Was sich am 04. April 2004 an einer Bushaltestelle im Zentrum von Frankfurt(Oder) ereignete, ist einerseits schockierend andererseits gehört es zur deutschen Alltagskultur: Zwei afrikanische Flüchtlinge
wurden Opfer eines rassistisch motivierten Überfalls, in dessen Folge eines der beiden mit schweren Verletzungen, 10 Tage lang im Krankenhaus behandelt werden muszte.
Das war bereits nach Veröffentlichungen der Antifaschistischen Aktion Frankfurt(Oder), der Gruppe Refugees Emancipation und der Opferperspektive in der Presse nachzulesen. Interessanterweise aber auch erst nach diesen
Veröffentlichungen, was in direktem Zusammenhang mit der Verschweigungs- politik der Frankfurter Polizei und der Abteilung Staatsschutz steht, welche diesen Übergriff auch Wochen danach noch als harmlose Kneipenschlägerei darstellen und nicht als das, was er eigentlich war: die versuchte Tötung eines Menschen, welcher von den Tätern und vermutlich
auch Teilen der ermittelnden Behörden als Volksfeind identifiziert wurde.
Wäre das von Verletzungen übersäte Opfer diesen erlegen, dann wäre es
nach der Ermordung eines Ex-Punks durch 3 bekannte Rechtsextremisten im
vergangenen Jahr, das erste bekannt gewordene Todesopfer nazideutscher
Aggression in Frankfurt(Oder).
Neben der Nichtinformationspolitik der Polizei ist auch fragwürdig,
inwieweit sich einzelne SchreiberInnen der MOZ(Märkische OderZeitung)
ernst nehmen lassen. Im ersten Artikel zur Tat welcher am 14.April erschien,
wird von der MOZ bestätigt, dasz das eine Opfer “wegen seines Gesundheits-
zustands erst jetzt befragt werden konnte”. 9 Tage später jedoch (23.April)
druckt sie völlig unkommentiert die Behauptung der Polizei ab, dass das
Opfer
die Ermittlungen, durch Nichtzusammenarbeit am Tag der Tat und danach, blockiert hätte. Ebenso blind ist im selben Darstellung der ermittelnden Staatsanwältin,
welche auch ob Beschimpfungen wie “Nigger” keinen ausländerfeindlichen Hintergrund des Angriffs bestimmen will. Lokal hebt sich der Oderlandspiegel mit seiner Informationspolitik ab, welcher den offenen Brief der
Antifaschistischen Aktion Frankfurt(Oder) an den OB Patzelt, leicht verändert, abdruckte und sich
so nicht nur auf “Informationen” durch die Ermittlungsbehörden beschränkte.
Oberbürgermeister Martin Patzelt(CDU) versicherte einerseits in einer Antwort auf den genanten Brief, dass er persönlich von jedem rassistischen Übergriff sehr betroffen sei, tönte in der MOZ allerdings weiter, dasz er sich nicht
wieder vorschnell entschuldigen wolle, wenn sich nicht herausstellen werde, dasz eben dieser Überfall auch rassistisch motiviert war. Damit knüpft er im
Stil deutscher Vergangenheitspolitik an die (nach wie vor bestehende) Schluszstrichdebatte an, vertauscht Täter und Opfer und halluziniert sich und der Stadt, angebliche Fälle von öffentlichen Entschuldigungen an Opfer nicht-
rassistisch motivierter Gewalttaten für die (sowieso ständig präsente) Naziagressionen. Warum sich der Herr Patzelt überhaupt für Übergriffe entschuldigen will, bei der täglichen Asylpraxis die die Flüchtlinge erleben müssen,
bleibt uns unklar.
Sobald der OB allerdings anfängt aktiv den staatlich-institutionalisierten
Rassismus vor Ort, sowie die anhaltende Gewalt einiger aktiv-deutscher zu
bekämpfen, kann er dies ruhig nachholen.
Darauf wollen wir aber nicht warten, sondern lieber selber an den
bestehenden
Verhältnissen rütteln. Wir als autonome AntifaschistInnen haben uns dem
Umsetzungskampf der Assoziation emanzipierter Individuen verschrieben und
solidarisieren uns mit dem Versuch von Flüchtlingsgruppen, wie der Refugees
Emancipation, sich selbst zu helfen und in die offensive zu gehen.
Diese Solidarisierung bedeutet für uns eine aktive Rolle in der Vorbereitung
und der Durchführung der geplanten Demonstration zu übernehmen, sowie andere
Menschen zur Teilnahme an dieser und selbstständigen Aktivitäten zu bewegen.
Die Abschaffung der repressiven Sonderbedingungen mit denen Flüchtlinge
leben
müssen sowie die Bekämpfung der rassistisch motivierten Straszengewalt, sind
für uns erkämpfbare Ziele, welche auch ein gewisses Potential an
emanzipatorischen
Folgen für die Gesellschaft bergen. Deshalb setzten wir auch auf
Zusammenwirken
mit anderen Gruppen, welche ein antirassistisches Selbstverständnis haben.
Konkrete Forderungen für die Demonstration und später sind die Abschaffung
der
Residenzpflicht, des Gutschein-Einkaufs-Systems, aller rassistischen Gesetze
und
deren lokale Umsetzung sowie die Bekämpfung von rassistischen Äuszerungen in
der
Öffentlichkeit und im privaten.
Weiterhin schlieszen wir uns der Forderung der Antifaschistischen Aktion
Frankfurt(Oder) an die Diskothek B5 an, Rechtsextremisten den Zugang zu
ihren
Lokalitäten zu verwähren und so die Partyconnection zwischen
Mainstream-Racist
und Neonazis im B5 zu unterbinden.
Auch wenn wir hoffen konkrete Schritte zur Flüchtlingsemanzipation
unterstützen
zu können, so sind wir uns doch sicher, dass das Zerschlagen der Festung
Europa,
welche es mit ihrem Abschottungsregime Flüchtlingen fast unmöglich macht
hier Asyl
zu suchen, eines der zentralsten Ziele antirassistischer Politik sein muss.
Gerade unter starkem deutschen Einfluss, wird es kaum staatlichen Schutz für Flüchtlinge in der EU geben. Auch deshalb sollten alle deutschen
Gemeinschaften
sabotiert werden und die Bekämpfung von nationalen Identitätsbildern
forciert werden.
Die Bürgermeisterin Frau Katja Wolle forderte einen Problemkatalog als
Grundlage
zu einer Diskussion über die Verbesserung der Lebensverhältnisse für
Flüchtlinge.
Obwohl diese Forderung uns nicht galt bringen wir hier unsere Antwort und
wollen
damit unseren Aufruf beenden:
Weg mit Residenzpflicht und Gutscheinsystem! — Für Polizei und Ausländerbehörde gilt dasselbe.
Deutschland auflösen! — Festung Europa abreiszen.
Antisemitismus und Rassismus überall entgegentreten! — Antifaschistisch kämpfen.
No Border + No Nation + No Zwangskollektiv! — Für die freie Assoziation emanzipierter Individuen.
[Autonome Antifa Frankfurt(Oder) im Mai 2004]