Am 11. April 2008 fand in dem Bad Freienwalder Jugendzentrum “OFFI” eine
Veranstaltung zu Neonazis in Brandenburg statt. In einem Multimediavortrag klärte
der Berliner Journalist Juri Eber über extrem Rechte Ideologie und deren
Organisationsformen in Brandenburg auf. Sowohl Parteien, Vereine als auch
Kameradschaften versuchen immer wieder Fuß zu fassen, um “vor allem jugendlichen” Menschen ihre menschenfeindliche Propaganda zu vermitteln. Derzeit existieren zwei rechtsextreme Parteien in Brandenburg: Die eher tatenlose
DVU und die NPD. Letztere verfügt in Brandenburg derzeit über 250 Mitglieder, die in
5 Kreisverbänden, 10 Ortsverbänden und 3 Stützpunkten organisiert sind. Allein im
ersten Halbjahr 2007 wurden fünf neue Ortsverbände gegründet bzw. wieder belebt, um
bei den Kommunalwahlen im September flächendeckend antreten zu können. Ansonsten
besitzt die Partei noch keine institutionalisierte Bürgerarbeit, wie beispielsweise
in Sachsen. Doch auch in Brandenburg gibt es Bestrebungen als bürgernahe Partei
aufzutreten.
Darüber hinaus existieren Vereine wie die HNG, die Hilfsorganisation für nationale
politische Gefangene und deren Angehörige e.V. und das DRB, das Deutsches Rechtsbüro
in Brandenburg. Sie leisten u.a. ideologische Arbeit für straffällig gewordene
Rechtsextremisten und vermitteln Anwälte.
Starke Bedeutung in Brandenburg haben “freie Kameradschaften”, organisierte aber
zumeist nicht offiziell im Vereinsregister eingetragene Personenzusammenschlüsse wie
sie bspw. in Frankfurt (Oder), Guben, Lübben, Rathenow, Strausberg oder Blankenfelde
bestehen. Diese sind für einige Spektakuläre Aktionen bekannt, zum Beispiel mit
einem Kahn mit der Aufschrift “Demokratie ist Volkstod” bei einem Kahnkorso mit zu
fahren oder Orts-Eingangs-Schilder mit der Aufschrift “National Befreite Zone”
anzubringen. In den letzten Jahren wurden mehrere Kameradschaften verboten. Darunter
im Juli 2005 die ANSDAPO, die Alternative Nationale Strausberger Dart-Piercing und
Tattoo-Offensive. Dabei wurden bei 18 Mitgliedern die der Verein hatte,
Hausdruchsuchungen durchgeführt, wobei Waffen, Propagandamaterial, Hitlerbüsten,
sowie illegale Musik-CDs gefunden wurden. Nach außen hin wird bei den Gruppen zwar
immer der Eindruck eines losen und informellen Zusammenschlusses erweckt. Doch
intern sind Hierarchien durchaus vorhanden.
Des Weiteren haben sich die Brandenburger Rechtsextremisten technisch weiter
professionlisiert. So sind vorhandene Videos für Propaganda und zur Mobilisierung zu
öffentlichen Veranstaltungen im Internet sehr aufwendig gestaltet und zeigen einen
deutlichen Anstieg von Fachkenntnissen.
Zentral war in dem Vortrag, wie sich Antisemtismus unter Rechtsextremen artikuliert.
“Jeder Neonazi ist auch Antisemit, aber nicht jeder Antisemit ist auch Neonazi”, so
Juri Eber. Demnach gibt es unter Rechtsextremen die gesamte Palette von
Antisemitismen: Relativierung und Leugnung des Holocaust; Phantasma der jüdischen
Weltverschwörung; Unterstützung aller Feindseligkeiten gegen Israel; sekundärer
Antisemitismus; struktureller Antisemitismus.
Elementar sei dabei die Unterscheidung zwischen “raffendem” und “schaffendem”
Kapital. Nach Nazi-Logik bedeute dies: Das “schaffende” ist immer der deutsche
Prototyp von arischem Arbeiter, der mit seinen Händen anpackt und sich das Geld
“verdiene”. Die “Raffenden” seien immer Personen (Juden), welche nur Zinsen nähmen
und gar nicht arbeiten würden. Zinsen werden hier verstanden als Geld welches sich
ohne etwas zu tun “einfach so” vermehrt. Dem allerdings liegt eine fatale, verkürzte
Kapitalismusanalyse zu Grunde, welche in einem “Barbarischen Antikapitalismus”
endet, der zugunsten der nationalen Wirtschaft gegen das B?rsenkapital wettert.
Weiter zentrale Ideologiefragmente wurden anhand von Transparenten, welche Neonazis
bei brandenburgischen Demonstrationen trugen, aufgezeigt und erläutert. Dies wären
u.a. Geschichtsrevisionismus, das Konzept der Volksgemeinschaft, Autoritarismus,
Nationalismus und Rassismus.
Nach einer kurzen Pause, folgte eine Diskussionsrunde. Dabei haben sich die
Teilnehmer über Möglichkeiten im Umgang mit Rechtsextremismus ausgetauscht. “Gegen
Rechtsextremismus hilft nur eine lebendige Demokratie, die Möglichkeit aller an
gesellschaftlichen Entscheidungen zu partizipieren”, so Juri Eber am Ende der
Veranstaltung.
Die ersten Aktionswochen gegen Antisemitismus dauern noch bis zum 8. Mai an. Die
nächste Veranstaltung ist eine Gedenkkundgebung für die jüdischen Opfer des
Antisemitismus am 18. April um 17 Uhr vor dem Jüdischen Friedhof in der
Goethestraße.