Aussteigerprogramm für rechte Szene erweist sich als Flop
AFP Berlin — Als Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) im Februar vergangenen Jahres erstmals sein Aussteigerprogramm für Neonazis vorstellte, hoffte er auf eine «Schwächung und Verunsicherung der rechten Szene». Das Programm des Bundesamts für Verfassungsschutz gibt es mittlerweile ein Jahr, doch nur knapp 40 Rechtsradikale werden derzeit betreut. Kritiker nennen es einen «Flop» und halten den Ansatz überdies für falsch. Mit ein paar Gesprächen und ein bisschen Geld würden gewalttätige Skinheads und stramme NPD-Mitglieder nicht dazu gebracht, sich von ihrem braunen Gedankengut zu trennen. Der Verfassungsschutz dagegen warnt davor, einen Erfolg nur an den Zahlen festzumachen.
Schilys Programm war von Anbeginn nicht unumstritten: So sollten Mitarbeiter des Verfassungschutzes ausstiegswillige Neonazis konkret ansprechen, bei der Jobsuche helfen, finanzielle Hilfen bereitstellen und im Extremfall sogar mit einer neuen Identität ausstatten. Durch den Ausstieg von hochrangigen Kadern sollte den Mitläufern ihr Weltbild zerstört werden, so die Arbeitsthese.
Die Hoffnung Schilys, dass Top-Neonazis aussteigen, scheint bislang nicht erfüllt worden zu sein. Von den insgesamt 66 Rechten, die in das Programm aufgenommen wurden, mussten 27 Betreuungsfälle abgebrochen werden, da die Betreffenden falsche Angaben machten, nicht wirklich aussteigen wollten oder keine Hilfe benötigten. Keiner wurde in ein polizeiliches Zeugenschutzprogramm aufgenommen.
«Der Ausstieg ist ein langwieriger fließender Prozess, ähnlich wie bei einem Drogenentzug», beschreibt der Rechtsextremismus-Experte Burkhard Schröder, der gerade ein Buch über Aussteiger geschrieben hat, den Mechanismus. Mit Aussteiger-Programmen würden nur «Symptome», aber nicht die Wurzel angepackt, kritisiert Schröder. Deshalb sollten finanzielle Hilfen vielmehr in antirassistische Projekte gesteckt werden.
Das Bundesinnenministerium spricht dennoch von einem Erfolg seiner Initiative. Für eine abschließende Einschätzung des Programms sei es zudem noch zu früh.
Die rechtsextremistischen Parteien verlieren indes an Anziehungskraft. Das Bundesamt für Verfassungsschutz zählte 2001 etwa 33 000 Mitglieder, nach 36 000 im Jahr davor. Die NPD hielt demnach ihren Stand von etwa 6500 Mitgliedern. Die Deutsche Volksunion (15 000) und die Republikaner (11 500) hätten aber jeweils fast 2000 Mitglieder verloren, meldet das Magazin «Focus».
Neonazis suchen deshalb offenbar verstärkt die Öffentlichkeit, um dem Mitgliederschwund entgegenzuwirken. Erst am Wochenende hatten im thüringischen Weimar etwa 3000 Menschen gegen eine Neonazi-Kundgebung, an der sich etwa 250 Sympathisanten beteiligten. Sieben linke Demonstranten und drei Rechtsextremisten wurden zeitweilig in Gewahrsam genommen. Der Neonazi-Aufmarsch war von der Stadt Weimar zunächst verboten worden. Das Oberverwaltungsgericht hob dieses Verbot danach jedoch wieder auf.