Günther Beckstein als Hardliner und Provokateur: Auf den 58jährigen Juristen ist Verlass. Der Spruch über dem Torbogen, durch den er an diesem Abend in den vollen Wappensaal marschiert, könnte seine eigen Lebensmaxime beschreiben “Wilhelm wird doch Wilhelm bleiben; obgleich selben aufzureiben, sich die halbe Welt bestrebt. Wilhelm lebt.”
Aus den wilhelminischen Tugenden schöpft Beckstein seine Kraft. Und seine Popularität. Einem wie ihm nehmen die Lübbener ab, dass ihm Ordnung, Fleiß, Rechtstreue und Charakterfestigkeit etwas bedeuten. Der CSU-Mann lässt
sich nicht verbiegen, nicht im Wahlkampf, nicht im Osten, wenn er für den CDU-Kandidaten und Cottbuser Ex-Polizeipräsidenten Jürgen Lüth die Werbetrommel rührt. Beckstein gibt nicht nur den “schwarzen Sheriff”, er ist es. Das macht ihn für Kanzlerkandidat Edmund Stoiber zum idealen Gegenpol zu Otto Schily.
Beckstein ist der Garant für einen harten Kurs in der inneren Sicherheit. Er will die Bundeswehr zur Gefahrenabwehr, und zum Objektschutz Staatsinneren einsetzen, will Schwerkriminelle, bei denen sich erst während der Haft herausstelle, wie “gefährlich sie sind”, ohne dass sie eine weitere Straftat begangen haben, auf Lebenszeit wegschließen können, und er will von allen Sex-Straftätern und Ex-Häftlingen den genetischen Fingerabdruck nehmen lassen. Zudem fordert er, Volkszugehörigkeit und Konfession von
Ausländern systematisch zu erfassen und radikalisierte islamische Vereine zu verbieten. “Ein Ausländer, der nicht Toleranz aufruft, sondern zur Gewalt, kann nicht den Segen des Rechtsstaates haben”, sagt er. Applaus im Saal.
Als bayrischer Innenminister hat Beckstein in Fragen der Asyl- und Sicherheitspolitik schon mehr als einmal bewiesen, dass er Entscheidungen knallhart durchdrückt: Trotz der Proteste und gegen rechtliche Bedenken des Gerichts schob er den damals 14-jährigen, in Deutschland geborenen Serienstraftäter Mehmet ohne Eltern in die Türkei ab. Noch heute ist Beckstein überzeugt, obwohl Mehmet in zwischen zurückkehren durfte, dass das richtig gewesen ist. Bei Mehmet, erklärt er, seien alle Resozialisierungsversuche gescheitert. Hunderttausende habe Mehmet den Staat gekostet. “Es kann nicht sein, dass wir dem, der sich wie wild gebärdet, das Geld hinterherwerfen, während wir den Anständigen sagen müssen, wir haben kein Geld für euch. Umgekehrt müsste das sein” ruft er in den Saal – und bekommt erneut Applaus.
Das Prinzip Becksteins, mit markigen Worten Angst und Instinkte anzusprechen, funktioniert auch im Osten. Je deftiger er in Lübben wettert, desto mehr Beifall erntet er dort. Beckstein kommt ohne geschliffene Rhetorik aus, die sich im Grundsätzlichen verliert. Er, der Bierzelt-Atmosphäre liebt, spricht, wie ihm der Mund gewachsen ist. “Wir haben Hunderttausende, die nicht integriert sind”, erklärt er und schimpft: “Da muss man doch, bevor man neue Leute ins Land holt, erst diese Leute besser integrieren”, zumaI bei vier Millionen Arbeitslosen und bevorstehenden EU-Osterweiterung. Beifall. Oder: “Wer Wände besprüht, putzt und zahlt,” Erneut Applaus. Nur ab und an regt sich Kritik. Den hemdsärmeligen Franken bringt das nicht aus der Fassung. Er freut sich gar, dass so viele Jugendliche an diesem Abend den Weg zu ihm, gefunden haben, wenn vielleicht auch nur aus “Spaß an der Opposition”.
Bedenken, die Bürger äußern, wie dass er den “gläsernen Menschen” schaffen wolle, die Grundrechte einzuschränken gedenke oder unter ihm ein Verdächtiger seine Unschuld wohl erst beweisen müsse statt umgekehrt — das alles wischt Beckstein genauso vom Tisch wie den Einwand eines Lübbeners, der mahnt: “Jeder, ob im NS-Regime oder in der DDR, sagte: Wer sich in unser System fügt, kann freiheitlich leben. Was aber tun Sie, um die zu Demokratie zu stärken?”
Beckstein zieht sich da auf sein Vertrauen in den Rechtsstaat zurück. Und kontert mit Sätzen wie: “Alles, was ich vorgeschlagen habe, ist juristisch völlig unbedenklich” oder “Die Freiheit ist nicht schrankenlos. Wir dürfen den Datenschutz nicht so weit treiben, dass er den Täter schützt.”
Günther Beckstein hält, was von ihm zu erwarten ist. Sein Unionskollege Jürgen Lüth wollte, dass er “klar macht, dass Sicherheit die Grundvoraussetzung für Wachstum ist”. Zuhörer Peter Jung und Katharina Färber wollten indes nur sehen, wie sich Beckstein verkauft. Beckstein hält sich da an Wilhelm: Er bleibt in Lübben, was er ist, so sehr sich einige auch an ihm reiben. Und er lebt. In den Köpfen vieler auch in Ostdeutschland.
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