Verteidiger im Potzlow-Prozess fordert für seinen Mandanten Marcel S. acht Jahre Jugendhaft
(Tagesspiegel) Neuruppin. Anwalt Volkmar Schöneburg hat im Potzlow-Prozess den
schwierigsten Part. Welche Strafe soll er für seinen Mandanten Marcel S.
fordern, der sein Opfer mit kaum vorstellbarer Brutalität getötet hat? Wie
kann man den “Bordsteinkick” erklären, den Sprung mit beiden Stiefeln auf
den Hinterkopf des 16-jährigen Marinus Schöberl, der in die Kante eines
Schweinetrogs beißen musste — und wimmernd ahnte, was kommt? Schöneburg hat
mühsam eine halbwegs plausible Deutung versucht. In seinem einstündigen
Plädoyer vor der Jugendkammer des Landgerichts Neuruppin holte der Anwalt am
Donnerstag weit aus, um dann doch festzustellen: Es ist Mord. Aber aus
anderen Motiven, als die Staatsanwaltschaft sage. Auch Schöneburg konnte
sein Entsetzen nicht verbergen: Was Marcel S. in der Nacht zum 13. Juli 2003
in dem Schweinestall in Potzlow getan hat, sei “wenig fassbar”.
Der 18 Jahre alte Angeklagte, blass wie immer, hörte reglos zu. Auch die
beiden anderen Schläger, Marcels Bruder Marco (24) und Sebastian F. (18),
die in jener Nacht Marinus Schöberl kaum weniger gequält hatten, zeigten wie
an allen anderen Prozesstagen eine maskenhafte Mimik. Dennoch gab sich
Schöneburg Mühe, zumindest Marcel vom Stigma des seelenlosen Monsters zu
befreien. Sein Mandant habe darunter gelitten, dass die Eltern arbeitslos
waren und seine Mutter obendrein ihre Krankheit nicht loswurde, sagte
Schöneburg. Es habe Marcel frustriert, dass er und Sebastian F. wegen
rechtsextremer Parolen nicht an einer Klassenfahrt ihrer Bildungseinrichtung
teilnehmen durften. Marcel sei von seinem älteren Bruder abhängig gewesen,
auch habe der psychiatrische Gutachter eine Reifeverzögerung diagnostiziert.
Und in der Tatnacht habe Marcel reichlich Alkohol genossen, außerdem hätten
sich alle drei Angeklagten “gegenseitig hochgeschaukelt”.
Nach Ansicht Schöneburgs ist ein spezieller niederer Beweggrund als
Mordmerkmal zu erkennen: “Wir haben hier eine Tötung aus frustbedingter
Aggression.” Der “Bordsteinkick” nach dem Muster einer brutalen Szene aus
dem US-Film “American History X” sei außerdem ein “klassischer
Mittäterexzess” — der anerkennungssüchtige Marcel habe seinen Bruder und
Sebastian F. “überholt”. Keineswegs komme jedoch, wie die Staatsanwaltschaft
behaupte, als niederer Beweggrund eine rechte Gesinnung in Frage — obwohl
das Opfer gezwungen wurde, sich als “Jude” zu bezeichnen. Schöneburg meint,
Marcel habe sich wie ein “Chamäleon” verhalten und die “rechtsradikalen
Sachen” erst im Juni 2002 hervorgeholt, kurz bevor Bruder Marco aus
mehrjähriger Haft entlassen wurde. Marcel habe versucht, Anerkennung bei der
rechten Clique zu finden. Und der Verteidiger präsentierte ein makaberes
Gleichnis: “Wenn es Nudisten gewesen wären, hätte er sich denen
angeschlossen.”
Acht Jahre Jugendhaft hält der Anwalt für angemessen. Die Staatsanwaltschaft
verlangt zehn Jahre, das im Jugendstrafrecht mögliche Höchstmaß. Vor
anderthalb Wochen hat der Verteidiger von Sebastian F. Haft abgelehnt,
“Zuchtmittel” reichten aus. Kommende Woche wird der Verteidiger von Marco S.
plädieren, für den die Staatsanwaltschaft lebenslange Haft fordert.
Anwalt beantragt acht Jahre Haft für Potzlow-Haupttäter
Verteidiger sieht kein rechtsradikales Motiv
(LR) Im Prozess um den brutalen Mord an dem Schüler Marinus Schöberl (die
RUNDSCHAU berichtete) hat der Verteidiger des mutmaßlichen Haupttäters für
diesen maximal acht Jahre Gefängnis beantragt.
