Der Flüchtlingsrat Brandenburg wendet sich gemeinsam mit einem breiten Bündnis verschiedener Organisationen in einem Appell an die Landes- und Bundespolitik mit der Forderung, noch bis Dezember mindestens 1.000 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus Griechenland in Deutschland aufzunehmen.
Der Flüchtlingsrat ruft die Brandenburger Landesregierung an, ihrem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, sich für die Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen einzusetzen, mit der Aufnahme von geflüchteten Minderjährigen aus Griechenland jetzt Taten folgen zu lassen!
Zum Hintergrund: Bundesinnenminister Seehofer hat den Vorstoß vom Niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius, unbegleitete minderjährige Geflüchtete aus griechischen „Hotspots“ in Deutschland aufzunehmen, am vergangenen Dienstag zurückgewiesen. Aus seiner Sicht unterstütze Deutschland Griechenland bereits mit technischen und finanziellen Mitteln wie auch der Vermittlung von Know-How. Der von Seehofer vorgeschlagene „Kompromiss“ zur Frage einer Aufnahme von 1000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus Griechenland ist aus Sicht des Flüchtlingsrates empörend. Für 50 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollen die Verfahren nun beschleunigt und bei 94 weiteren die Zusammenführung mit Familienangehörigen in Deutschland in die Wege geleitet werden.
„Das Angebot des Bundesinnenministers, 144 Kindern einen Nachzug zu ihren Familien zu ermöglichen, auf den sie ohnehin einen rechtlichen Anspruch hätten, ist nicht mehr als ein Feigenblatt“, erklärt dazu Lotta Schwedler vom Flüchtlingsrat Brandenburg. „Die betroffenen Kinder brauchen Hilfe, keine Placebos.“
Derzeit befinden sich ca. 4.100 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf den griechischen Inseln, davon nur ca. 1000 in kinder- und jugendgerechten Unterbringungsplätzen. Alle Minderjährigen, die nicht hier untergebracht sind – also über 3.000 Kinder und Jugendliche –, leben unter katastrophalen Bedingungen auf der Straße, in Flüchtlingslagern für Erwachsene, sie befinden sich in „Schutzhaft“ oder leben in Zelten oder unter Planen in den Hotspots auf den griechischen Inseln. Hier sind sie ungeschützt vor Gewalt und Ausbeutung, leiden an mangelhafter Versorgung und erhalten kaum anderweitige pädagogische oder rechtliche Unterstützung.
Die Beschleunigung bereits laufender Verfahren von 50 Minderjährigen ist wichtig und dringend notwendig für die betroffenen Kinder und Jugendlichen, doch angesichts der ausufernden kindesrechtsverletzenden Dimensionen in Griechenland und des nahenden Winters eine lächerliche Zahl und als Affront zu werten — zumal es sich überwiegend um Verfahren handelt, die bereits über Monate verschleppt wurden und bei denen die Minderjährigen schon längst einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung haben.
Es scheint grotesk, dass in Deutschland Einrichtungen trotz vorhandener Kapazitäten und Fachpersonal schließen müssen, weil nicht genügend umF untergebracht werden, während über 3.000 Kinder und Jugendliche in Griechenland unter absoluter Missachtung des Kindeswohls unter schlimmsten Umständen verharren müssen.
Mit einem zusätzlichen Musterschreiben im Rahmen der Kampagne #WirHabenPlatz können sich Organisationen, Verbände, Jugendhilfeträger und Einzelpersonen an Landes- und Bundespolitiker_innen wenden und den Appell mit unterstützen.