3. Dezember 2016 · Quelle: Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt des Utopia e.V.

Aufruf zur Prozessbeobachtung in Frankfurt (Oder)

Seit dem 26. Oktober wird am Amtsgericht Frankfurt (Oder) wegen eines rassistischen Übergriffs auf fünf syrische Geflüchtete im März 2015 verhandelt. Im Gerichtsgebäude wurden Prozessbeobachter*innen im bisherigen Verlauf bedroht und eingeschüchtert. Die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Frankfurt (Oder) ruft für den 7. und 20. Dezember zur Beobachtung der weiteren Verhandlungstage auf.

Seit dem 26. Okto­ber wird am Amts­gericht Frank­furt (Oder) wegen eines ras­sis­tis­chen Über­griffs auf fünf syrische Geflüchtete im März 2015 ver­han­delt. Bis auf eine Ein­las­sung kam es zu kein­er weit­eren Aus­sage der neun Angeklagten. Im Gerichts­ge­bäude wur­den Prozessbeobachter*innen im bish­eri­gen Ver­lauf bedro­ht und eingeschüchtert. Die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Frank­furt (Oder) ruft für den 7. und 20. Dezem­ber zur Beobach­tung der weit­eren Ver­hand­lungstage auf.
In der Nacht vom 20. auf den 21. März 2015 kam es zu einem bru­tal­en, offen­sichtlich ras­sis­tisch motivierten Über­griff im Frank­furter Stadt­teil West. Zuvor ver­bracht­en neben den neun Angeklagten auch fünf syrische Asyl­suchende den Abend in ein­er Shisha-Bar im Neubauge­bi­et Neu­beresinchen. Im Zuge ein­er dort stat­tfind­en­den Geburt­stags­feier skandierten zahlre­iche Gäste ras­sis­tis­che und ein­deutige rechte Parolen und riefen zu Gewalt gegen die im Wohn­heim Oder­land­kaserne unterge­bracht­en Geflüchteten auf. Der Betreiber der Shisha-Bar ver­ständigte daraufhin die Polizei. Nach deren Ein­tr­e­f­fen und der Sondierung der Lage wur­den keine weit­eren polizeilichen Maß­na­hen gegen die teil­weise alko­holisierten und aggres­siv­en Gäste vorgenom­men. Als die fünf syrischen Gäste nach Hause liefen, wur­den sie von den neun mut­maßlichen Täter*innen ver­fol­gt und später zwei von ihnen mit ein­er Eisen­stange, Schlä­gen und Trit­ten angegriffen.
Die Staat­san­waltschaft Frank­furt (Oder) wirft den neun 19 bis 25 Jahre alten Angeklagten gemein­schaftliche gefährliche Kör­per­ver­let­zung, das Ver­wen­den von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tio­nen und Volksver­het­zung vor. Am ver­gan­genen Mittwoch fand der mit­tler­weile 5. Ver­hand­lungstag des Prozess­es statt. Im Zuge der Beweisauf­nahme wur­den zahlre­ich Zeug*innen gehört. Darunter Polizeibeamt*innen, Gäste und Mitarbeiter*innen der Shisha-Bar, sowie Anwohner*innen, die per Notruf die Polizei über verdächtige Geräusche und den Über­griff informierten.
Bis auf eine Per­son schwiegen die weit­eren acht Angeklagten bish­er zu den Vor­wür­fen. In sein­er Ein­las­sung gab der geständi­ge Beschuldigte Fabi­an S. zwar zu, an der Tat beteiligt gewe­sen zu sein, einen konkreteren Tather­gang kon­nte er auf­grund von ver­meintlichen Erin­nerungslück­en jedoch nicht schildern. Des Weit­eren beschuldigte er die Betrof­fe­nen, sich in der Bar „daneben benom­men zu haben“ und selb­st pro­vokant aufge­treten zu sein. Was die Beklagten als provozierend emp­fan­den, schilderte ein als Zeuge geladen­er Bere­itschaft­spolizist, der die Vernehmungen nach den Fes­t­nah­men leit­ete. Dass die syrischen Gäste in der Bar mit einem 50€-Schein bezahlten und Smart­phones besitzen, führte laut Vernehmungsaus­sage des Beschuldigten Dan­ny J. zu den ras­sis­tis­chen Belei­di­gun­gen und Ein­schüchterun­gen durch die Angeklagten. Eben jen­er Beschuldigte gab in der Vernehmung auch ein umfassendes Schuldeingeständ­nis ab und nan­nte den vernehmenden Beamt*innen nach sein­er Fes­t­nahme alle Beteiligten beim Namen. Aus den Vernehmungen ergaben sich neben eini­gen ent­las­ten­den Aus­sagen auch weit­ere Beschuldigun­gen der Angeklagten untere­inan­der. Min­destens zwei der Beschuldigten sind zudem wegen recht­en Delik­ten ein­schlägig vorbe­straft. Der Angeklagte Steven S. befind­et sich außer­dem seit Län­gerem in Untersuchungshaft.
Nach den bish­eri­gen Beobach­tun­gen scheint die Staat­san­waltschaft und das zuständi­ge Gericht ein ras­sis­tis­ches Tat­mo­tiv der Angeklagten zu berück­sichti­gen. Am näch­sten Ver­hand­lungstag wer­den dann die Abschlussplä­doy­ers der Anwälte erwartet. Auch die Jugendgericht­shil­fe soll Ein­schätzun­gen zu den Beschuldigten abgeben. Ob es am 20. Dezem­ber schon zu ein­er Urteilsverkün­dung kommt, ist unklar und hängt davon ab, ob noch weit­ere Beweisauf­nah­men getätigt wer­den müssen.
In den vorheri­gen Ver­hand­lungsta­gen kam es zu ein­deuti­gen Belei­di­gun­gen und Ein­schüchterun­gen gegen Prozessbeobachter*innen durch Neon­azis im Pub­likum. Wir als lokale Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt rufen nicht nur deshalb zu ein­er weit­eren Beobach­tung des Prozess­es auf. Wir möcht­en den Betrof­fe­nen unter­stützend und sol­i­darisch zur Seite ste­hen und darauf hin­weisen, dass es im Zuge der ras­sis­tis­chen Mobil­isierun­gen der let­zten zwei Jahre einen spür­baren Anstieg ras­sis­tisch- und rechtsmo­tiviert­er Gewalt in Frank­furt gibt.
 
Die weit­eren Ver­hand­lungstage im Überblick:
07. Dezem­ber 2016, 09:00 Uhr, Saal 007
20. Dezem­ber 2016, 09:00 Uhr, Saal 007
im Amts­gericht Frank­furt (Oder), Müll­ros­er Chaussee 55, 15236 Frank­furt (Oder)
 

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