“Marinus wurde von allen drei Angeklagten stundenlang traktiert, gequält und
verletzt. Aber für seinen Tod ist nur mein Mandant verantwortlich”, sagte
der Anwalt des 18-Jährigen, Volkmar Schöneburg, am Donnerstag am Landgericht
Neuruppin. Die Staatsanwaltschaft hatte für den jüngeren der zwei
angeklagten Brüder eine Jugendstrafe von zehn Jahren Gefängnis beantragt.
“Eigentlich gab es keinen Grund dafür, dass mein Mandant Marinus tötete. Er
begreift diese Handlung selbst nicht”, sagte Schöneburg. Seiner Auffassung
nach liegt weder ein rechtsradikales Motiv zu Grunde, noch handelt es sich
um einen Verdeckungsmord.
Der Anwalt des großen Bruders, für den die Ankläger lebenslange Haft
fordern, plädiert erst am 9. Oktober. Das Urteil soll am 16. Oktober
gesprochen werden.
Anwalt beantragt acht Jahre Gefängnis für Potzlow-Haupttäter
(BM) Neuruppin — Der mutmaßliche Mörder von Marinus Schöberl, der 18-jährige
Potzlower Schüler Marcel Sch., soll nach den Worten seines Rechtsanwalts
Volkmar Schöneburg maximal acht Jahre hinter Gitter. Der Sprung auf den
Hinterkopf des zuvor schon stundelang gepeinigten und misshandelten
16-jährigen Marinus sei allein auf einen Entschluss von Marcel Sch.
zurückzuführen. “Für Marinus Tod ist nur mein Mandant verantwortlich.” Die
Staatsanwaltschaft sieht es dagegen als erwiesen an, dass der Mord in dem
alten Schweinemastbetrieb von Potzlow (Uckermark) in der Nacht zum 13. Juli
2003 auch von den beiden Mitangeklagten Marco Sch. (24) und Sebastian F.
(18) gebilligt wurde.
“Zum Entsetzen” der beiden anderen Angeklagten habe Marcel Marinus
gezwungen, in die Kante eines Schweinetroges zu beißen. Eine Szene, die er
aus dem Spielfilm “American History X” kannte und die damit endete, dass ein
Skinhead einem farbigen Einbrecher mit beiden Füßen auf den Kopf springt.
Genauso tat es Marcel Sch.. Die Wucht des Trittes, der den Kopf von Marinus
nach Aussagen des Gerichtsmediziners regelrecht “auseinandersprengte”, wurde
noch verstärkt durch Springerstiefel mit Stahlkappen, die Marcel dabei trug.
Ein rechtsradikales Motiv schloss der Verteidiger aus. Für die Tat, “die
mein Mandant selbst nicht begreift”, machte Anwalt Schöneburg ein lange
aufgestautes “Aggressionspotenzial” bei Marcel Sch. verantwortlich.
Jugendstrafe für Marcel S. verlangt
(TAZ) NEURUPPIN ap Im Prozess um den Mord an einem 16-Jährigen im
brandenburgischen Potzlow hat der Verteidiger für den mutmaßlichen
Haupttäter eine Jugendstrafe nicht über acht Jahren gefordert. Zugleich
bestritt der Anwalt ein rechtsextremistisches Motiv für die Tat. Der 18
Jahre alte Marcel S. habe sich des Mordes und der zweifachen gefährlichen
Körperverletzung schuldig gemacht, sagte Rechtsanwalt Volkmar Schöneburg am
Donnerstag vor dem Landgericht Neuruppin. Gleichwohl setze er auf die
erzieherische Wirkung der Jugendstrafe, um dem Angeklagten die Chance für
eine positive Entwicklung zu geben. Schöneburg zufolge ist allein Marcel S.
für die Tötung des 16 Jahre alten Marinus verantwortlich. Dagegen war die
Staatsanwaltschaft von einer Gemeinschaftstat der drei Angeklagten
ausgegangen. Der Anwalt erklärte, die Tat solle nicht verniedlicht werden.
Marinus war von den insgesamt drei Angeklagten wegen dessen gefärbter Haare
und seiner HipHop-Kleidung angegriffen und als Jude bezeichnet worden.