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Bahnhof für alle!

Was im Falle der Deutschen Bahn selb­st noch berat­en und ver­han­delt wird, ist im
Pots­damer Haupt­bahn­hof schon längst Real­ität: Die Pri­vatisierung öffentlich­er Räume
und öffentlich­er Güter. Dieser Ort ist ein wichtiger Knoten­punkt des öffentlichen
Per­so­n­en­verkehrs in Pots­dam: Region­al­bahn, Tram, diverse Buslin­ien- am am
Haupt­bahn­hof kommt men­sch kaum vor­bei. Durch die vielen
hun­dert Men­schen, die diesen
Knoten­punkt täglich nutzen, wer­den die soge­nan­nten Bahn­hof­s­pas­sagen zu einem der
wichtig­sten öffentlichen Plätze Pots­dams. Doch Moment? Ist es wirk­lich ein
öffentlich­er Platz?

Prof­it statt Freiheit

Bei genauer­er Betra­ch­tung wird klar, dass es sich bei den „Bahn­hof­s­pas­sagen“ um
einen pri­vat­en Raum han­delt, der rein wirtschaftlichen Inter­essen unter­ge­ord­net ist:
Die eigens geschaf­fene Hau­sor­d­nung ver­bi­etet vieles von dem, was die meisten
Men­schen außer­halb des Bahn­hofes als ihre Rechte ver­ste­hen: Politische
Mei­n­ungsäußerun­gen, Musik, Aus­ruhen, Essen und Trinken. Die Hau­sor­d­nung soll dafür
sor­gen, dass kon­sum­freudi­ge Men­schen in den Geschäften, ihre Kau­flust stillen und
durch die Atmo­sphäre zu weit­eren Einkäufen ani­miert wer­den. Was dem Profitstreben
des Cen­ter­manag­ments im Wege ste­ht, wird daher auch schon­mal mit einem Hausverbot
bedacht.
Ganz beson­ders hart trifft es soziale Rand­grup­pen, die ohne­hin schon ihrer
Rück­zugsräume beraubt sind: Beispiel­sweise Obdachlose, die bei klir­ren­der Kälte
einen der weni­gen war­men Plätze der Stadt auf­suchen wollen. Oder Flüchtlinge, die
nur wegen ihrer Herkun­ft kon­trol­liert und schikaniert werden.

… und plöt­zlich kam der Sheriff

Durchge­set­zt wer­den Hau­sor­d­nung und Hausver­bote durch einen Sicher­heits­di­enst, bei
dessen Anblick vie­len Men­schen nicht klar ist, ob dieser ein Gefühl der Sicherheit
oder doch nicht eher ein Gefühl von Unwohl­sein pro­duzieren soll. Dazu kommt die hier
ansäs­sige Bun­de­spolizei, deren Streifen­di­en­ste zusam­men mit dem Sicherheitsdienst
manchem Besuch­er das Gefühl geben, sich eher in einem Hochsicher­heit­strakt als in
einem offe­nen Bahn­hof zu befinden.
Gar­niert wird das alles noch mit ein­er der höch­sten Überwachungskameradichte
Pots­dams — verteilt über alle Ecke und Gänge des Gebäudes find­en sich hier zig
Kam­eras, die täglich alle herum­laufend­en Men­schen aufze­ich­nen. Küssen, in der Nase
bohren oder was son­st noch eher Pri­vat­sache der Men­schen ist — im Hauptbahnhof
kön­nen sie sich­er sein, dabei beobachtet und gefilmt zu werden.

Ich weiß, was du let­zten Som­mer getan hast…

Die Überwachung auf Bahn­höfen hat inzwis­chen erschreck­ende Dimen­sio­nen angenommen:
Durch das Fil­men nahezu aller Bah­n­fahren­den an Start- und Ziel­bahn­hof, durch das
Aufze­ich­nen der Dat­en beim Kauf ein­er Fahrkarte und durch per­son­al­isierte Tickets
kann prak­tisch jede Bewe­gung eines Men­schen inner­halb dieses Net­zes nachvollzogen
wer­den. Wem das alles dienen soll, das lassen die Betreiber dieser
Überwachungs­maß­nah­men im Dunkeln. Die Ursachen von Krim­i­nal­ität wie Armut bekämpfen
Kam­eras jeden­falls mit Sicher­heit nicht. Was bleibt, ist ein Gefühl der ständigen
Beobach­tung, das wirk­liche Frei­heit nahezu unmöglich macht. Wer weiß, dass er in
diesem Moment gefilmt, beobachtet und kurz gesagt überwacht wird, kann sich nicht
unbe­fan­gen durch diesen Bahn­hof bewegen.

