(MAZ) HALBE Zum zweiten Mal seit 1991 könnten am kommenden Sonnabend anlässlich des
Volkstrauertags Hunderte Neonazis am größten deutschen Soldatenfriedhof in
Halbe (Dahme-Spreewald) aufmarschieren. Sollten die Gerichte mit Verweis auf
das Grundrecht der Versammlungsfreiheit die Kundgebung genehmigen, erwartet
die Polizei eine größere Demonstration als im vergangenen Jahr, so der
Sprecher des Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder), Peter Salender. Im November
2003 hatten sich etwa 600 Rechtsextreme in Halbe versammelt. Die Polizei
hat, wie in den Vorjahren, die diesjährige Kundgebung der Neonazis unter dem
Motto “Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten und den €päischen
Freiwilligen” zunächst verboten.
Nach Salenders Angaben rechnet die Polizei neben bis zu 800 Rechtsextremen
mit etwa 2500 Gegendemonstranten. Um gewalttätige Ausschreitungen wie vor
zwei Wochen in Potsdam zu unterbinden, sei das Kontingent der
Polizeibeamten, die aus Brandenburg und drei weiteren Ländern stammen,
“deutlich aufgestockt” worden. In Potsdam waren etwa 1200 Beamte im Einsatz
gewesen, 18 waren von militanten Linksextremisten verletzt worden.
Bei der Kundgebung in Halbe wird sich die Polizei nicht nur auf Attacken
links‑, sondern auch rechtsextremer Demonstranten vorbereiten. Nach der
Erfahrung von Potsdam, als die Neonazis entgegen ihrer Planung auf ihren
Marsch durch die Innenstadt verzichteten und sich mit einer Ausweichstrecke
begnügen mussten, hat das Aggressionspotential unter den Rechtsextremen
möglicherweise zugenommen.
Nach Einschätzung des brandenburgischen Verfassungsschutzes verfolgen die
Neonazis mit ihren Kundgebungen in Halbe eine Strategie. Die
Rechtsextremisten um den 48 Jahre alten Hamburger Christian Worch, der auch
Versammlungsleiter der Potsdamer Demonstration war, würden versuchen, “sich
den Waldfriedhof Halbe symbolisch anzueignen”. Erprobt worden und
aufgegangen sei Worchs Konzept bereits bei den Kundgebungen in Wunsiedel
(Bayern). Im Jahr 2001 seien 900 Neonazis am Grab von Hitlers Stellvertreter
Rudolf Heß aufmarschiert, ein Jahr später seien es bereits 2000
Rechtsextremisten gewesen. Vermutlich ist dieser Prozess in Halbe jedoch
zumindest unterbrochen worden. Auf dem Parkplatz vor dem Waldfriedhof können
die Rechtsextremen in diesem Jahr keine Blumen und Kränze mehr niederlegen.
Der Parkplatz wurde vor zwei Wochen als Teil des Friedhofs eingefriedet und
ist nun für Demonstrationsteilnehmer tabu.
Für die Gegendemonstranten ist dies längst kein Grund zur Genugtuung. “Man
kann den Braunen doch nicht die Straße überlassen”, betonte Karin Weber. Die
Kreisvorsitzende der PDS im Landkreis Dahme-Spreewald ist eine der
Initiatoren des friedlichen Gegenprotests. Weber hatte auch schon im Jahr
2002 gegen Rechtsextremismus demonstriert, als das Bundesverfassungsgericht
die Kundgebung der Neonazis in Halbe letztinstanzlich verboten hatte. Nach
diesem Urteil, analysierte damals der Verfassungsschutz, dürften
“Heldengedenkfeiern” in Halbe “ein für alle Mal der Vergangenheit
angehören”.
Der Versuch, den Volkstrauertag in “Heldengedenktag” umzubenennen, geht auf
die Nationalsozialisten zurück. Am “Heldengedenktag” 1940 präsentierte
Hitler die Gefallen des Ersten Weltkriegs als Vorbilder, die “bereit waren,
sich selbst aufzugeben, um der Gemeinschaft das Leben zu erhalten”.
Polizei untersagt Aufmarsch Rechtsradikaler in Halbe
Verwaltungsgericht muss nun über Verbot entscheiden
(Berliner Zeitung, Katrin Bischoff) HALBE/FRANKFURT (ODER). Das am Vortag des Volkstrauertages für kommenden
Sonnabend geplante “Heldengedenken” von Rechtsradikalen vor dem Waldfriedhof
in Halbe (Dahme-Spreewald) ist von der Polizei verboten worden. In der
Begründung heißt es, der Friedhof strahle mit seiner Bedeutung auf den
gesamten Ort aus. Das sei mit einem solchen Aufmarsch nicht zu vereinbaren.
Der Anmelder, der Hamburger Neonazi Lars J., hat gegen das Verbot Klage beim
Verwaltungsgericht Cottbus eingereicht. “Die Kammer wird vermutlich am
Dienstag darüber entscheiden”, sagte Gerichtssprecher Matthias Vogt am
Montag.
“Sollte das Gericht das Verbot aufheben, werden wir weitere rechtliche
Schritte einleiten”, sagte Peter Salender, der Sprecher des
Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder). Das bedeutet, dass dann das
Oberverwaltungsgericht in letzter Instanz über ein Verbot entscheiden wird.
Sollte der Aufmarsch erlaubt werden, so sei die Polizei vorbereitet. “Wir
werden mit deutlich mehr Beamten als im Vorjahr in Halbe vertreten sein”,
sagte Salender. 2003 waren rund 1 200 Polizisten in Halbe im Einsatz.
Laut Polizei gibt es für Sonnabend drei angemeldetete Gegendemonstrationen:
zwei von der PDS, eine von einer linken Gruppe. “Wir rechnen für den Fall,
dass der Aufmarsch genehmigt wird, mit 600 bis 800 Rechtsradikalen und 2 500
Gegendemonstranten”, sagte Salender. Ziel der Polizei werde es sein, beide
Lager örtlich streng voneinander zu trennen. Zudem seien für den
rechtsradikalen Aufmarsch bereits Auflagen erteilt worden. So sei das Tragen
von Uniformstücken nicht gestattet. “Auch Kränze und Blumengebinde sind
nicht erlaubt, ebenso das Laufen im Gleichschritt sowie Marschmusik”, sagte
Polizeisprecher Salender.
Zudem dürfen die Teilnehmer der rechtsradikalen Demonstration auch nicht
mehr bis zum einstigen Parkplatz vor dem Waldfriedhof laufen, um dort ihre
Abschlusskundgebung durchzuführen. “Der Platz wurde umgewidmet, ist nun
selbst Teil des Friedhofes. Daher wird der Aufmarsch schon sehr viel eher
enden”, sagte der Polizeisprecher.
Der Waldfriedhof in Halbe ist der größte Soldatenfriedhof in Deutschland.
Auf ihm sind etwa 22 000 Sodaten und Zivilisten bestattet, die im Frühjahr
1945 bei einer der letzten Kesselschlachten des Zweiten Weltkrieges ums
Leben kamen. Nachdem dort zehn Jahre lang rechtsradikale Aufmärsche verboten
worden waren, durften im vorigen Jahr erstmals wieder rund 600
Rechtsradikale durch Halbe ziehen. Laut Polizei haben Rechtsradikale bereits
bis zum Jahr 2020 Aufmärsche in Halbe angemeldet.