donnerstag wurde von den Stadtverordneten beschlossen das Gelände zu kaufen, abzureißen und laut einem Bebauungsplan: “Eigenheime statt Braune Bunker” (LR) zu bauen.
Bilder auf Indymedia