(Berliner Zeitung, 15.2.) POTSDAM. Nicht nur Fernsehsender sind auf die Quote fixiert, auch ein
Innenminister wie Jörg Schönbohm (CDU) ist es. Der Minister tat am Montag
kund, dass die Quote der aufgeklärten Verbrechen im Jahr 2004 abermals
gestiegen ist und nun mit 58,6 Prozent schon nahe an der bayerischen
Spitzenquote von 64,7 Prozent liegt. Allerdings muss Schönbohm in den
kommenden fünf Jahren wegen der angespannten Haushaltslage 910
Polizistenstellen abbauen. Das, so fürchtet der Ex-General, werde ihm die
Quote bald verhageln. “Die Aufklärungsquote bleibt aber der Maßstab”, sagte
Schönbohm. Niemals dürfe der Stellenabbau dazu führen, dass die
Aufklärungsquote so niedrig ausfalle wie etwa in Schleswig-Holstein. In
jenem Flächenland, wegen ähnlicher Bevölkerungszahl und Struktur gerne mit
Brandenburg verglichen, betrage die Aufklärungsquote nur 47,7 Prozent, so
Schönbohm. “Das ist für uns nicht der richtige Maßstab.” Er habe nun in
Absprache mit den Gewerkschaften Arbeitsgruppen eingerichtet, um insbesonder
e die Anzahl der Polizeiwachen, den Schichtdienst, die Zentralen Dienste der
Polizei sowie die Lagedienste zu überprüfen.
Die Gesamtzahl der Straftaten ist gegenüber dem Vorjahr um 2,5 Prozent auf
239 508 Delikte zurückgegangen. Diebstähle und Straßenkriminalität gingen um
jeweils fünf Prozent zurück, Brandstiftungen um 23,3 Prozent. Besonders
auffällig ist der Rückgang beim Tankbetrug um 23,6 Prozent. “Das liegt an
der Videoüberwachung der Tankstellen”, sagte Schönbohm.
Diese Erfolge werden allerdings dadurch konterkariert, dass die Zahl der
Gewalttaten auch im vergangenen Jahr angestiegen ist — um 1,9 Prozent auf 5
360 Fälle. Besonders dramatisch: Im abgelaufenen Jahr gab es 68 Totschläge
gegenüber 55 solcher Tötungen im Jahr davor — ein Anstieg um 23,6 Prozent.
Und auch die Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern sind um 15,4
Prozent auf 488 Fälle gestiegen. Nahezu jeder zweite Gewalttäter ist jünger
als 21 Jahre, und auch 76 Prozent der Opfer von Sexualstraftaten waren noch
nicht einmal 21 Jahre alt. Schönbohm kündigte an, dass er gemeinsam mit
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) eine Ausweitung von DNA-Analysen
gesetzlich vorantreiben werde.
Die Kriminalität insgesamt habe nach der EU-Osterweiterung nicht zugenommen,
sagte Schönbohm und lobte die Anstrengungen der Polen. Roger Höppner,
Kriminaldirektor im Innenministerium, verwies aber auf eine Zunahme der
organisierten Kriminalität, zum Beispiel bei Rauschgifthandel oder
Fahrzeug-Verschiebung. Insgesamt gab es 16 solcher Tatkomplexe, 13 davon
wiesen internationale Bezüge auf, so Höppner.