Der gesamte Fußball-Osten sei »elektrisiert«, meldete am Montag der Sport-Informationsdienst. Hintergrund des kollektiven Zungenschnalzens: Dynamo Dresden, seit neun Spielen sieglos, und Energie Cottbus, inzwischen auch schon vier Spiele ohne Erfolg, sollten am Abend die Klingen kreuzen. Zumindest hielt die Zweitliga-Delikatesse, was sie versprach. Bemühte Fußballkost bei mittlerem Tempo, dargeboten von mäßig begabten Kickern, deren Selbstvertrauen sich völlig im Keller befindet. Stockfehler prägten das Erscheinungsbild, am Ende trennte man sich 1:1.
Thomas Bröker brachte die etwas engagierteren Dresdener in Führung (30.), Timo Rost glich mit dem Pausenpfiff für Energie aus. Wirklich durchdachte Bewegung kam danach auf dem Rasen nur noch in der 81. Minute auf, als Schiedsrichter Wolfgang Stark gestenreich alle 22 Akteure in den Mittelkreis beorderte. Frustrierte Energie-Anhänger hatten ein paar Feuerwerkskörper abgeschossen, da leistete man der Anweisung des Referees besser Folge und trabte aus der Gefahrenzone.
Schon zu Beginn des Spiels hatten neofaschistische Provokateure im Cottbus-Block ein großes antisemitisches Transparent entrollt, auf dem groß »Juden« mit einem »D« wie aus dem Dynamo-Vereinswappen zu lesen war. Die Dresdener Ordner brauchten fünf Minuten, es aus dem Block zu entfernen, weil Feuerwerkskörper gezündet wurden und sie sich nicht in den Block reintrauten. »Und das 185 Tage vor unserer schönen WM« wie Bild.de am nächsten Tag jammerte. Promotionsbewußt sperrte die DFL Fotos von diesem Transparent während des Spiels im Internet. Unter der Überschrift »Herausragend widerwärtige Szenen in Dresden am 05.12.2005« distanzierte sich der Fan-Arbeitskreis des FC Energie Cottbus in einem offenen Brief an Dynamo Dresden von den Vorkommnissen und entschuldigte sich für die Fans – eingedenk der Tatsache, daß Cottbus-Hools schon früher derartig aufgefallen waren. Hans-Georg Moldenhauer, Vizepräsident des DFB und Chef des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV), sprach sich für eine härtere Gangart gegen »die Kriminellen« aus. Der DFB-Kontrollausschuß setzte die Erörterung der Vorfälle für Dienstag auf die Tagesordnung.
Als Schiedsrichter Stark das Spiel am Vorabend endlich abpfiff, waren eigentlich alle zufrieden. »Wir können mit dem Unentschieden besser leben als Dynamo«, meinte Energie-Trainer Petrik Sander. »Unsere Mannschaft hat gezeigt, daß es aufwärts geht« hielt Dynamo-Präsident Jochen Rudi dagegen.
Beide hatten nicht unrecht. Während sich Energie, das derzeit auf dem 5. Platz noch vom sensationellen Saisonstart zehrt, allmählich auf eine ruhige Rückrunde im Niemandsland des Zweitliga-Mittelfelds einstellt, hat sich Dynamo nach peinlichen Wochen sondergleichen diesmal wenigstens nicht blamiert. Wacker verteidigte man den 16. Tabellenplatz. Neben hundsmiserablem Fußball brachte zuletzt vor allem die Posse um den gescheiterten Rauswurf von Coach Christoph Franke den Verein in die Schlagzeilen. Nach der 2:3‑Heimpleite gegen Unterhaching Ende November war der bereits entlassen (Franke: »Einige Spieler haben mir schon alles Gute gewünscht«) – als jedoch die komplette Dynamo-Fankurve den zweifachen Aufstiegstrainer nachdrücklich feierte, ruderten die Verantwortlichen um Rudi und Geschäftsführer Volkmar Köster über Nacht zurück. Man habe Fehler gemacht, räumte Rudi am Montag schmallippig ein, aber Vertrauen sieht irgendwie anders aus: »Wir haben uns klar positioniert, daß wir die Trainerfrage im Moment nicht diskutieren«, so der präsidiale Pappkamerad. Eine Äußerung, die ihn jederzeit zu einem Führungsamt beim 1. FC Kaiserslautern, seit Jahren klarer Branchenprimus in Sachen katastrophalem Krisenmanagement (Wischemann, Jaeggi), qualifizieren würde. Franke nimmt die Sache inzwischen gelassen. »Ein Garantieverhältnis gibt es als Trainer nur in Freiburg«, witzelte er. Zwei potentielle Rückkehrer werden nun in Dresden als Heilsbringer angesehen. Maik Wagefeldt (1. FC Nürnberg) und Radislav Jovanovic (Mainz 05), beide vor anderthalb Jahren maßgeblich an Dynamos Zweitligaaufstieg beteiligt und in der Bundesliga-Fremde nie über den Status von Ergänzungsspielern hinausgekommen, sollen ab der Winterpause den Kader verstärken. Ihr Kommen haben beide hartnäckigen Gerüchten zufolge jedoch nur unter der Bedingung zugesagt, daß Franke im Amt bleibt.