Niederlage für Neonazis in Lübben, Brandenburg
Rechter Treff wird aufgekauft und abgerissen. Breites Bündnis gegründet
Am vergangenen Samstag marschierten 350 Neonazis durch Lübben in Brandenburg, um gegen die Auflösung eines illegalen Konzertes Anfang Januar zu protestieren. Das von ihnen selbst als »Soli-Feier von Jugendlichen« bezeichnete Konzert fand im »Bunker 88« statt, einem überregional bekannten Treffpunkt der rechten Szene. Eine Polizeistreife wurde in der Nacht vom 12. auf den 13. Januar auf die illegale Versammlung aufmerksam. Als Beamte einer Spezialeinheit des Landeskriminalamtes Brandenburg die Anwesenden dazu aufforderten, das Gelände zu verlassen, wurden sie mit Steinen und Flaschen beworfen. Einige der Neonazis folgten schließlich dem Aufruf des LKA, 50 verbarrikadierten sich. Erst einem alarmierten Spezialeinsatzkommando (SEK) aus Potsdam gelang es, das Gebäude zu stürmen und die Veranstaltung zu beenden. Die Neonazis kamen aus Brandenburg, Berlin, Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern.
In den neun Jahren, die der »Bunker 88« mittlerweile existiert, sei er zu einem »Neonazi-Zentrum für Südbrandenburg und Nordsachsen« geworden, so die Landtagsabgeordnete Karin Weber (Die Linke) gegenüber der jungen Welt. 2006 und 2007 hat die Polizei acht Veranstaltungen im Bunker registriert, vier davon aufgelöst. Lübbens Bürgermeister, Lothar Bretterbauer (CDU), beziffert den harten Kern der Lübbener Nazi-Szene auf etwa 20 bis 30 Personen. Es gebe zudem ein sympathisierendes Umfeld von bis zu 80 Personen. Diese träfen sich regelmäßig im Bunker.
Ziel Bretterbauers ist es, daß der Bunker »zur Kommunalwahl nicht mehr steht«. Am vergangenen Donnerstag konnten sich die Stadtverordneten dazu durchringen, erstmals offensiv gegen den Klub vorzugehen: Die Stadt wird die alte Brauerei, in der sich der Klub befindet, kaufen und abreißen. Auf dem ehemaligen Industriegelände soll dann ein Wohngebiet entstehen. Einen Bebauungsplan gibt es bereits. Der Preis für das Grundstück sei ein wenig höher als der Marktwert, doch man habe sich einigen können. Alle Mietverträge wurden gekündigt, die letzte Frist läuft Ende Juni aus. Bretterbauer will, »daß sich die Szene nicht zur Ruhe setzen kann und möglicherweise ein Schulungszentrum aufbaut«.
Karin Weber betont, daß es »im Moment das Wichtigste« sei, diesen Treffpunkt zu schließen, um der Szene die »materielle Grundlage« zu nehmen. Die Neonazis würden verstärkt an Schulen agitieren. »Rechte sprechen in den Pausen gezielt Schüler an«, so Bretterbauer. Bereits bei Siebtklässlern hätten sich rechte Gedanken verfestigt. Klaus Gertoberens vom Netzwerk Sachsen betonte gegenüber der Märkischen Allgemeinen, daß vor allem die zwölf- bis 16jährigen Zielgruppe der rechten Propaganda seien. »Sie werden regelrecht geködert mit einer Erlebniswelt aus Brauchtum und Lagerfeuer. Das ist gefährlich und beunruhigend. Jugendliche, die länger als ein halbes Jahr diese Gehirnwäsche bekommen, sind kaum noch zu erreichen«, sagte er.
Untersuchungen an Schulen des Kreises ergaben, daß durchschnittlich drei Prozent der Schüler rechtsorientiert seien. Die Spannbreite ist groß: An einigen Schulen sei der Anteil fast null, an anderen bekenne sich jeder fünfte Schüler zur rechten Szene. Daß die Neonazis sich einen neuen Ort suchen, um ihre Propaganda zu verbreiten und sich zu treffen ist den Stadtverordneten bewußt. Daher halten sie zu potentiellen Vermietern wie auch zu umliegenden Städten Kontakt. »Denn es nützt nichts, wenn die ein Dorf weiterziehen«, so Bretterbauer.
Mit der Gründung des Forums »Tolerantes Lübben« am vergangenen Freitag will die Stadt präventiv und nachhaltig gegen Rechtsextremismus vorgehen. An dem Bündnis beteiligen sich Behörden, Kirchen, Schulen, Kliniken und Vereine. Das Forum will in den Grundschulen und Vereinen, die viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, aktiv werden, um die Menschen »gegen rechts und gegen jede Art von Gewalt« sensibel zu machen.
Von Juri Eber und Rona Torenz