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Antifaschismus

Auf der Stelle treten

Offen­sive sieht anders aus. Der Bran­den­burg­er Lan­desver­band der NPD ver­mag es derzeit nicht, das Niveau der eige­nen Parteiak­tiv­itäten spür­bar anzuheben. Und das, obwohl die Kom­mu­nal­wahlen 2008 lei­dlich erfol­gre­ich waren und die Fusion mit der DVU, die bis 2009 zehn Jahre lang im Land­tag saß, die unmit­tel­bare Konkur­renz aus dem Weg geräumt hat­te. Der NPD-Ver­such, nun richtig durchzus­tarten, ist gründlich miss­lun­gen, wie die schwachen Aktiv­itäten, aber auch ver­schiedene Partei­in­ter­na belegen.

Im Feb­ru­ar 2011 kur­sierte ein Daten­satz mit 60.000 E‑Mails aus dem Innen­leben der Bun­des-NPD. Auch über den Bran­den­burg­er Lan­desver­band war aus dem Mate­r­i­al, das von der Jahresmitte 2010 bis in den Jan­u­ar diesen Jahres reicht, eine Menge zu erfahren.

In der Gesamtschau ergibt sich das Bild eines kleinen, dur­chaus funk­tion­stüchti­gen Lan­desver­ban­des, von dem aber keine großen Sprünge zu erwarten sind. Ständi­ger Per­sonal­man­gel und gegen­seit­ige Miss­gun­st bes­tim­men die Parteiar­beit in Bran­den­burg. Nur ein sehr klein­er, dafür sta­bil­er Kern von Aktiv­en hält den Ver­band immer­hin auf niedrigem Niveau arbeitsfähig.

Lan­desweit 300 Mitglieder

Ein­er inter­nen Finanzüber­sicht aus dem E‑Mail-Satz zufolge hat­te der Lan­desver­band Bran­den­burg im Juli 2010 264 Mit­glieder, aufgeteilt auf sieben Kreisver­bände. Nur 100 der 264 Mit­glieder zahlten den vollen Beitrag, der Rest führte ermäßigte Beiträge ab. Nach den Abgaben an Lan­des- und Bun­des-NPD bleiben für die Kreisver­bände nur zwis­chen 50 und 150 Euro über. Es gibt nicht ein­mal flächen­deck­ende Struk­turen der NPD im Land. In den inter­nen Papieren ist der Kreisver­band Prig­nitz-Rup­pin schlichtweg inex­is­tent, während er auf der Home­page der Partei weit­er­hin aufge­führt wird.

Über­tritte von der zusam­men­brechen­den DVU zur NPD hat es nur in ver­hält­nis­mäßig schmalem Umfang gegeben. Ger­ade mal rund 40 Über­tritte dürften es sein, von denen die Mehrzahl kaum für aktive Parteiar­beit zu mobil­isieren sein wird. Nur vier DVU-Man­dat­strägerIn­nen haben nach der Fusion das Parteibuch im Sinne der NPD gewechselt.

Vor­stand und Parteisoldaten

Aus den E‑Mails geht her­vor, dass die NPD Bran­den­burg für Lan­desvor­stand­sitzun­gen die Berlin­er Bun­desparteizen­trale nutzt. Dort arbeit­et Lan­deschef Klaus Beier und auch andere aus Bran­den­burg stam­mende Parteiak­tive sind dort tätig – etwa Flo­ri­an Stein und Jörg Häh­nel. Seit 2004 ist Klaus Beier Lan­deschef der Bran­den­burg­er NPD und gehört als Press­esprech­er der NPD zum Führungskreis der Bun­despartei. Neben Beier hält vor allem der Vize-Vor­sitzende Ron­ny Zasowk in Bran­den­burg die Fäden zusam­men. Der Cot­tbusser Stadtverord­nete ist beson­ders fleißig in die alltägliche Parteiar­beit involviert, wie das immense Vol­u­men seines E‑Mail-Verkehrs belegt. Zasowk arbeit­et mit­tler­weile auch als per­sön­lich­er Mitar­beit­er des NPD-Abge­ord­neten Andreas Storr im Säch­sis­chen Land­tag. Schlechte Laune machte ihm ein Vor­fall im Juli 2010, über den er sich bei Klaus Beier beklagte: »Die Antifa war bei mir in Cot­tbus zu Hause und hat die Hauswand vollge­sprüht. Toll, nicht? Mein Vater ist begeistert.«

Das Lan­desvor­standsmit­glied Ingo Pan­nier hinge­gen hat seine Parteiak­tiv­itäten inzwis­chen etwas reduziert. Der Ver­sicherungs­mak­ler betreibt mit sein­er Lebens­ge­fährtin Jana Michaelis einen Reit­er­hof in Blum­berg (Barn­im), auf dem 2010 ein Tre­f­fen der neon­azis­tis­chen »Gemein­schaft Deutsch­er Frauen« stat­tfand. Zusam­men mit der Bernauer NPD-Aktivistin Aileen Götze und Mike Sandow, ex-NPD-Kreis­chef, ver­sucht er außer­dem ein »Märkisches Fam­i­lien- und Hil­f­swerk« aufzubauen.