Eine all­ge­meine Entwicklung

Der Pots­damer Haupt­bahn­hof ist also ein Ort, wo nicht das Gemein­wohl oder eine
gesellschaftliche Betä­ti­gung zählt, son­dern der max­i­male Gewinn der ansässigen
Geschäfte und des Cen­ter­manag­ments. Aber wie sieht es an anderen Orten Pots­dams aus?
Die Ein­schränkung öffentlich­er Räume zugun­sten pri­vat­en Besitzes find­et längst an
viel mehr Orten statt. In der Nähe der Glienick­er Brücke ent­stand ein geschlossenes
Wohnge­bi­et für die reicheren Teile der Bevölkerung: Kom­plett eingezäunt und mit
eigen­em Sicher­heits­di­enst verse­hen, müssen die Bewohner_innen nicht mehr fürchten,
mit der nor­malen Bevölkerung in Kon­takt zu kom­men. Getrübt wird das Vergnü­gen leider
immer noch von dem Mob, der den angren­zen­den Ufer­weg unsich­er macht. Kurzerhand
entschlossen sich einige der wohlhaben­deren Anwohn­er am Grieb­nitzssee, die Sache in
die eigene Hand zu nehmen, bezahlten einen Sicher­heits­di­enst und sper­rten den Weg in
Eigen­regie ab. Hier sollte mit der Macht des Geldes ein von vie­len Bewohner_innen
Pots­dams benutzer Weg dem Inter­esse einiger weniger reich­er Anwohn­er untergeordnet
werden.

Geld regiert die Welt?

Pri­vatisierun­gen, egal ob von öffentlichen Plätzen oder Betrieben, ste­hen für uns im
Zusam­men­hang mit der kap­i­tal­is­tis­chen Glob­al­isierung. Wo nicht das Inter­esse der
Men­schen, son­dern das Prof­it­streben einiger weniger im Mit­telpunkt ste­ht, ist das
auch kein Wun­der. Es soll Geld gemacht wer­den, koste es, was es wolle. Uns soll
ein­gere­det wer­den, dass wir nur mit mehr Wet­tbe­werb, mehr Pri­vatisierung überhaupt
im glob­alen Ver­gle­ich beste­hen kön­nen — und deshalb alle Ein­schränkun­gen und
Kürzun­gen unser­er Frei­heit­en und Leben­squal­itäten hin­nehmen sollen. Um das zu
erre­ichen, sollen auch die let­zten Unternehmen, die noch nicht am max­i­malen Gewinn
ori­en­tiert sind, in pri­vate, prof­i­to­ri­en­tierte Unternehmen umge­wan­delt wer­den. Was
beispiel­haft am Pots­damer Haupt­bahn­hof schon längst vol­l­zo­gen, soll jet­zt auch für
die Bahn selb­st geschehen — mit all den Ein­schränkun­gen und Prob­le­men, die das für
Kund_innen und Angestellte der Bahn mit sich brin­gen wird. Mit dem Argu­ment „Wir
müssen sparen und mehr Geld erwirtschaften, um uns gegen die Konkur­renz behaupten zu
kön­nen“, wird noch so manch­er Lohn geringer und so manche Fahrkarte teur­er werden.

Macht kaputt, was euch kaputt macht

Wir wollen aber kein Pots­dam und keine Gesellschaft, wo dem Prof­it­streben alles
unter­ge­ord­net wird. Wo auf Frei­heit­en der Men­schen gep­fif­f­en wird und der einzelne
Men­sch nur noch so viel wert ist, wie viel Geld er aus­geben kann.
Wir wollen dieser gesellschaftlichen Entwick­lung ein Mod­ell ein­er solidarischer
Gesellschaft ent­ge­gen­stellen, in der das Wohl aller Men­schen an ober­ster Stelle
ste­ht und wo Frei­heit­en und Grun­drechte nicht durch Hau­sor­d­nun­gen und
Überwachungs­maß­nah­men beschränkt wer­den. Aus diesem Grund wollen wir heute hier im
Pots­damer Haupt­bahn­hof genau diese Rechte ein­fordern und ihn für eine kurze Zeit in
einen Freiraum für Kul­tur, Poli­tik, Sport, Musik und Selbstbestimmung
zurückverwandeln.

Weit­ere Artikel:


Aus Anti-G8-Bünd­nis wird “Antikap­i­tal­is­tis­ches Bünd­nis”
(Pressemit­teilung)


Bahn­hof für alle!?
(Auswer­tung)

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