(MAZ, Annika Schürer) BRÜCK “Deutsche Freunde habe ich noch nicht gefunden. Aber in der Schule sind alle sehr nett zu mir”, sagt Kristina Kool. Mit ihren großen blauen Augen schaut die 16-Jährige etwas verlegen auf den Boden. Dafür, dass sie erst vor zehn Monaten aus Russland nach Deutschland übersiedelte, versteht sie die deutsche Sprache recht gut. Doch es fällt ihr noch schwer, sich in der neuen Sprache auszudrücken.
Das Aussiedlermädchen aus Tscheljabinsk wohnt seit einiger Zeit mit ihrer Familie in Brück. Sie und ihre jüngere Schwester Irina gehen dort zur Schule. Leicht ist es für Kristina nicht. Die Sprachbarriere und das Heimweh
machen ihr zu schaffen. “Ich vermisse meine Freunde und Großeltern, schade, dass sie nicht zu uns nach Deutschland kommen können”, sagt sie.
Kristinas Eltern bemühen sich derzeit um einen Sprachkurs, erst danach versprechen sie sich Chancen auf dem ohnehin schwierigen deutschen Arbeitsmarkt. Außerdem müssen noch Dokumente wie Führerschein, Zeugnisse, Geburts- und Heiratsurkunden ins Deutsche übersetzt werden. Der Aufwand
lohnt sich, da ist sich Kristinas Vater sicher. Deutschland bedeute für die Familie eine neue Chance. Die wirtschaftliche und soziale Situation in Russland sei ohne jede Perspektive, sagt er.
Viele Aussiedler nutzen die Chance, nach Deutschland überzusiedeln. Wer eine deutsche Abstammung nachweisen kann, versucht auszuwandern. Kriegs- und Hungerjahre veranlassten deutsche Siedler zurzeit der napoleonischen Herrschaft, ihre Heimat zu verlassen und der Anwerbung des russischen Zaren
zu folgen. Viele von ihnen wurden von den Kommunisten während des Zweiten Weltkrieges nach Kasachstan zwangsumgesiedelt.
Nachdem im 18. Jahrhundert hunderttausende Deutsche nach Russland umsiedelten, kehrten nach Angaben des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zwischen 1950 und 2001 mehr als zwei Millionen Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion zurück.
Für die Spätaussiedler ist es nicht einfach, sich in der Heimat ihrer Vorfahren eine Zukunft aufzubauen. Kristinas Eltern, Schwester Irina und sie selbst wohnten zuerst in einem Aussiedlerlager in Friedland. Solch ein Heim ist oft die erste Station für russlanddeutsche Einwanderer. Nach ein paar Monaten bekam die Familie ein neues Zuhause im einstigen NVA-Wohngebiet Brück-Ausbau. Dort leben bereits mehrere Aussiedlerfamilien.
Wenn Kristina Zeit hat, spielt sie mit ihren Freundinnen Fußball. Täglich besucht Nachbarin Julia Willmann Kristinas Mutter. Auch sie siedelte mit ihrem Mann und Sohn Ilja von Russland nach Deutschland um. Nach Aufenthalten in Friedland und Peitz lebt die Familie jetzt in Brück. Seit einem Jahr
warten die 24-Jährige und ihr Mann auf einen Sprachkurs.
“Morgen fliege ich nach Russland, um meine Eltern zu besuchen”, sagt sie. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Lange wurde für die Reise gespart. Ihr Mann Eugen und der zweieinhalbjährige Sohn werden in Deutschland auf sie
warten, denn für die ganze Familie reicht das Ersparte nicht. “Ich werde in der Zeit ein bisschen an unserem Auto herumbasteln”, sagt Eugen. In Russland arbeitete er als Kraftfahrer. Im Sommer soll dann endlich der Sprachkurs
beginnen. “Deutschland ist in Ordnung, wir haben alles, was wir brauchen”, sagt er.
Zum Glück fehlt nur noch eine Arbeitsstelle. Brück soll für die Familie nur eine Zwischenstation sein. “Sobald es sich ergibt, ziehen wir nach Köln”, sagt Julia. “Da leben Verwandte und Freunde. Vielleicht werden Eugen und ich
dort auch Arbeit finden.”