Auf Grenzpatrouille an Oder und Neiße
Gefährliche Nachtschicht beim Bundesgrenzschutz
Forst — Es ist so dunkel, dass man die Hand kaum vor Augen sieht. Mit Hilfe von Nachtsichtgeräten bahnen sich Polizeihauptkommissar Matthias Krippstädt und Obermeister Christian Lobedan einen Weg durchs Gestrüpp. Sie gehen Streife an der deutsch-polnischen Grenze. Ein Stück weiter beginnt Sachsen. Die Beamten von der Bundesgrenzschutzinspektion Forst sind am südlichsten Punkt ihres Grenzabschnitts und am Beginn ihrer nächtlichen Tour.
Über ein Wehr rauscht die Neiße der Oder entgegen. Niemand würde vermuten, dass Schleuser hier illegale Einwanderer oder Schmuggler unverzollte Zigaretten über den Fluss bringen. Zu gut ist das Wehr mit Stacheldraht gesichert, den man im Licht einer Laterne auf polnischer Seite sieht. Doch dann schaltet Lobedan die Stabtaschenlampe ein. Im Wasser liegen große Steine vorm Wehr. Der Grenzübertritt wäre hier ein Spaziergang.
«Normalerweise bleibt das Licht aus, damit wir nicht entdeckt werden», sagt der Obermeister. «Aber heute wollen wir nur Präsenz zeigen.» Von 22 bis 5 Uhr kontrollieren sie die 50 Kilometer lange «grüne Grenze» im Bereich der Inspektion Forst und das Hinterland.
Ein paar Schritte geht es vom Grenzzeichen 311 flussabwärts. Plötzlich ein Schnauben. Im Dunkeln klingt jedes Geräusch gefährlich. Dann taucht eine Rotte Wildschweine im Lichtkegel auf. «Etwas unheimlich ist das. Aber es ist noch kein Beamter von Wildschweinen angegriffen worden», so Krippstädt.
Weiter geht es über erstaunlich gute Wege nach Norden. Jedes Auto ist verdächtig. Doch ein vorausfahrender Opel entpuppt sich als Zoll-Streife. «Die gut ausgebauten Wege sind für uns ein Problem», sagt Krippstädt. «Mit dem Auto sind Illegale und Schmuggler schnell verschwunden.»
Auch sonst haben Schleuser und Schmuggler aufgerüstet. Krippstädt: «Die haben auch Nachtsichtgeräte, klären unsere Streifen und Beobachtungspunkte auf und tüfteln immer neue Wege aus.» Die Zeiten von überfüllten, auffällig tiefhängenden Kleintransportern sei vorbei. Kleine, flexible Gruppen bestimmen heute das Bild.
«Mitte der 90er Jahre haben wir in Forst noch 45 Illegale aus einem Bungalow geholt und 26 aus einem Kleinlaster», so Krippstädt. Der Stadtpark Forst, die Laubenkolonie «Morgenröte», der Brückenkopf in Kleinbademeusel — fast jeder Grenzabschnitt ist für die Beamten mit Aufgriffen verbunden. Spuren am Ufer zeugen davon, dass der illegale Grenztourismus nicht abreißt. Sauer sind die Grenzschützer, wenn sie vor diesem Hintergrund als Menschenjäger diffamiert oder für Todesfälle an der Grenze verantwortlich gemacht werden. «Ich habe an der Grenze noch keinen Toten gesehen», so Krippstädt, der seit sechs Jahren beim BGS ist. Die 60 Toten, die es im Land zwischen 1993 und 2001 an der Grenze gab, vermutet er vor allem in den ersten Jahren, als die Schleuser «Anfangsfehler» begingen und die Menschen bei zu großer Kälte und zu starker Strömung übers Wasser bringen wollten. Mit den Illegalen fühlt er durchaus mit. «Wenn ich in deren Lage wäre, würde ich auch um jeden Preis versuchen, nach Deutschland zu kommen.» Deshalb haben es die Grenzschützer vor allem auf die Schleuser abgesehen, die sich am Elend der Flüchtlinge bereichern.
Um mit den Schleusern mitzuhalten, rüstet der BGS ständig auf. Mit Wärmebildkameras machen sie die Nacht zum Tag. Heute sitzen die Obermeister Marek Krüger und Rene Kunz vorm Monitor im Kamerawagen und schauen bis zu fünf Kilometer tief ins Land. Jedes Reh ist auf dem Bildschirm zu sehen. Unterstützt werden die Deutschen von Korporal Krysztof Matrunionek vom polnischen Grenzschutz.
Als Lobedan und Krippstädt den Kamerawagen verlassen, platscht es plötzlich am Ufer. Das Nachtsichtgerät vor Augen, gehen sie in Deckung. «Nur ein Tier», kommt per Funk die Entwarnung.
In dieser Nacht geht kein Grenzverletzer ins Netz. Während sich nebenan im Tagebau Jänschwalde der hell erleuchtete Abraumbagger in Richtung Horno frisst, bleibt an der Neiße alles ruhig.