Eberswalde. Jugendliche aus dem Landkreis Barnim beschäftigten sich seit über einem Jahr mit der Situation von Flüchtlingen und mit strukturellem Rassismus. Angeregt wurden sie dazu durch den open-space-Prozess “Light me Amadeu”, eine aktivierende Form der Auseinandersetzung mit wichtigen Themen. Die jungen Leute organisierten mehrere Aktionen, so auch eine Demonstration am Todestag von Amadeu Antonio am 6. Dezember letzten Jahres zur Überwindung von Rassismus.
Am vergangenen Dienstag (15.04.2008) übergaben einige Jugendliche der Barnimer Kampagne “Light me Amadeu” Landrat Bodo Ihrke zwei Resolutionen mit je 300 Unterschriften. Darin wird die Verringerung von Ausgrenzung und Kriminalisierung von Flüchtlingen gefordert. Die jungen Leute baten den Landrat darum, sich erneut mit der Residenzpflicht und dem Gutscheinsystem auseinander zu setzen, um das Leben der Flüchtlinge im Barnim erträglicher zu gestalten.
Der Landrat nahm die Unterschriften in Empfang und will sie nun an die Bundesebene weiterleiten. Im Gespräch mit den Jugendlichen erklärte er zu den fraglichen Gesetzen: “Wir haben hier veraltete Regeln die diskriminierend wirken.” Auf Kreisebene sei es ihm aber nicht möglich Lockerungen umzusetzen, da er sich an die Bundesgesetze halten müsse. Er stehe dem Vorgehen anderer Landkreise und Städte, das Gutscheinsystem durch viele Ausnahmeregelungen praktisch “abzuschaffen”, skeptisch gegenüber. Als Landrat müsse er Vorbild sein und könne seine Mitarbeiter nicht auffordern bestehende Regelungen zu umgehen. Er gehe davon aus, dass es auf Bundesebene noch lange dauern wird, ehe diese Gesetze abgeschafft werden.
Die politischen Aktivität der Jugendlichen lobte er ausdrücklich. Es müssten viel mehr Initiativen aus der Bevölkerung kommen, die versuchen demokratisch
Einfluss auf den Staat nehmen.
Die jungen Leute bedankten sich artig für das Gespräch, waren jedoch sehr frustriert. Sie hatten mehr Engagement des Landrates zur Überwindung von Ausgrenzung, Kriminalisierung und Rassismus vor Ort erwartet. Eine der beteiligten Jugendlichen fasste die Stimmung so zusammen: „Es geht hier doch nicht um Geld, sondern um mehr Menschlichkeit, um einen Beitrag gegen die institutionelle Ausgrenzung von Menschen. Warum behauptet er, nicht menschenfreundlicher sein zu dürfen?“
Aufgeben wollen die Jugendlichen trotzdem nicht. Als nächstes werden sie Unterschriften gegen die Residenzpflicht im Petitionsausschuss des Bundestages übergeben. Für das weitere Engagement wollen sie noch mehr Verbündete finden. Schließlich hatten sie Flüchtlingen und Politikern versprochen, dass sie am 6. Dezember wieder demonstrieren werden, wenn bis dahin das Gutscheinsystem und die Residenzpflicht nicht abgeschafft worden sind.