Neben Beier, Zasowk und Pan­nier gehören auch Thomas Salomon, Manuela Kokott, Michel Müller, Sven Haver­landt und Ste­fan Rietz zum Lan­desvor­stand der Partei.

Spa­gat zwis­chen Mil­i­tanz und Bürgernähe

Die Neon­azi­partei NPD kommt auch in Bran­den­burg nicht aus ihrer Haut her­aus. Ihre aktive Mit­glied­schaft rekru­tiert sich aus Neon­azis, die sich schw­er damit tun, ihre Überzeu­gun­gen zu ver­ber­gen. Ihre Herkun­ft aus den nazis­tis­chen Sub­kul­turen und die ver­bre­it­ete Nähe zu den »Kam­er­ad­schaften« tun ihr Übriges.

Neben Zasowk fällt auch Michel Müller (Chef des Kreisver­bands Hav­el-Nuthe) durch das große Vol­u­men sein­er Parteiak­tiv­itäten auf. An sein­er Per­son ver­an­schaulicht sich, dass die Bran­den­burg­er NPD als Teil der mil­i­tan­ten Neon­aziszene gel­ten muss. Müller war in früheren Jahren aktiv bei der 2005 ver­bote­nen Neon­azi-Kam­er­ad­schaft »Hauptvolk« aus Rathenow und saß wegen Bei­hil­fe zu ver­suchtem Mord im Gefängnis.

Ste­fan Rietz, heute im Lan­desvor­stand, war aktiv im 2000 ver­bote­nen ras­sis­tis­chen »Blood & Hon­our« Net­zw­erk. Unter den NPD-Mil­i­tan­ten find­et sich außer­dem der Stel­lvertre­tende Kreisvor­sitzende in der Lausitz, Alexan­der Bode, Haupt­täter der tödlichen ras­sis­tis­chen Het­z­jagd von Guben 1999.
Durch die enge Anbindung an die Bun­deszen­trale ist abgesichert, dass der Bran­den­burg­er Lan­desver­band sich eng am Kurs der Bun­despartei ori­en­tiert. Im Außen­bild soll eine »ser­iöse Radikalität« insze­niert wer­den. Gemeint sind damit vor allem pop­ulis­tis­che Phrasen gegen »Glob­al­is­mus« und »Über­frem­dung« bei möglichst kon­se­quenter Ver­mei­dung von offen­sichtlichem Neon­azis­mus. Träumereien vom »Deutschen Reich« sollen nicht pub­lik wer­den, um eine bre­it­ere Wählbarkeit zu erre­ichen. In der lan­desweit­en Agi­ta­tion­szeitung »Wahrheit für Bran­den­burg«, von der immer­hin zwei Aus­gaben erschienen sind, ist diese Strate­gie deut­lich erkennbar. Als vor­bildlich für die Parteiar­beit wurde über Monate die »bürg­er­na­he« Kam­pagne »Schule statt Rathaus« in Schöne­iche benan­nt. Und doch endete sie mit ein­er Pein­lichkeit: 1147 Unter­schriften für ein entsprechen­des Bürg­er­begehren woll­ten die NPD-Kad­er Antje Kot­tusch und Andreas Kavalir in der Kle­in­stadt nahe Berlin gesam­melt haben. Dann kam aber her­aus: Gle­ich ein Drit­tel der Ein­träge waren fehler­haft, sog­ar eine erhe­bliche Anzahl von Mehrfachunter­schriften wollte die NPD unter­mo­geln. Damit war die Min­destzahl von Unter­schriften für ein gültiges Bürg­er­bege­hen ver­fehlt – aus der Vor­bild­kam­pagne war ein Flop geworden.

Im Mai 2011 wurde in Sprem­berg eine NPD-Demon­stra­tion durchge­führt, die eine »Anti-Abwan­derungskam­pagne« ein­läuten sollte. Mot­to und Aufruf­text entsprachen ganz der »ser­iös radikalen« Parteilin­ie: Durch die EU-Poli­tik wür­den die neuen Bun­deslän­der Schaden nehmen und nur die NPD könne das Prob­lem durch Rena­tion­al­isierung lösen. Die Demo selb­st machte dann jedoch ein anderes Bild: Die Teil­nehmerIn­nen brüll­ten vor allem eine Parole: »Wer hat uns ver­rat­en? Die Demokrat­en! Wer macht damit Schluss? Nationaler Sozial­is­mus!« Oben­drein drän­gel­ten sich vor das frischge­druck­te NPD-Front­trans­par­ent Kam­er­ad­schaftsmit­glieder mit einem eige­nen, the­men­frem­den Trans­par­ent: »Natur und Heimat schützen«. Unter den »Kam­er­ad­schaftern«, die da die Spitze des Parteiaufzugs geen­tert hat­ten, befand sich Markus Noack, NPD-Kreisverord­neter aus der Region.

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