ZOSSEN Der von Zossens Bürgermeisterin Michaela Schreiber (SPD/offene Liste) und einigen Stadtverordneten angestrebte Trägerwechsel beim Jugendklub Leo wird immer mehr zum Politikum. Bei dem von langer Hand vorbereiteten Coup handelt es sich ganz offensichtlich um einen Schlag gegen die Gruppierung Attac TF, deren Mitbegründer Leo-Chef Rainer Reinecke ist. Während Schreiber dies nach wie vor vehement bestreitet und weiter lediglich eine geplante Änderung der personellen Struktur der Jugendarbeit als Grund angibt, räumt Kommunalpolitiker Christoph Schulze (SPD) den Fakt indessen ganz offen ein.
“Ein Jugendklub muss parteipolitisch neutral geführt werden”, erklärte Schulze gestern auf Anfrage der MAZ. Es dürfe keine Jugendeinrichtung geben, in der Jugendliche mit Rot- oder Schwarzlicht bestrahlt würden oder gar rechtsradikalen oder islamistischen Einflüssen ausgesetzt seien. “Attac ist für mich die 5. Kolonne der PDS”, sagte Schulze. Und es gebe hinreichende Indizien dafür, dass Reinecke als Attac-Aktivist Einfluss auf die Besucher des Leo-Klubs ausübe. “Der Jugendklub ist von Attac unterwandert. Das ist eine allgemein herrschende Meinung”, sagte Schulze.
Attac ist die französische Abkürzung für “Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger”. Globalisierungsgegner haben die Organisation 1998 in Frankreich gegründet. Mittlerweile gibt es Attac-Angaben zufolge weltweit über 90 000 Mitglieder in rund 50 Ländern.
Legale Vereinigung
Allein in Deutschland gebe es 160 Gruppen, heißt es aus dem Attac-Bundesbüro in Frankfurt am Main. Nach Auskunft des brandenburgischen Innenministeriums ist Attac eine legale Vereinigung. Laut Verfassungsschutzbericht ist der Einfluss von Linksextremisten auf die Organisation im Land gering. Der Jugend- und Freizeitverein Leo ist seit mehreren Jahren Träger des Efeuhauses im Zossener Ortsteil Nächst Neuendorf.
Christoph Schulze bestritt, dass es sich bei dem beabsichtigten Trägerwechsel um einen Racheakt an Reinecke handele. “Es ist keine persönliche Angelegenheit”, versicherte der Politiker. “Das wäre ja bedenklich, wenn es so wäre.” Wie berichtet, hatten Reinecke und andere Mitglieder von Attac TF schon im Vorfeld der jüngsten Landtagswahlen im vergangenen Jahr heftige Kritik an der nach wie vor umstrittenen Arbeitsmarktreform HartzIV geübt.
Anfang dieses Jahres dann gipfelte der Protest in der Anlage eines Schwarzbuches, in dem dutzende von besonders brisanten Hartz-IV-Fällen zusammengefasst sind. Attac-Mitstreiter hatten das Buch Landrat Peer Giesecke (SPD) überreicht. Beides sorgte bei den Sozialdemokraten für einigen Wirbel und ziemliche Empörung.
“Man sieht sich immer zweimal”
Als dann Attac-Anhänger am Rande einer Kundgebung mit Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) erneut gegen die Hartz-Reform demonstrierten, hatte Christoph Schulze unter Zeugen zu Rainer Reinicke gesagt: “Man sieht sich immer zweimal im Leben.”
Peer Giesecke erklärte gestern auf Anfrage, der Trägerwechsel sei eine rein kommunale Angelegenheit. Als Landrat könne er dazu nichts sagen. “Persönlich finde ich die Kombination Attac-Mitstreiter und Jugendklubleiter jedoch nicht glücklich”, sagte Giesecke in einem Gespräch mit der MAZ. “Aber das muss Herr Reinicke mit sich selber ausmachen, er muss selber wissen, was er tut”, so der Landrat.
Heftige Kritik übte Giesecke an der Umgangsweise Michaela Schreibers mit den Mitgliedern des Zossener Jugendparlamentes. “Das fand ich nicht in Ordnung”, sagte er. “Da ist ein immenser Schaden entstanden, den wir jetzt begrenzen müssen.” Giesecke kündigte an, sich in Kürze mit den Nachwuchspolitikern treffen zu wollen. Wie berichtet, war Michaela Schreiber den Jugendparlamentariern auf der jüngsten Sitzung des Zossener Hauptausschusses in übelster Weise über den Mund gefahren.
Rainer Reinecke nennt die von Michaela Schreiber ins Feld geführten Argumente nach wie vor fadenscheinig, “sie sind fachlich und sachlich nicht begründet.” Der Leo-Chef versicherte, zu keiner Zeit seine Attac-Aktivitäten mit der Jugendarbeit vermengt zu haben. “Ich nehme an, dass politisch-ideologische Gründe eine Rolle bei Schreibers Plänen spielen”, erklärte er gestern.
Die Stadtverordneten entscheiden am kommenden Dienstag über die weitere Zukunft des Leo-Klubs.