Flüchtlinge, die wie der Togolese Kofi der Isolation in den Heimen auf dem Land entgehen wollen, können dort nur illegal wegziehen. In der Stadt leben sie mit der steten Angst, der Polizei aufzufallen
Kofi* wohnt seit drei Jahren in einem Flüchtlingsheim, jedenfalls offiziell. Einen Kilometer außerhalb von Berlin. Wenn der Togolese die Stadtgrenze überschreitet, macht er sich strafbar. Dennoch hat er sich Anfang des Jahres entschlossen, nach Berlin zu ziehen. Seit Februar lebt er ohne Papiere in der Stadt.
Als Treffpunkt schlägt Kofi das Kottbusser Tor vor. Der groß gewachsene Mann in Jeans und T‑Shirt macht einen sehr entspannten Eindruck, dabei ist der Kreuzberger U‑Bahnhof eigentlich ein Hot Spot, ein gefährlicher Ort, vor allem für Leute ohne gültige Papiere. Die Polizei kontrolliert hier besonders scharf.
1999 kam Kofi nach Brandenburg. In Togo wollte er eigentlich Dolmetscher werden. Acht Sprachen beherrscht er. Doch er durfte nicht einmal Abitur machen, weil er sich gegen die dortige Einparteiendiktatur engagierte. Politische Mitstreiter seien plötzlich verschwunden, erzählt Kofi.
Als Asylbewerber bekommt er in Brandenburg Unterkunft und Verpflegung, aber nur in dem ihm zugewiesenen Heim. Was im Juristendeutsch Residenzpflicht heißt, bedeutet im Klartext, dass Kofi den ihm zugewiesenen Landkreis nicht verlassen darf, es sei denn, er beantragt einen Urlaubsschein. “Doch das wird in den meisten Fällen abgelehnt, gerade wenn es sich um persönliche Gründe handelt”, weiß Kofi.
Die Unterkünfte liegen häufig sehr abgelegen in Wäldern und es gibt keinen Kontakt mit der Bevölkerung. Die Leute vereinsamen und werden krank. Die einzige Chance, aus dieser Welt zu fliehen, ist für viele der Fernseher. Dafür muss ein Flüchtling lange sparen.
Kofi bekommt vom Ausländeramt 95 Euro Bargeld und 158 Euro auf einer Chipkarte. An den Auszahlungstagen fährt er ins Heim. Dann füllen sich schlagartig viele Flüchtlingsunterkünfte, ein großer Teil der Bewohner lebt, wie Kofi, nur an diesen Tagen in der Unterkunft.
Seit Februar wohnt er mit in der Berliner Wohnung seiner Freundin. Die Isolation in einer feindlichen Umgebung wollte er nicht mehr ertragen, erklärt Kofi. Auch könne er sich nur in der Stadt in politischen Gruppierungen engagieren. Nicht zuletzt aber wollte er nicht akzeptieren, in seinem “Menschenrecht auf freie Bewegung eingeschränkt zu sein”.
Nun arbeitet er zwar ehrenamtlich in verschiedenen antirassistischen Initiativen und ist dafür viel unterwegs, Geld erhält er dafür allerdings nicht. Für die BVG-Monatskarte gibt ihm seine Freundin die Hälfte dazu. Zwei mal musste er schon Strafe zahlen wegen Verstößen gegen die Residenzpflicht. Das kann zwischen 50 und 2.500 Euro kosten. Beim ersten Mal hat eine Menschenrechtsgruppe für ihn gezahlt, die zweite stottert er gerade in Raten ab.
Wie oft er schon kontrolliert wurde, weiß Kofi nicht genau, mindestens sieben Mal: “Das kann überall passieren, bei C & A, am Bahnhof, auf der Straße. Sie kontrollieren dich, nur weil du schwarz bist. Am Anfang war ich sehr ängstlich. Ich versuchte zum Beispiel, Polizeiautos auszuweichen. Mit der Zeit entwickelst du aber ein Gespür für Gefahr. Wenn ich am Kottbusser Tor das Gefühl gehabt hätte, dass Polizei da ist, hätte ich dich nicht angesprochen.”
Mit der Zeit lasse sich die Polizeistrategie durchkreuzen, erzählt Kofi. “Die kontrollieren nach einem Dresscode. Wenn du gut angezogen bist, glauben sie, dass du ein integrierter, legaler Immigrant bist. Besonders häufig wird man kontrolliert, wenn man Dreadlocks hat oder im HipHop-Style rumläuft.”
Doch Kofi will am Kostümspiel keinen Gefallen finden. “Ich fühle mich immer noch blockiert, dahin zu gehen, wo ich möchte. Besonders das Ausgehen ist schwierig. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal in einer Disco war.”
Er zeigt ein Blatt Papier. Es ist der Ablehnungsbescheid von der Ausländerbehörde. Das Verlassen des Landkreises für einen Kongress gegen Rassismus wird ihm darin untersagt. In der Begründung heißt es, die damit verbundene Einschränkung seiner Meinungsfreiheit habe er hinzunehmen.
Neben den Bescheid hat er einen “Dompass” aus der südafrikanischen Apartheidzeit kopiert. Der untersagte den Schwarzen, ihre Homelands zu verlassen. Für Kofi ist die Verbindung klar: “Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem es eine Residenzpflicht gibt. Ein Südafrikaner würde diese Situation Apartheid nennen.”
*Name von der Redaktion geändert