(Anna Bäcker) Während am 27. Januar 2004 die Fahnen vor dem Schloß Oranienburg auf Halbmast zum Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus wehten, traf sich in diesem der Kreisverband der Landsmannschaft der Schlesier. Als Gastredner referierte vor den 25 schätzungsweise 60–80 jährigen ihr Bundesvorsitzender Rudi Pawelka über “die Brückenfunktion der Schlesier bei der EU-Osterweiterung”. So zumindestens der offizielle Titel dieses diffusen und unkoordinierten Vortrages. Dieser war für einige MitgliederInnen scheinbar so uninteressant, dass sie prompt einschliefen. Diejenigen, welche dem Vortrag folgen konnten, hatten die Möglichkeit Geschichtsrevisionismus und Revanchismus wie aus dem Bilderbuch zu erleben.
Wie NS-Opfer
“Auschwitz ist weiter betrieben worden, wo Deutsche reinkamen” so Rudi Pawelka am Anfang seines Referates. Im weiteren Verlauf fordert er, dass die Vertriebenen wie NS-Opfer eingeladen werden, ohne jedoch zu sagen von wem und wohin dies geschehen solle. Außerdem verlangt er die Anerkennung, dass ihre Vertreibung Unrecht gewesen wäre. Dies obwohl die Umsiedlung der deutschen TäterInnen aufgrund der von eben diesem Deutschen zuvor betriebenen Barbarei richtig und unumgänglich war. Ferner ist eine Gleichsetzung der Opfer der Shoa mit den Vertriebenen, welche den Mord an über 6 Millionen als jüdisch identifizierten Menschen zumindest für gut befunden haben, nicht nur absurd sondern unzulässig.
Eine unter vielen
Nichtsdestotrotz fühlen sich Vertriebenverbände beziehungsweise ihre MitgliederInnen unter anderem aufgrund von Menschen wie Roman Herzog, der die Vertreibung der Deutschen auf dem “Tag der Heimat” 1996 nicht als Strafe, sondern als Rache bezeichnete, im Recht.
Die MitgliederInnen der Landsmannschaft der Schlesier, beziehungsweise des Kreisverbandes Oranienburg, sehen ihre Vertreibung nicht als Folge der Germanisierungspolitik des NS-Regimes, welcher sie willig folgten, an, sondern betrachten sie als eine Vertreibung unter vielen wie die der FinnInnen und die der Bevölkerung Polens durch Stalin. “Das war also nationalistisch genauso [sic!] wie Hitler das getan hat.” Pawelka differenziert bewusst nicht zwischen der durch Expansionspolitik bedingten Vertreibung und der legitimen Aussiedlung der Deutschen aus den von ihnen okkupierten Gebieten, um die Verbrechen der Deutschen zu relativieren.
“Die Polen aber nicht”
Er bezeichnet die Dekrete vom 8.März 1946 als “eine Art Apartheid”, da die Vertriebenen durch sie als “Bürger 2. , 3. oder 4. Klasse behandelt” werden würden. Welche Dekrete Pawelka meint ist unklar, da die polnische Regierung nach der Befreiung keine Verordnungen mit diesem oder ähnlichem Namen erlassen hat. Möglich wäre dass er sich auf die Beneš-Dekrete, welche nur für die Tschechoslowakei gelten, bezieht. In dem Fall jedoch würde sich die Frage stellen, warum sich ein Verband von Vertriebenen aus Polen auf tschechoslowakische Gesetze bezieht und sich von diesem diskriminiert fühlt, obwohl diese sie nicht betreffen.
Weiter sagt er: “Wir haben alle Nazigesetze aufgehoben, Rassengesetze und so. Die Polen aber nicht.”. Damit werden polnische Gesetze, welche nach der Befreiung Polens durch die Alliierten entstanden sind, mit denen der NationalsozialistInnen gleichgestellt. Somit wird der millionenfach von Deutschen betriebenen Mord mit der Umsieldung der Deutschen aus den von ihnen besetzten Gebieten gleichgesetzt und die eigene Mitschuld (wiedereinmal gekonnt) ausgeblendet. Pawelka hofft, dass die polnische Regierung durch den EU-Beitritt am 1. Mai 2004 gezwungen sein wird, die Gesetze zurück zunehmen. Diese Äußerungen ist eine der wenigen, in denen auf die EU-Osterweiterung und der Rolle der Schlesier dabei, dem eigentlichen Thema des Referates, eingegangen wurde.
Zukunftspläne
Abschließend formulierte Pawelka die zukünftigen Vorhaben der Landmannschaft. Sie will durch die ständige Verhandlung von Einzelfällen über die Gerichte Druck erzeugen und dadurch Gesetzesänderungen bewirken. Dies soll mit dem Beitritt Polens zur EU, am 1.Mai 2004, beginnen. Auch haben sie vor in die Schulen zu gehen um über dass ihnen angeblich widerfahrene Unrecht zu berichten.