In Potsdam wird eines der vielen leerstehenden Häuser derzeitig von einer Gruppe Jugendlicher als Wohn- u. Lebensraum genutzt. Wir gehen an die Öffentlichkeit, um auf unsere prekäre Situation aufmerksam zu machen.
Das Haus steht seit Jahren leer und wurde von uns in einen weitestgehend bewohnbaren Zustand gebracht, um u.a. einen weiteren Verfall zu verhindern. Nun soll das Haus – in dem wir uns wohl und zuhause fühlen — abgerissen werden, sodass nicht nur Wohnraum im Allgemeinen, sondern speziell „unser“ Wohnraum zerstört wird.
Bereits am 1.Mai wurde durch eine symbolische Hausbesetzung in der Charlottenstraße auf die alarmierende Wohnraumproblematik in der Stadt hingewiesen.
Euer Potsdam
Potsdam als aufblühender, beliebter Touristenort ist auf das Image bedacht. Um dieses Bild zu bedienen wird seit Jahren eine massive Verdrängungspolitik betrieben. Das Flüchtlingsheim und die Obdachlosenunterkunft befinden sich weit entfernt am infrastrukturell eher ländlich geprägten Lerchensteig. Häufig müssen finanziell schlechter gestellte Menschen aus der Innenstadt in die zentrumsfernen Plattenbaugebiete ausweichen. Zahlreiche Sanierungsmaßnahmen und das bewusste Zurückhalten von unsanierten Altbauwohnungen zum Zwecke der Immobilienspekulation verringern den Anteil möglichen billigen Wohnraumes gegenüber teuren Wohnungen. Dadurch werden Stadtteile wie Babelsberg heute – anders als vor zehn Jahren — hauptsächlich von einem zahlungskräftigen Klientel bewohnt. Zwangsumzüge oder gar Zwangsräumungen sind mittlerweile in Potsdam allgegenwärtig und forderten bereits einen erfrorenen Menschen. Obwohl viele Wohnungen und Häuser nach wie vor ungenutzt sind und zusehends verfallen.
Hinzu kommt ein Klima in der Stadt, das Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Äußeren und/ oder einer anderen Lebensweise bedroht und beschneidet. Um eine Gegenkultur zu schaffen, die den Menschen offen steht, ist es notwendig, alternatives Leben zuzulassen.
Aus den ehemals besetzten Häusern erwuchs eine Kultur, die sozial, multikulturell und weltoffen ist. Wichtige Kulturprojekte gingen aus den Häusern hervor, sei es das „Kunstwerk“, die „Fabrik“, das „Waschhaus“, das „Archiv“, das „Casino“ an der Fachhochschule, das „La Leander“ oder die Kollektivkneipe „Olga“ und der Buchladen „Sputnik“. Die alternative Kultur und die alternativen Lebensformen sorgen für die Vielfältigkeit Potsdams und müssen daher unterstützt und gefördert werden.
Angesichts des chronischen Geldmangels ist fraglich warum einerseits das Stadtschloss und die Garnisonskirche wieder aufgebaut werden sollen, andererseits aber massiv im Sozialwesen, Kultur- und Bildungsbereich gekürzt wird.
Der Brisanz von Rechtsextremismus und Rassismus wird offensichtlich mit einer eher passiven Haltung entgegengetreten. Bei zahlreichen Menschen besteht der Eindruck, dass es gerade aus den besetzten Häusern heraus ein entschiedeneres Engagement gegen Rechtsextremismus gab.
Welche Chancen werden wir in Zukunft haben, uns – unabhängig unserer finanziellen Möglichkeiten – gleichberechtigt am Leben in dieser Stadt zu beteiligen? Aus dieser Situation heraus wächst bei vielen Menschen das Gefühl der Perspektivlosigkeit.
Momentan gibt es für uns einfach keine Alternative um uns zu entfalten.
Wir wollen selbstbestimmt leben. Dazu gehören beispielsweise die Wahl des Wohnortes, als auch die Art des Wohnens.
Wir wollen mit unserer Gemeinschaft eine Basis für ein zukünftiges Zusammenwohnen schaffen, dabei wollen wir weiterhin in unserem Sozialraum leben. Es ist schlichtweg nicht möglich für unsere Wohngemeinschaft finanzierbaren und passenden Wohnraum zu finden,
der Platz für kulturelles, politisches und gesellschaftliches Engagement bietet.
Wir wollen, dass sich die Stadt und die Öffentlichkeit mit den genannten Problemen auseinander setzen, sowie eine öffentliche Debatte anregen!
Wir wollen, dass Potsdam für uns lebenswert ist und bleibt!
Email: wirwollenleben@yahoo.de
Telefon: 0163 / 49 35 930